Der neue „Branchenkompass Banking“ 2021

07.12.2021

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Die Studie zur deutschen Banken-Branche bildet ab, wo Banken im Veränderungsprozess stehen, wie sie mit Herausforderungen umgehen und welche Strategien bis 2023 verfolgt werden. Im Auftrag von Sopra Steria und des F.A.Z.-Instituts führte moweb research dafür im Juli und August eine Online-Befragung von 100 Fach- und Führungskräften von Banken mit Bilanzsummen von über 500 Mio. Euro, sowie drei qualitative Experteninterviews durch.

Die Ergebnisse bringen interessante Erkenntnisse aus dem deutschen Bankensektor mit. Denn trotz Inflation und angespannter wirtschaftlicher Lage herrscht Zuversicht unter den Befragten: 40 % erwarten, dass sich die Branche bis 2023 besser entwickelt, als die deutsche Gesamtwirtschaft. Weitere 37 % gehen davon aus, dass sich die Banken auf dem selben Level wie die Gesamtwirtschaft entwickeln werden. Viele Institute rechnen also damit, dass die Konjunktur insgesamt wieder anzieht und dass sie davon profitieren können. Dabei bleiben Regulierungen und Kosten die unangenehmen Begleiter der Banken.

Die Pandemie brachte bereits in den vergangenen zwei Jahren ihres Andauerns vielen Sparten innerhalb der Branche positive Entwicklungen. Institute mit Fokus auf das Immobiliengeschäft kamen dabei sehr gut weg, denn Häuser und Wohnungen auf dem Land wurden 2020 attraktiver und auch häufiger finanziert. Ähnlich schnitt das Wertpapiergeschäft, besonders im Retailsegment, ab. Durch die Krise beschäftigten sich viele Menschen vermehrt mit dem Thema Aktienhandel, spezielle Neobroker und einige Direktbanken erleichterten zudem den Einstieg für Laien mit nutzerfreundlichen Apps und niedrigen Gebühren. „Kunden und Banken spüren den Niedrigzinseffekt immer stärker. Das löst ein Umdenken bei Beratern und Verbrauchern aus und fördert unter anderem Robo Advisor“, erklärt Martin Stolberg, Division Head Banking Sopra Steria, die Entwicklungen.

Neue Regulierung, neue Geschäftsmodelle

Ein Verbot sogenannter Payment-for-Order-Flow-Provisionen durch die EU wird immer wahrscheinlicher. Erst Ende November wurde ein konkreter Entwurf dazu veröffentlicht. Damit drohen im gerade anziehenden Geschäftsfeld Brokerage neue Ertragsausfälle. Betroffen sind im Einzelnen Online-Broker sowie Direktbanken, aber auch klassische Banken könnten Bestandsprovisionen aus dem Investmentbanking verlieren, je nach Reichweite der Regulierung. Das scheint zumindest einer der Gründe zu sein, warum die gesamte Bankenwelt am Ausbau ihrer Ertragsposition arbeitet. Mit knapp 60 % führt die Mehrheit bis 2023 neue Produkte ein, besonders Leistungen von Drittanbietern sollen vertrieben werden. Jedes zweite Institut passt außerdem Gebühren an, 41 % denken über Negativzinsen nach oder haben sie bereits eingeführt. Eine wiederkehrende Überlegung ist zudem, alternativ zur Provision für Abschlüsse oder Bestandspflege, die Einführung einer Honorarberatung. 43 % der teilnehmenden Institute hat sich bereits mit Honorarberatungsmodellen befasst oder entsprechende Maßnahmen umgesetzt.

Diese Maßnahmen sind für die Mehrheit der Institute aber nur kurzfristige Lösungen. Drei von vier Banken suchen generell nach neuen Geschäfts- oder alternativen Ertragsmodellen. 41 % gehen davon aus, dass Kunden zukünftig Institute mit digitalen Ökosystemen und darüber verfügbare individuelle Komplettlösungen bevorzugen werden. Banken können entsprechende Plattformen beliefern oder selbst Plattformbetreiber werden. Knapp ein Drittel der Befragten sehen sich dabei eher als Zulieferer, 24 % planen eigene Ökosysteme. Die Mehrheit (42 %) setzt auf eine hybride Herangehensweise und verfolgt beide Strategien. „Die Ergebnisse zeigen, dass viele Banken in der Findungsphase sind und sich nicht festlegen, welche Rolle sie im Markt künftig spielen wollen. Dieses Zögern sollte nicht zu lange dauern, denn ein Tanzen auf allen Hochzeiten kann sehr schnell sehr teuer werden“, kommentiert Martin Stolberg weiter.

Optimierte Prozesse und geringere Kosten durch Automatisierung

Die Ertragsspielräume schrumpfen zusehends, niedrige Kostenstrukturen gewinnen folglich weiter an Bedeutung. Eine Studie von finanz-szene.de zeigt hier beispielsweise, dass sich bei den Sparkassen jedes zehnte Institut in einem ungesunden Kosten-Ertrags-Verhältnis bewegt. Neue Wettbewerber erhöhen den Druck zusätzlich. Laut Stolberg gibt es besonders unter Fintechs Spezialisten für jeden Schritt eines Kreditprozesses, die bis auf den letzten Cent oder die letzte Millisekunde effizient seien. Mehr als jedes zweite Finanzinstitut treibt deshalb die eigene Digitalisierung und Automatisierung verstärkt voran. Die Studienergebnisse belegen hier, dass dieser strategische Schritt zum ersten Mal mehr Gewichtung erhält, als die Neukundenakquise oder der Ausbau der Service- und Beratungsqualität. Stattdessen wird Selfservice von der Branche als regelrechter Effizienz-Booster gesehen. Kunden verwalten Darlehen und Depots immer häufiger selbst. Ein Drittel der Befragten rechnet zudem mit weiteren Fusionen und Übernahmen mit dem Ziel, von Synergien zu profitieren.

Neben dem Kostenersparnis profitieren auch Kunden von Digitalisierung und Automatisierung der Banken. Bequemes Bezahlen per Smartphone und NFC-Schnittstelle, biometrische Verfahren zur Identifikation oder Videochats und Online-Beratung sind je nach Institut bereits ein fester Bestandteil der Produktpalette. Mit der Digitalexpertise die Banken dafür bereits aufgebaut haben, sollen weitere Angebote für Kunden aufgestellt werden. Ein vielversprechendes Geschäftsfeld ist hier auch die Vernetzung in der verarbeitenden Industrie und die entstehenden Daten. Das Stichwort lautet Banking of Things, das z.B. eine Finanzierung von Maschinen nach dem Pay-per-Use-Prinzip ermöglicht. Ein Drittel der Befragten ist bereits im IoT-Geschäfts unterwegs. „Banken könnten zum Manager und Experten für Millionen von Konten und Transaktionen werden. Die ‚Kunden‘ der Zukunft sind dann Geräte“, meint Martin Stolberg abschließend. (lb)

Die vollständige Studie finden Sie hier.