Eine Technologie mit der man auf Wachstum setzt, aber Vorsicht!
01.11.2024
Dr. Markus C. Zschaber, Gründer, V.M.Z. Vermögensverwaltungsgesellschaft / Foto: © V.M.Z. Vermögensverwaltungsgesellschaft, Dr. Markus C. Zschaber mbH
Die Enttäuschung war riesig, als der US-Chipgigant Intel bekanntgab, dass man nun erst einmal auf den Bau des geplanten Werks in Magdeburg verzichten will, zumindest für zwei Jahre. Es fehle das Geld, so die offizielle Begründung. Eine Begründung, die auch an der Börse auf Aufmerksamkeit stieß. Kann das sein, dass Intel das Geld fehlt? Zwar ist die Bausumme von 30 Milliarden Euro kein Pappenstiel, zugegeben, doch Geld war für Intel bislang kein Problem. Bislang. Fakt ist: In den zurückliegenden Monaten musste Intel sehr wohl einige herbe Rückschläge hinnehmen. Erst im August meldeten die Amerikaner einen rückläufigen Umsatz und Gewinn. Zudem wurde bekanntgegeben, dass bis zu 15.000 Arbeitsplätze abgebaut werden sollen.
Die Zahlen und Ankündigungen verwundern auf den ersten Blick. Profitierte Intel doch bislang von der stark steigenden Nachfrage nach Halbleitern aller Art. Schließlich sind die kleinen Bauteile in nahezu jedem elektronischen Gerät in großen Mengen
verarbeitet. Und Trends wie Big Data, Internet der Dinge und Künstliche Intelligenz erfordern immer mehr und leistungsfähigere Chips. Wie kann es da zu düsteren Prognosen kommen? Die Antwort heißt: Konkurrenz. Andere Halbleiterhersteller wie Nvidia haben Intel den Rang abgelaufen. Schon länger ist in der Szene bekannt, dass Halbleiter von Intel nicht mehr das Nonplusultra sind. Kunden sind abgewandert, Intel hat zu spät reagiert. Nun ist das Kind in den Brunnen gefallen, um es einmal etwas symbolisch auszudrücken. Intel wird das Ruder auf die Schnelle kaum herumreißen können.
Chip-Gigant Intel als Übernahmekandidat
Aus dem einstigen Klassenprimus wurde ein „Nachsitzer“, der nun sogar in den Fokus von Übernahmespekulationen rückt. Konkurrent Qualcomm soll Interesse zeigen, heißt es am Markt. Qualcomm ist vor allem stark im Bereich mobiler Chips, also Bauteile für Tablets und Smartphones. Mit der Übernahme würde Qualcomm vor allem Zugriff auf die Fertigungsanlagen von Intel erhalten, die zwar nicht mehr ganz so modern sind, aber immer noch große Kapazitäten aufweisen. Damit könnte Qualcomm seine Stellung am Markt quasi über Nacht um zehn Prozent ausbauen, zumindest ist das der aktuelle Anteil von Intel am weltweiten Halbleitermarkt. Dabei sind die Probleme, die Intel derzeit hat, kein Einzelfall. Gleich mehrere Unternehmen aus der Chipbranche haben zu kämpfen. So auch AMS Osram. Die Österreicher galten bislang als Crème de la Crème, als
Technologieführer im Bereich der Sensor-Chips. Das sind winzig kleine Bauteile, die Signale aus der analogen in die digitale Welt übertragen. Wenn sich der SmartphoneBildschirm beim Telefonieren abdunkelt, sobald das Gerät ans Ohr gehalten wird, steckt dahinter häufig ein Sensor aus Österreich. Bislang zumindest. Nun ist ein Großkunde, nämlich Apple, abgesprungen und hat AMS Osram zu einem Umdenken beim MicroLEDProjekt gezwungen. Das Unternehmen hatte zuvor zahlreiche Ressourcen in die Errichtung einer Fabrik im malaysischen Kulim sowie in Forschung und Entwicklung der MicroLED-Strategie investiert. Mit MicroLEDs können extrem hochauflösende Displays hergestellt werden, die mehrere Meter im Durchmesser groß sein können.
Chipaktien – alles wird mobiler
Dass der Halbleitermarkt tiefgreifende Veränderungen durchläuft, aus ehemaligen Musterschüler Problemkinder werden und umgekehrt, das hat sich schon seit längerem abgezeichnet, auch am Aktienmarkt. Bei den Chipaktien gab es in den vergangenen Monaten und Jahren viel Bewegung. Mit einem unfassbaren Tempo ist Nvidia in den zurückliegenden Jahren an Intel vorbeigezogen. Ab 2020 wurde die Kluft zwischen Primus und Nachsitzer immer deutlicher. Während Intel an der Börse bestenfalls seitwärts läuft, wenn man mal beide Augen zudrückt, hat das Nvidia-Papier stark zugelegt.
Dahinter steckt mehr als nur ein „Bei-Nvidia läuft-es-halt-besser“. Nvidia ist vor allem bei Grafikprozessoren stark aufgestellt und hat hier eine ganze Reihe an sehr leistungsstarken Produkten zu bieten. Die kommen überall da zum Einsatz, wo es auf dem Display etwas zu sehen und zu bewegen gibt. Videospiele sind da nur eine Facette.
Grafikprozessoren kommen auch verstärkt bei der Künstlichen Intelligenz zum Einsatz, da sie besonders effizient bei der Durchführung von Berechnungen mit großen Datensätzen sind. Auch Intel hat in diesem Bereich etwas zu bieten, doch im direkten Vergleich schneiden die Nvidia-Produkte besser ab. Unter dem Strich hat der Stellungsverlust von Intel wohl viel damit zu tun, dass der Konzern zu lange den Trend hin zur Mobilität verpasst hat. Tablets, Smartphones und Smartwatches – die Kunden mögen alles bei sich tragen.
Chipaktien: Wo lohnt der Einstieg?
Wie auch immer es jetzt kurzfristig weitergeht, eine mögliche Übernahme von Intel inklusive. Tatsache ist: der Halbleitermarkt wächst rasant – und die richtigen Chipaktien bieten auf lange Sicht attraktive Renditechancen. Allein 2023 wurden Schätzungen nach über 610 Milliarden Dollar weltweit mit den kleinen Bauteilen umgesetzt. Im laufenden Jahr sollen es schon über 680 Milliarden Dollar sein. Die Billionen-Dollar-Umsatzgrenze, sie könnte in einigen wenigen Jahren fallen. Damit ist die Halbleiterbranche eine der wachstumsstärksten Wirtschaftssektoren schlechthin.
Zur starken Nachfrage trägt unter anderem die E-Mobilität bei. Schon heute werden im Schnitt über 900 Halbleiter in einem E-Auto verbaut, mehr als doppelt so viel wie in einem Verbrenner. Und es werden noch mehr. Autonomes Fahren und die Kommunikation zwischen den Autos machen weitere Halbleiter notwendig. Im Grunde genommen ist ein E-Auto nichts anderes als ein gigantischer Chip auf vier Reifen.
Marktkommentar von Dr. Markus C. Zschaber, Gründer der V.M.Z. Vermögensverwaltungsgesellschaft in Köln.