Dividendenstrategien als Gebot der Anlagestunde

30.01.2023

Hermann Ecker ist Prokurist und Vermögensverwalter, Research von der Bayerische Vermögen Managemet AG in Bad Reichenhall - Foto: © Bayerische Vermögen Managemet AG in Bad Reichenhall

Woher stammt der Begriff „Dividendenstrategie“? Als deren Begründer gilt der Wirtschaftswissenschaftler Benjamin Graham. Gemäß Graham investiert man im Rahmen der „Value Investing“ genannten Strategie in unterbewertete, aber operativ gesunde Unternehmen. Neben mehreren fundamentalen Faktoren, spielt dabei die Fähigkeit eines Unternehmens, über Jahre stetig Dividenden auszuschütten, eine bedeutende Rolle.

Diese Form der Dividendenstrategie betrachtet eine möglichst hohe Dividendenrendite als zentrales Investitionskriterium. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass nur finanzstarke Unternehmen eine hohe Ausschüttung leisten können sowie der Kurs zum Betrachtungszeitpunkt günstig sei. Diese Annahme setzt jedoch voraus, dass die jeweiligen Unternehmen einem bedeutenden Index wie zum Beispiel dem Dow Jones Industrial Average Index, der die dreißig größten US-Unternehmen umfasst, angehören. Michael B. O´Higgins machte 1991 in seinem Buch „Beating the Dow“ eine Strategie bekannt, die er „Dogs of the Dow“ nannte. Der Name der Strategie entstammt der amerikanischen Umgangssprache. An der Börse wird der Begriff „dog“ für Aktien mit einer schlechten Kursentwicklung in der Vergangenheit verwendet. Dementsprechend erfolgt die Investition aber nicht in die Aktien mit der schlechtesten Kursentwicklung, sondern am ersten Handelstag des Jahres gleichgewichtet in die zehn Unternehmen des Dow Jones mit der höchsten Dividendenrendite.

Nach einem Jahr kommen die Dividendenrenditen erneut auf den Prüfstand, nötigenfalls wird umgeschichtet sowie die Gleichgewichtung wiederhergestellt. Im Grunde geht es um antizyklisches Investieren völlig konträr zu den gerade angesagten Trends. Dies verbunden mit einem einfachen Value-Ansatz, der durch die hohe Dividendenrendite zur Geltung kommt. Rückblickend können wir feststellen, dass „Dogs of the Dow“ 2022 mit plus 2,2 % gegenüber dem Dow Jones mit minus 8,8 %  die bessere Anlage war, seit der Jahrtausendwende gilt dies für 13 von 22 Jahren. Einschränkend muss ich allerdings darauf hinweisen, dass der Vergleich ein wenig hinkt. Denn die DotD-Performance setzt sich aus Kursgewinnen/-verlusten inklusive Dividenden zusammen, wohingegen die Wertentwicklung des Dow Jones ausschließlich von Kursgewinnen/-verlusten bestimmt wird.

Investitionskriterium: Möglichst hohes Dividendenwachstum!

Anleger mit Fokus auf ein möglichst hohes Dividendenwachstum beziehen üblicherweise die Kontinuität von Dividendenzahlungen in ihre Überlegungen ein. Hierbei spielt die Höhe der Dividendenrendite eine untergeordnete Rolle. Um Vieles bedeutender für eine Investitionsentscheidung sind fundamentale Kriterien wie stabil hohe Ertragsmargen (mindestens 13 % EBIT-Marge), wachsende Umsätze und Cash-Flows, eine geringe Verschuldung. Dies setzt wiederum qualitativ herausragende Produkte voraus, die mittels stetiger Investitionen einen „Burggraben“ zur Abwehr lästiger Konkurrenten schaffen. Eine vernünftige Ausschüttungsquote, die genügend Spielraum für Investitionen lässt, aber den Anleger angemessen am Unternehmenserfolg beteiligt, liegt erfahrungsgemäß zwischen 30 % und 60 % des EpS. Außerdem muss das Unternehmen über eine nachgewiesene Krisenresilienz verfügen, darf auch in schwierigen Jahren operativ keinen Verlust verzeichnen. Kennzeichnend für derartige Qualitätsunternehmen ist neben einer robusten Bilanz die Fähigkeit des Managements, die Geschäftsentwicklung zumindest der nächsten vier Quartale zuverlässig einzuschätzen.

Anleger finden unter den Dividendenaristokraten sowie den Dividenden-Kings Aktien von Unternehmen, die seit 25 Jahren (Dividendenaristokraten) bzw. seit 50 Jahren (Dividenden-Kings) Jahr um Jahr steigende Ausschüttungen leisten. Als Beispiele sind die Aktien von General Mills, Johnson & Johnson, Procter & Gamble, Roche, Novartis, Unilever, Lindt & Sprüngli, Novo Nordisk und Coloplast zu nennen. Größere Vermögen, bei denen Anleger gleichzeitig eine hohe Expertise mitbringen, profitieren von Einzelaktien. Aber auch Fonds oder ETFs eignen sich bestens. Erwähnenswert sind der Flossbach von Storch Dividend R, Fidelity Global Dividends, SPDR S&P Global Dividend Aristocrats oder der iShares MSCI World Quality Dividend.

Fazit: Eine hohe Dividendenrendite muss nicht zwingend ein gutes Geschäft versprechen. Eine eingehende Analyse hinsichtlich der Qualität des Geschäftsmodelles, der Ertragskraft, der Ausschüttungsquote sowie der Dividendenkontinuität ist notwendig, um zum Kauf-zeitpunkt die zukünftige Dividendenfähigkeit abschätzen zu können. Nicht die Höhe der Dividendenrendite entscheidet also über den Erfolg der Dividendenstrategie, sondern die Fähigkeit des jeweiligen Unternehmens, die Dividende im Idealfall jedes Jahr zu steigern.

Kolumne von Hermann Ecker, Prokurist, Vermögensverwalter, Research von der Bayerische Vermögen Managemet AG in Bad Reichenhall