Schnittstelle von Erbrecht und Familienrecht: Vermögensschutz voranbringen
17.04.2023
Dr. Simone Uhlig und Florian Schildge, Kanzlei 4L Legal / Foto: © 4L Legal
In der Regel wollen vermögende Personen und Unternehmer ihre aufgebauten Vermögenswerte vor Schädigung und Zersplitterung schützen und für die kommende Generation erhalten. Dabei schauen sie voranging auf erbrechtliche Fragestellungen – aber auch das Familienrecht spielt eine wesentliche Rolle. Die Beratung an der Schnittstelle kommt daher hohe Bedeutung zu.
Die typische Vermögens- und Vorsorgeplanung für vermögende Privatpersonen und Familien, die häufig aus einem unternehmerischen Umfeld stammen, bezieht sich in der Regel auf die optimale Übertragung zu Lebzeiten oder von Todes wegen. Vor allem soll das Vermögen in der Familie erhalten bleiben und fair verteilt werden. Um dies sicherzustellen, eignen sich insbesondere rechtssichere, strategisch geplante Testamente, Erbverträge und Vermächtnisse, die auch Eventualitäten wie Pflichtteilsansprüche und Rückforderungsrechte im Auge behalten und dazu bestimmte Regelungen vorgeben.
Was gerne vergessen wird, ist das finanzielle Risiko der Scheidung. Sind die familien- und güterrechtlichen Verhältnisse zwischen den Ehegatten nicht sauber geregelt, kann dies im Scheidungsfall für den vermögenden Partner richtig teuer werden. Und nach der Scheidung soll der ehemalige Ehegatte gegebenenfalls keinen Zugriff mehr auf das Vermögen im Todesfall haben. Auf der anderen Seite führt die sogenannte Patchwork-Familie zu zusätzlichen Herausforderungen in der Vermögensnachfolge – denn mangels Blutsverwandtschaft gibt es zwischen Stiefeltern und Stiefkindern keine gesetzliche Erbfolge.
Mit einem Ehevertrag lässt sich für den Scheidungsfall vorsorgen
Das zeigt: Bei vielen Fragen aus Erbrecht und Vermögensplanung spielt das Familienrecht deutlich hinein. Man kann kaum das eine sauber regeln, ohne das andere ebenfalls zu beachten. Daher gilt es, gerade auch an der Schnittstelle von Erbrecht und Familienrecht auf optimale Lösungen zu setzen, um den Vermögensschutz voranzubringen.
Mit einem Ehevertrag lässt sich für den Scheidungsfall vorsorgen. Das ist gerade dann wichtig, wenn ein Unternehmen im Spiel ist. Leben Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft, ist das gemeinschaftlich erworbene Vermögen im Scheidungsfall so zwischen den Ehegatten auszugleichen, dass jedem Ehegatten 50 Prozent des gemeinschaftlich erworbenen Vermögens zufallen. Es ergibt also viel Sinn, das Unternehmen durch einen rechtlich sauber formulierten und notariell beurkundeten Ehevertrag (teilweise) aus dem Zugewinnausgleich zwischen den Ehegatten herauszunehmen. Ist das nicht passiert, droht im Scheidungsfall nach dem Gesetz ein Ausgleich des während der Ehe entstandenen Wertzuwachses eines Unternehmens in bar. Was das heißt, kann jede unternehmerische tätige Person recht leicht selbst berechnen.
Geschiedenentestament schließt Ex-Ehegatten vom Erbe aus
Diese Vermögensschädigung wollen vermögende Personen und Unternehmer in der Regel genauso verhindern wie den Zugriff aufs Vermögen im Rahmen des Erbfalls. Ehegatten errichten meist Testamente, in denen sie sich gegenseitig als Erben einsetzen oder sich sonstwie etwas zuwenden wollen. Solche Regelungen werden zwar bei einer Scheidung unwirksam, und auch die Pflichtteilsansprüche des geschiedenen Ehegatten erlöschen. Der Zugriff auf das Vermögen durch den geschiedenen Ehegatten bleibt aber möglich, beispielsweise dann, wenn gemeinsame minderjährige Kinder erben und der geschiedene Ehegatte über das Sorgerecht Zugriff auf dieses Vermögen erhält. Und versterben gemeinsame Kinder vor dem geschiedenen Ehegatten kommt dieser als gesetzlicher Erbe und sogar Pflichtteilsberechtigter in Betracht.
Das gilt es zu verhindern, und zwar am besten mit dem sogenannten Geschiedenentestament. Dieses sollte errichtet werden, wenn jemand zwingend vermeiden will, dass der Ex-Ehegatte am eigenen Nachlass partizipiert. Das Geschiedenentestament hat den Zweck, einem minderjährigen Kind den Nachlass zu sichern, falls der Erblasser selbst verstirbt. Auch wenn spätere Erblasser erneut heiraten, bleibt das Kind durch das Geschiedenentestament gesetzlicher Erbe. Ist das Kind minderjährig, verwaltet der frühere Ehegatte als dessen gesetzlicher Vertreter den Erbanteil des Kindes am Nachlass. Dieses Recht kann dem geschiedenen Ehegatten aber durch ein Geschiedenentestament entzogen werden.
Neue Ehe, viele Fragen
Die Frage, die sich daran anschließt: Wie regelt man den Nachlass bei einer neuen Heirat? Immerhin müssen die Partner in der neuen Familie auch bei der Regelung ihrer Erbfolge verschiedenste Interessen und neuen Familienstämme unter einen Hut bekommen. Zunächst gilt: Nach der Heirat ist der neue Ehegatte auch gesetzlicher Erbe und pflichtteilsberechtigt, aber eben nicht dessen Kinder. Sollen Stiefkinder also erben, ist dies kein Automatismus, sondern muss ausdrücklich im Testament so formuliert werden. Dieses muss ohnehin neugestaltet werden, da sich die Lebenssituation durch Scheidung und Wiederverheiratung maßgeblich verändert hat.
Die Kinder aus erster Ehe bleiben selbstverständlich weiterhin gesetzliche Erben, und es steht jedem Vermögensinhaber frei, individuelle Erbquote festlegen. Denn vielleicht sollen die leiblichen Kinder deutlich mehr erhalten als der neue Ehegatte? Dessen Anteil kann bis zum Pflichtteil reduziert werden, was die Hälfte des gesetzlichen Erbteils bedeutet. Andersherum funktioniert dies genauso. Es können somit hochindividuelle Regelungen getroffen werden – die aber einer rechtssicheren Strukturierung bedürfen.
Finanzberater sollten daher bei ihren Vorsorgegesprächen die Mandanten auf diese Punkte hinweisen, mögliche Probleme offen ansprechen und einen spezialisierten Rechtsanwalt für die Schnittstellenberatung im Erb- und Familienrecht an den Tisch nehmen. Das schafft spürbare Mehrwerte in der Asset Protection und gibt Ruhe und Gelassenheit.
Gastbeitrag von Dr. Simone Uhlig,
Fachanwältin für Arbeitsrecht und Familienrecht,
und Florian Schildge, auf Erbrecht spezialisierter Rechtsanwalt,
Kanzlei 4L Legal Karlsruhe