Bist Du Zukunft oder Vergangenheit?
31.08.2015
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Die Studien der Marktforscher sind sich einig: Verbraucher werden zunehmend anspruchsvoller und erwarten in Zukunft verstärkt Produkte und Dienstleistungen, die an die individuellen Lebensumstände angepasst sind.
Dies gilt in starkem Maße auch für die Finanz- und Versicherungsbranche. Die Schlagzeile eines kürzlich veröffentlichten Fachbeitrags bringt es treffend auf den Punkt: „Kundenansprache von der Stange hat keine Zukunft.“
Stellt sich allerdings die Frage: Was hat denn eine Zukunft? Welche Weichen müssen Finanzvertriebe sowie die einzelnen Berater und Vermittler stellen, um fit für die Zukunft zu sein? Ich bin überzeugt, der einzelne Marktteilnehmer muss zukünftig eine Zielgruppe aufweisen und sein Unternehmensprofil an diese kommunizieren. Nur so wird man unterscheidbar und nur so vermittelt man die nötige Kompetenz, aufgrund jener sich Verbraucher an einen wenden.
In anderen Branchen ist dies längst Realität. Wenn wir Zahnschmerzen haben, so gehen wir selbstverständlich zum Zahnarzt und nicht zum Facharzt für Innere Medizin. Wenn wir in einen Verkehrsunfall verwickelt worden sind, so wollen wir einen Fachanwalt für Verkehrsrecht und nicht für Miet- und Wohnungseigentumsrecht. Sogar den Friseur suchen viele Verbraucher nach Ambiente und Erscheinungsbild des Frisiersalons aus (also dem Unternehmensprofil), in der Hoffnung, den individuell passenden Haarschnitt zu erhalten.
Diese Diversifizierung hat in der Finanz- und Versicherungsbranche bislang kaum stattgefunden.
Hier ist es so, als würde ein Patient mit Zahnschmerzen zu irgendeinem Arzt gehen, der ein abgeschlossenes Medizinstudium vorweisen kann. Oder als ob man aufgrund des Autounfalls einen Juristen aufsuchen würde, im blinden Vertrauen, dass er sich mit Verkehrsrecht auskennt. Es ist als ob die eigene Oma den Punk-Friseur im tiefsten Berlin- Kreuzberg aufsucht, denn Friseur ist ja schließlich Friseur.
Ich prognostiziere jedoch, das wird nicht mehr allzu lange der Fall sein. Verbraucher werden aufgrund der heutigen Informationskanäle (allen voran das Internet) zunehmend aufgeklärter und infolge dessen kritischer. Und am wichtigsten, eine „Beratung von der Stange“ erhalten sie im Internet kostenfrei, der Berater wird zu diesem Zweck zunehmend überflüssig. Wer das nicht glauben mag, der sollte einen Blick auf die Tourismus-Branche werfen. Gehen Sie für einen „Flug von der Stange“ oder einer „Zugfahrt von der Stange“ noch in ein Reisebüro, so wie früher? Nein? Wozu auch! Das geht im Internet schneller, bequemer und billiger. Brauchen Sie eine Reiseverkehrsfachkraft, die Ihnen die Hotelbeschreibung aus dem Katalog vorliest? Nein, die steht nämlich genauso im Internet, wo Sie dieselbe Reise online buchen können – nur ohne die Provision für das Reisebüro. Sprich: billiger.
Und in unserer Branche? „Veränderungs-Muffel“ mögen nun entgegnen: „Aber Finanz- und Versicherungsprodukte sind ja viel komplexer!“ Stimmt. Es liegt mir auch fern, beide Branchen eins zu eins miteinander gleichzusetzen. Doch „schon“ heute ist das Internet auch in unserer Branche eine gängige Vertriebsplattform. Ich stelle die Behauptung auf, von den jungen und technisch versierten Verbrauchern finden z. B. für eine einfache Haftpflichtversicherung, nur sehr wenige den Weg zum Vermittler. Diese Menschen machen sich in den einschlägigen Foren und den Webseiten der Ratgeber schlau und schließen dann einfach online ab. Wenn das Gefühl vorherrscht, dass man sich die gleichen Informationen kostenfrei und wertneutral – d. h. ohne kommerzielle Hintergedanken – auch anderweitig beschaffen kann, dann wird der Weg zum Berater, bzw. Vermittler nutzlos.
Selbstverständlich werden kompetente Finanzdienstleister nicht durch das Internet ersetzt.
Im Gegenteil. Neueste Umfragedaten zeigen, dass sich die Verbraucher auch in Zukunft eine kompetente Beratung wünschen. Doch sie werden sehr viel differenziertere und anspruchsvollere Wünsche haben, als das derzeit der Fall ist. Anstatt einer „Beratung von der Stange“ müssen Marktteilnehmer deshalb eine „Beratung nach Maß“ anbieten. Beispiel Altersvorsorge: Selbstständige Freiberufler (z. B. in den neuen Medien) haben einen anderen Bedarf, als Polizeibeamte. Frauen wollen oftmals anders beraten werden als Männer. Millionäre haben einen anderen Bedarf in puncto Versicherungsschutz und Kapitalanlage als einfache Angestellte. Noch ist die Diversifizierung unter den Vermittlern relativ gering. Doch aus den oben genannten Gründen wird sich das in den nächsten Jahren sehr wahrscheinlich ändern.
Dieser Prozess ist für die einzelnen Marktteilnehmer der Finanz- und Versicherungsbranche Herausforderung und Chance zugleich. Wer im Tagesgeschäft „ertrinkt“ und sich über die Zukunft des eigenen Unternehmens keine Gedanken macht, also kein unternehmerisches Denken an den Tag legt, der wird irgendwann von der Zukunft eingeholt. Letztendlich kann man der Konkurrenz dann nur noch dabei zusehen, wie sie gerade den Kuchen unter sich aufteilt und darauf hoffen, dass gerade noch genug Krümel für einen selbst übrig bleiben.
Wer die Anforderungen der Zukunft jedoch erkennt und frühzeitig die Weichen im eigenen Unternehmen strategisch klug stellt, der hat gute Aussichten auf ein großes Stück vom Kuchen. In diesem Fall heißt das, ein klares Unternehmensprofil zu haben und an die eigene Zielgruppe zu kommunizieren. Das von vielen gewählte Motto: „Ich biete eine faire Beratung für jedermann“ wird hierzu nicht mehr ausreichen. Oder kennen Sie etwa einen Konkurrenten, der seinen Kunden eine unfaire Beratung anbietet?
Die folgenden 5 Punkte liefern Ihnen einen „groben Fahrplan“, wie Sie Ihr Unternehmen strategisch sinnvoll positionieren können:
1. Unternehmensprofil
Wofür steht Ihr Unternehmen? Erarbeiten Sie sich ein klares Unternehmensprofil und legen Sie fest, nach welchen Leitsätzen Sie handeln werden.
2. Alleinstellungsmerkmal
Was erhalten Ihre Kunden nur bei Ihnen? Weshalb sollen Menschen ausgerechnet zu Ihnen kommen? Wo sind Sie besser als Ihre unmittelbare Konkurrenz? Haben Sie die Antworten, so ergibt sich hieraus die:
3. Zielgruppendefinition
Vorsorgeberatung für junge Selbstständige oder Anlageberatung für vermögende Menschen? Welche Menschen benötigen das was Sie anbieten? Erarbeiten Sie sich ein klares Profil Ihrer Wunschkunden.
4. Optional: Ist-Situation ermitteln
Falls Ihnen die oben genannten Entscheidungen schwer fallen, so machen Sie den Praxis-Check. Was schätzen Ihre Kunden an Ihnen? Fragen Sie Ihre Kunden! Aus den Antworten lässt sich immer eine Besonderheit herausfiltern.
5. Marketing
Unternehmensprofil schön und gut, aber kommunizieren Sie es auch nach außen? Welche Kommunikations- und Vertriebskanäle nutzen Sie? Denken Sie zielgerichtet – wo finden Sie Ihre Zielgruppe? Welche Medien nutzt diese privat sowie beruflich? Welches Freizeitverhalten legt Sie an den Tag? Können Sie anhand von Kooperationspartnern neue Interessenten erreichen?
Wie eingangs erwähnt, die Verbraucher werden zunehmend anspruchsvoller.
Doch Sie müssen es nicht allen Verbrauchern recht machen. Sie KÖNNEN es gar nicht allen Verbrauchern recht machen! Der Kreuzberger Punk-Friseur bietet keine Dauerwellen für Omis an. Genauso wenig sind Lehrer und Millionäre bei ein und demselben Versicherungsmakler gut aufgehoben. Bieten Sie deshalb passgenaue Produkte und Dienstleistungen „nach Maß“ für Ihre Klientel, indem Sie sich klar positionieren und hierdurch Ihre besondere Kompetenz zum Ausdruck bringen. Die jungen, nachrückenden Verbraucher werden eben das von Ihnen verlangen.
Jörg Laubrinus, Vertriebscoach und Geschäftsführer Mission Freiheit GmbH