Es ist die Aufgabe von uns allen

11.08.2023

Frank Schrills, Geschäftsführender Präsident des BiPRO e.V.

Wie waren die BiPRO-Tage und was macht der BiPRO-Hub? Die technische Zukunft von Versicherungsvertrieb und -abwicklung findet genau hier und jetzt statt. Was gerade passiert und was passieren wird, klärt Chefredakteur Lenard von Stockhausen im finanzwelt-Interview mit Frank Schrills, Geschäftsführender Präsident des BiPRO e.V.

finanzwelt: Der BiPRO-Tag 2023 in Neuss ist vorbei und ich würde gern Ihre Eindrücke von der Veranstaltung in Erfahrung bringen.
Frank Schrills» Ich bin sehr zufrieden, vor allem mit der gestiegenen Anzahl von etwa 420 Teilnehmern, was immerhin einem Anstieg um 20 % gegenüber dem Vorjahr entspricht. Das war einer der größten BiPRO-Tage und ein voller Erfolg für unseren Verein als Prozessinstitut der Assekuranz und Finanzdienstleister. Das große Interesse der Branche wird noch deutlicher, wenn man bedenkt, dass bei Veranstaltungen anderer Organisationen die Teilnehmerzahlen teilweise rückläufig sind. Obwohl das Netzwerken auf dem BiPRO-Tag oft im Vordergrund steht, kamen in diesem Jahr auch die Themen und Inhalte der Veranstaltung überdurchschnittlich gut an. Besonderes Interesse genossen Slots rund um den BiPRO-Hub, der ausführlich vorgestellt wurde, sogar in einer Live-Demo.

finanzwelt: Die BiPRO-Tage bringen Versicherer, Vermittler, Pools, Vertriebe und ITler zusammen. Was ist aus Sicht der Vermittler, also unserer Leser, besonders relevant? Anbindung und Standards sind sicherlich wichtige Themen, gab es noch andere spannende Diskussionen auf den BiPRO-Tagen?
Schrills» Wir hatten neben dem Hub-Thema beispielsweise Beiträge von interessanten InsurTechs, strategische Vorträge über Dysfunktion und Innovation sowie hochkarätige Redner aus der Branche. Da gibt es immer viel zu lernen. Wir haben uns auch mit spannenden Szenarien rund um den Verein und anderen marktpolitischen, technischen und fachlichen Entwicklungen auseinandergesetzt. Alles von großer Bedeutung für Vermittler! Es gab spannende Präsentationen, zum Beispiel über die Erfahrungen von Aon und die sinnvolle Anwendung von Standards. Wer nicht dabei war, hat wirklich etwas verpasst.

finanzwelt: Die Diskussion um Standards ist ein großes Thema ... Ich habe das Gefühl, dass viele Vermittler Innovationen verpassen, da nicht genug Kommunikation stattfindet. Ist es die Aufgabe von BiPRO, den Versicherern oder den Medien, die Vermittler besser über aktuelle Entwicklungen zu informieren?
Schrills» Das ist eine gute Frage. Zunächst würde ich grundsätzlich sagen, es ist die Verantwortung von uns allen – von allen Akteuren – unsere Branche in Bezug auf Standards voranzubringen. Hier gibt es noch viel Potenzial und Raum für Verbesserungen in der Kommunikation. Und ja, Teile der klassischen Vermittlerschaft – da stimme ich Ihnen zu – drohen den Anschluss an die Automatisierung von Geschäftsprozessen zu verlieren. Pools und Vertriebe haben das Thema Standards, Abwicklung und Digitalisierung dagegen bereits meist besser im Griff. Doch auch jeder Vermittler kann von einem guten System eines Anbieters profitieren und die Technik für sein Geschäft hoch effizient nutzen. Hier besteht definitiv noch Nachholbedarf, um allen bewusst zu machen, welche Möglichkeiten und Dringlichkeiten mit der Anwendung von Standards einhergehen und welche Vorteile dies bietet. Alle Akteure sind aufgefordert, allen voran der Vermittler als Unternehmer, sich hier stärker zu engagieren, denn es ist überlebenswichtig, mit der Digitalisierung Schritt zu halten: Auch Versicherer, Innendienstmitarbeiter und Vertriebsmitarbeiter sollten den Vermittler in diesem Thema unterstützen, informieren und vorantreiben. Und natürlich können ebenfalls die Medien, die in der Versicherungslandschaft tätig sind, hierbei als Spiegel der Branche fungieren und entsprechende Impulse durch ihre Berichterstattung setzen. Letztlich war und ist es ein wichtiges Anliegen für die BiPRO, den Vermittler mit Hilfe verschiedener Formate und Veranstaltungen zu informieren, unter anderem auch im Zusammenspiel mit Vermittlerverbänden. Wir sind darüber hinaus auch auf der DKM präsent und organisieren die ‚Düsseldorfer Maklergespräche‘, bei denen der Bedarf der Makler im Vordergrund steht. Unser Fokus liegt darauf, die Makler und nicht nur die Dienstleister anzusprechen, da deren Interessen außerdem nicht unbedingt immer deckungsgleich sind.

finanzwelt: Ja, ich verstehe Ihren Standpunkt ...
Schrills» Nun ja, um nochmal auf die Journalisten zu sprechen zu kommen: Diese sind natürlich keine Techniker, daher gibt es oft Berührungsängste. Dabei geht es doch hier in erster Linie um die Anwendung und den entsprechenden Nutzen und nicht um fachliche oder technische Details. Die interessieren den Vermittler doch eigentlich gar nicht. Zur Ehrenrettung der Medien muss ich allerdings auch sagen: das Interesse am diesjährigen BiPRO-Tag war noch nie größer. Da gilt es, weiter dranzubleiben, denn – ich habe bereits darauf hingewiesen – es ist die Aufgabe von uns allen, also von allen Akteuren in der Branche, die Vermittler über Standards und Innovationen zu informieren und damit zu unterstützen.

finanzwelt: Das führt uns zu den Dienstleistern und dem BiPRO-Hub. Was werden Dienstleister wie „zeitsprung" tun, wenn der BiPRO-Hub einsatzbereit ist? Wird ihr Geschäftsmodell überflüssig?
Schrills» Das war genau die Frage, die wir uns gestellt haben, als wir beschlossen haben, den BiPRO-Hub einzuführen. Unternehmen wie ‚zeitsprung‘ sind in der Tat betroffen, zumindest partiell. Es wurde sorgfältig überlegt, ob der Verein als Normierungsinstitut ein solches Vorhaben angehen sollte, aber letztendlich haben wir uns dafür entschieden, da sich doch viele Vorteile für viele Akteure bieten. Und wenn man mit den Beteiligten des Hubs spricht, wird deutlich, dass ein solcher zentraler Anbindungspunkt eine logische Konsequenz ist, um in einem so heterogenen Markt wirklich effektiv Prozesspotenziale heben zu können. Wir haben in diesem Zusammenhang intensiv überlegt, was dies für die betroffenen Unternehmen wie z. B. ‚zeitsprung‘ bedeutet, sind jedoch der Meinung, dass auch solche Unternehmen letzten Endes davon profitieren werden. Durch die Anbindung an den BiPRO-Hub entfällt für Partner die Notwendigkeit einer mehrfachen Anbindung an verschiedene Versicherer und umgekehrt. Das spart Zeit sowie Kosten und verbessert die Qualität der Anbindung, wobei der BiPRO-Hub keine Funktionalitäten von MVP-Herstellern, Vergleichern, Pools, Vertrieben etc. bieten wird. Er ist halt ‚nur‘ eine Drehscheibe, aber in seiner Neutralität als Community-Lösung entscheidend für die souveräne Distribution von Daten in unserer Branche – insbesondere aus Sicht des Vermittlers. Dabei ist es eines unserer Ziele, den BiPRO-Standard weiter zu etablieren und zu verbreiten. Die eben angesprochenen Dienstleister verfügen im Übrigen in der Regel über umfangreiche BiPRO-Fähigkeiten, und so werden sich mit dem Hub neue Geschäftsfelder für sie eröffnen. Letztlich also eine Win-Win-Win-Situation.

finanzwelt: Können Sie noch einmal kurz zusammenfassen, was der BiPRO-Hub ist, was er leistet und welche Vorteile er für Vermittler, Versicherer und Dienstleister bietet?
Schrills» Der BiPRO-Hub ist eine technische Plattform, die als zentrale Online-Drehscheibe für Daten und Prozesse fungiert. Im Gegensatz zu großen internationalen Playern lesen wir aber keine Daten aus und handeln nicht damit. Wir ermöglichen lediglich eine Ein-Punkt-Anbindung. Sowohl Versicherer, Partner mit eigener IT als auch Dienstleister brauchen sich zukünftig nur noch an den BiPRO-Hub anzuschließen, um Ihre Geschäftspartner via BiPRO-Normen prozessual zu erreichen. Wenn viele Marktteilnehmer mitmachen, hat dies erhebliche Vorteile: Man muss sich zum Beispiel nur einmal anmelden, einmal testen, ist schneller online etc. Das erleichtert und beschleunigt viele Prozesse. Zudem wird es kostengünstiger. Ein weiteres, praktisches Beispiel: Bei Problemen wie einem Serverausfall eines Versicherers oder fehlerhafter Datenstrukturen soll der BiPRO-Hub alle entsprechenden Partner über ein gemeinsames Störfallmanagement informieren. Quälende Nachfragen bei einer überfüllten Partner-Hotline entfallen. Unser Ziel ist es weiterhin, mehr und einheitliche Daten in hoher Qualität bereitzustellen, also nicht nur grundlegende Informationen, sondern alle für den Vermittler relevanten Daten für einen bestimmten Geschäftsprozess wie zum Beispiel der Bestandsdaten-Übermittlung, welche als erstes im Rahmen des BiPRO-Hubs umgesetzt wird.

finanzwelt: Ist das Konzept des BiPRO-Hubs, insbesondere angesichts von Vorfällen wie dem Datenklau bei meinMVP, ein Vorteil? Ist es sicherer, die Daten zentral über den BiPRO-Hub zu übertragen, der möglicherweise besser geschützt ist oder besteht die Gefahr, dass er zu einem großen Angriffsziel wird?
Schrills» Beim BiPRO-Hub werden die Daten mit Hilfe von etablierten Dienstleistern verarbeitet, und wir arbeiten intensiv mit allen Teilnehmern an der Sicherheit. Insbesondere die Versicherer selbst achten bereits darauf, dass die Daten sicher sind. Dies liegt in ihrem ureigenen Interesse. So können die Daten gemäß einer neuen BiPRO-Norm zwischen den beteiligten Parteien verschlüsselt übertragen werden. Weder der BiPRO-Hub noch potenzielle Hacker können dann entsprechende Daten einsehen, außer natürlich diejenigen, an welche der Datensatz gerichtet ist. Zur Wahrheit gehört jedoch auch: Es gibt in der Verwendung von Internet-Technologie nirgendwo einen 100 %-igen Schutz, aber natürlich wird der BiPRO-Hub nicht nur alle gesetzlichen Vorschriften beachten, sondern darüber hinaus modernste Sicherheitsmechanismen verwenden, die die Prozesse zwischen den Beteiligten sehr sicher machen.

finanzwelt: Das ist zu hoffen. Es scheint, dass einerseits die Daten genauer spezifiziert werden können, aber andererseits könnten kleinere Versicherer, die spezialisierte Bereiche wie beispielsweise Hagelversicherungen für die Landwirtschaft abdecken, von den Standards ausgeschlossen werden. Begrenzt die Normierung die Flexibilität kleinerer Versicherer?
Schrills» Das sehe ich nicht so. Im Rahmen unserer ‚Digitalisierungsoffensive Bestandsdatenübermittlung‘ haben wir eng mit über 40 Mitgliedsunternehmen zusammengearbeitet. Es wurde intensiv darüber nachgedacht, was für die Partner in der Praxis wirklich wichtig ist und welche Daten entscheidend sind. So wurden bereits Konventionen für alle privaten Versicherungssparten final definiert, im Bereich Gewerbe- und Rechtsschutzversicherungen wird diesbezüglich aktuell noch bis Ende des Jahres gearbeitet. Wir sind zuversichtlich, dass wir dann konsolidierte Datensätze haben werden, die den Bedürfnissen aller Beteiligten gerecht wird. Die Normierung gewährleistet dabei größtmögliche Konformität, aber es werden selbstverständlich auch individuelle Unternehmensspezifikationen und entsprechende Dokumentationen ermöglicht, auch für die angesprochenen Spezialanbieter. Gerade im Neugeschäft ist dies ganz klar von erheblicher Relevanz. Nebenbei sei erwähnt, dass die Branche hiermit auch eine hervorragende fachliche Grundlage für potenzielle Szenarien im regulatorischen Umfeld von ‚Open Finance‘ besitzt. Hier sind wir als BiPRO am Puls der Zeit und gewährleisten Nachhaltigkeit und Sicherheit eines bewährten Standards. Der BiPRO-Hub muss und wird natürlich gleichermaßen ebenfalls in der Lage sein, die verschiedenen Anforderungen des eigenen Standards zu erfüllen. Vermittler können auf diese Weise für ihre Kunden weiterhin mit vielen großen und kleinen Versicherern zusammenarbeiten – nur in Zukunft endlich viel effektiver.

finanzwelt: Vielen Dank, Herr Schrills, für diesen spannenden Einblick hinter die Kulissen von BiPRO.
Schrills» Vielen Dank, Herr von Stockhausen, für Ihre interessanten Fragen. (lvs)