Deutsche und Europäer unterschätzen Risiken
23.08.2015
Wir alle leben in einer Risikogesellschaft, wo immer neue Risiken hinzukommen. Im Bewusstsein der Menschen sind aber nicht einmal längst bekannte Risiken angekommen. Dies zeigt eine aktuelle Studie.
2015-08-24 (fw/db) „Et hätt noch emmer joot jejange.“ („Es ist doch immer gut gegangen“) nach diesem rheinischen Motto scheinen die Deutschen, wie viele andere Europäer, beim Thema Erwerbsunfähigkeit zu verfahren.
Das ergab eine Studie des das Marktforschungsinstitut Epiphany zur „Vorsorgelücke bei Erwerbsunfähigkeit in Westeuropa“ die im Auftrag der Zurich Gruppe Deutschland im April und Mai 2015 durchgeführt wurde. Die Studie basiert auf national repräsentativen Stichproben von Menschen im Alter von 18 - 70 Jahren in Deutschland, Großbritannien, Irland, Italien, der Schweiz und Spanien. Pro Land füllten rund 1.000 Menschen eine Online-Umfrage mit 53 Fragen aus, insgesamt waren es 6.000 Teilnehmer.
Im Ergebnis halten es acht von zehn Deutschen für wahrscheinlich, dass bis zu 50 Prozent aller Bürger im Verlauf ihres Berufslebens erwerbsunfähig werden. Aber nur 30 Prozent der Befragten haben auch eine entsprechende finanzielle Absicherung getroffen. 15 Prozent geben an, dass man gegen eine etwaige Erwerbsunfähigkeit ohnehin nichts ausrichten kann; sie stehen dem Thema fatalistisch gegenüber. Immerhin scheinen die Deutschen über ein gutes Finanzpolster zu verfügen. Die Befragten gehen im Durchschnitt davon aus, dass sie Rücklagen in Form von Ersparnissen, Anlagen, Rentenansprüchen und Versicherungspolicen haben, mit denen sie ihre Lebenshaltungskosten für 6,8 Jahre abdecken könnten. Dies ist der höchste Wert in Europa; dort liegt der Durchschnitt bei 4,6 Jahren.
Weniger Einkommen, aber hoher Bedarf bei Risikoeintritt
Sieben von zehn Deutschen rechnen im Fall von Erwerbsunfähigkeit mit einem Einkommen von weniger als 75 Prozent des bisherigen Einkommens. Jeder Zweite ist jedoch der Ansicht, dass er mindestens das derzeitige Einkommen benötigt, um den bisherigen oder zumindest einen angemessenen Lebensstandard halten zu können.
Deutsche unterschätzen das Risiko der Erwerbsunfähigkeit
Zwei von drei Deutschen sind der Ansicht, dass sich das Risiko der Bevölkerung, erwerbsunfähig zu werden, auf weniger als 20 Prozent beläuft. Auf die Frage nach ihrem persönlichen Risiko schätzen 40 Prozent dieses auf weniger als 10 Prozent. Diese Angaben stehen im Widerspruch zu Statistiken, denen zufolge ein Viertel der deutschen Erwerbstätigen frühzeitig aus dem Berufsleben ausscheiden. Die Mehrheit der Deutschen (56 Prozent) sieht den Staat als Haupteinkommensquelle bei Erwerbsunfähigkeit an. Jeder Vierte ist der Ansicht, dass neben dem Staat den Versicherern in den ersten fünf Jahren nach dem Verlust der Erwerbsfähigkeit die bedeutendste Unterstützerrolle zukommt.
Krankheit als Ursache für Invalidität unterschätzt
Die Befragten erachten psychische Erkrankungen und Nervenkrankheiten als Hauptursache für Erwerbsunfähigkeit (30 Prozent), gefolgt von schweren Krankheiten wie Krebs (23 Prozent) und von Unfällen (21 Prozent). Nach Auswertungen von Morgen & Morgen liegen psychische Erkrankungen oder Nervenkrankheiten mit 29 Prozent tatsächlich an erster Stelle, gefolgt von Erkrankungen des Skelett- und Bewegungsapparates (21 Prozent) sowie Krebs und anderen bösartigen Tumoren (16 Prozent).
Unfälle verursachen weniger als 10 Prozent der Fälle von Erwerbsunfähigkeit. Sie werden somit als Ursache überschätzt.
Die deutschen Befragten haben in Bezug auf Invalidität am meisten Angst vor Armut sowie vor körperlichen oder psychischen Leiden. Sie glauben, dass die Altersgruppe der 45- bis 54-Jährigen, gefolgt von den 55- bis 64-Jährigen, am stärksten durch Erwerbsunfähigkeit gefährdet ist. Diese Annahme ist richtig. Nach Angaben der Munich Re sind Männer im Alter von 47 bis 51 Jahren am stärksten gefährdet – in dieser Altersgruppe wird jeder Vierte erwerbsunfähig. Für Frauen ist das Risiko zwischen dem 45. und 47. Lebensjahr am höchsten. Zudem ist ihr Risiko etwas höher als das der Männer.
Dietmar Braun