Es musste so kommen
24.09.2013
Foto: © Nejron Photo - Fotolia.com
Deutschland staunt. Als wäre ein Tsunami über Nord- und Ostseeküste gekommen, staunen viele Bundesbürger fassungslos über die explodierende Zahl der Pflegefälle. Dabei war sie vorhersehbar. Wenn die Menschen immer älter werden, steigt naturgemäß die statistische Wahrscheinlichkeit, dass sie irgendwann nicht mehr aus eigener Kraft für sich sorgen können.
Bereits im August 2003 konnten letzte Zweifler in einem Gutachten der Rürup-Kommission zur Nachhaltigkeit in der Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme die Malaise schwarz auf weiß lesen: „Bei der gesetzlichen Rentenversicherung zeichnete sich bereits ab, dass umlagefinanzierte Versicherungssysteme aufgrund der absehbaren demografischen Entwicklung unter einem zunehmenden Mangel an nachwachsenden Generationen leiden werden. Unter dem Gesichtspunkt der Finanzierbarkeit muss daher festgestellt werden, dass die gegenwärtige Form der Sozialen Pflegeversicherung nicht nachhaltig ist." Oder mit anderen Worten – ohne private Absicherung geht nur wenig. Ende 2011 waren bereits 2,5 Millionen pflegebedürftig. Bis 2050, so Wissenschaftler, wird sich dieser Wert auf 4,5 Millionen nahezu verdoppeln. Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft hat die Entwicklung in einem einzigen Satz sehr treffend zusammengefasst:
„Die demografische Entwicklung lässt sich nicht überlisten."
Rund zwei Drittel dieser Menschen werden zu Hause versorgt, und zwar von ihren Angehörigen. Ob diese persönliche Zuwendung allein empfundener Verantwortung entspringt, mag dahingestellt sein. Oft liegt es auch einfach am fehlenden Geld.
Die Bundesbürger nehmen die Realität in Sachen Pflegeversicherung reichlich verzerrt wahr. Die 1995 eingeführte soziale Pflegeversicherung mit ihren Pflichtbeiträgen werde es schon richten. Dabei hatte die christlich-liberale Bundesregierung unter Kanzler Helmut Kohl dieses Instrument keineswegs eingeführt, um die finanziellen Risiken von Pflegebedürftigkeit abzusichern. Vielmehr sollten so die Kommunen entlastet werden, deren Sozialkassen unter der Last immer höherer Ausgaben für die Pflege zu kollabieren drohten. Was dann unter dem Strich nach Abzug der Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung von den tatsächlichen Pflegekosten übrig blieb, müssen die Betroffenen und ihre Angehörigen aus vorhandenem Geld oder Vermögen selbst stemmen. Erst wenn gar nichts mehr geht, treten die Sozialkassen in Erscheinung.
Hier gilt es, privat gegenzusteuern. Schließlich ist das Pflegerisiko auch ein Vermögensrisiko. Lebens- und Krankenversicherer bieten dagegen immer flexiblere Policen an, sei es als Pflegetagegeld oder als Pflegerente. Hinzugekommen ist in diesem Jahr der Pflege-Bahr mit der staatlichen Förderung und einem durchaus ansprechenden Versicherungsumfang. Wie wichtig jedoch gezielte Aufklärung auch hierzu ist, zeigt eine aktuelle Umfrage der Süddeutschen Krankenversicherung: Nicht einmal jeder zweite Deutsche kennt den Pflege-Bahr. „Wir sehen uns als Krankenversicherung aufgerufen, die Menschen noch stärker als bisher über die Absicherung im Pflegefall aufzuklären", sagt Dr. Ralf Kantak, Vorstandsvorsitzender der Süddeutschen Krankenversicherung. „Der Pflege-Bahr ist für uns ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung."
(Dr. Hermann Schmidt-Dieburg)