Besser als gedacht
15.12.2023
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Bereits das vergangene Jahr war für Anleger und Berater alles andere als einfach. Wer gedacht hatte, 2023 verliefe beruhigender oder weniger nervenaufreibend, wurde eines Besseren belehrt. Die Zinsen kletterten weiter in die Höhe, um der Inflation Herr zu werden. Zumindest diesem Ziel der Inflationseindämmung ist man deutlich nähergekommen. Die Aktienmärkte präsentierten sich bis spät in den Herbst in verhältnismäßig guter Laune. Auch das war rückblickend eher überraschend. Insofern zeigte sich 2023 durchaus versöhnlich.
Der Blick zurück verrät, dass nicht alles so schlimm gekommen ist, wie manche Skeptiker zur Jahreswende befürchteten. Eine harte Rezession, die lange als ausgemachte Sache galt, haben wir weder in den USA noch in Europa gesehen. Zumindest kann bis dato keine Rede davon sein. Auch das Inflationsgespenst hat etwas von seinem Schrecken eingebüßt. In der Eurozone ist die Teuerungsrate zuletzt auf unter 3 % gefallen; in den Vereinigten Staaten ging es auch bergab, wobei die Inflation zuletzt wieder leicht anstieg. Der erwähnte Zinsanhebungszyklus sorgte dafür, dass Anleihen (Bonds) wieder attraktiver wurden. Die zweijährigen US-Treasuries warfen Renditen jenseits der 5 %-Marke ab. Lange Zeit sahen Investoren eine eklatant inverse Zinsstrukturkurve, wobei sich die Zinsen der Kurz- bzw. Langläufer zuletzt wieder etwas annäherten. Die Kehrseite der Medaille: Die Kurse der Renten gaben nach. Durchwachsen, leicht positiv – so ließe sich das Anlagejahr 2023 beschreiben.
„Rauf und runter“ trifft es wohl mit Blick auf die Bewegungen an den Aktienmärkten ganz gut. In den ersten sieben Monaten konnte sich die Performance beispielsweise des DAX wirklich sehen lassen. Startete der deutsche Leitindex DAX im Januar bei 14.000 Zählern, ging es peu à peu in der Spitze auf circa 16.450 Punkte hoch. Die folgenden drei Monate (August bis Oktober) wiesen jeweils ein Minus zwischen 3 und 4 % auf. Anfang November wurde dann wieder die charttechnisch wichtige Hürde von 15.000 Zählern nach oben überwunden. Ausgang ungewiss; Jahresendrallye steht noch in den Sternen. Welche Investmentlösungen und -produkte waren in diesem Kontext besonders angesagt? Mit welchen Empfehlungen lagen Sie richtig?
Der Fondsbranche flossen im 1. Halbjahr laut Branchenverband BVI netto 38 Mrd. Euro zu. Die Absatzliste der offenen Publikumsfonds führten Aktienfonds an. Ihnen flossen im 1. Halbjahr 9,4 Mrd. Euro zu. Davon entfielen 5,3 Mrd. Euro auf aktiv gemanagte Fonds und 4,1 Mrd. Euro auf ETFs. Geldmarktfonds waren mit 3,0 Mrd. Euro die zweitstärkste Gruppe; sie profitierten von der Zinswende. Rentenfonds verzeichneten in diesem Zeitraum Zuflüsse von knapp 3 Mrd. Euro, so der BVI. Mischfonds verzeichneten im 1. Halbjahr Abflüsse von mehr als 4 Mrd. Euro. Nach vielen Jahren mit satten Zuflüssen setzte sich der negative Trend aus dem 2. Halbjahr 2022 fort, als netto mehr als 3,8 Mrd. Euro abgeflossen waren.
Wirft man nun einen Blick auf einzelne Regionen und/oder Sektoren, so fällt Folgendes auf: Gewinner aus der Vergangenheit können auch auf der Siegesstraße 2023 sein. Stichwort Tech-Aktien: Die USA halten sich insgesamt volkswirtschaftlich gut und stechen wiederum Europa im direkten Vergleich aus. China hat auch nach dem Ende von Zero-COVID nicht so Fahrt aufgenommen, wie manche Marktkenner prognostizierten. Immer wieder kommen Sorgen aus der Immobilienbranche hoch. Indien hingegen, direkter Wettbewerber zu China, ist 2023 aus Aktiensicht gut gelaufen. Das Land hat erhebliche Fortschritte beim Dauerthema Inflation gemacht – das wissen Investoren zu schätzen. Hervorzuheben ist die Entwicklung am japanischen Aktienmarkt Nikkei 225. Lange Jahre in Vergessenheit geraten, ist das Kaiserreich wieder in den Fokus der Investoren gerückt. Insbesondere die verbesserte Unternehmensführung japanischer Konzerne wird hierbei als Argument angeführt. Emerging Markets/Schwellenländer insgesamt standen in diesem herausfordernden Marktumfeld eher auf der Verliererseite. Stichwort: starker US-Dollar.
Doch es gab positive Überraschungen. Indizes mit Schwerpunkt auf europäische Aktien kamen im globalen Kontext nur mittelmäßig durch das Jahr. Griechenland und Italien schlugen sich angesichts der Schwierigkeiten gut. Deutschland platzierte sich im oberen Mittelfeld. Apropos: Das Dickschiff DAX verwies MDAX/SDAX auf die Plätze. Generell gilt sowieso, dass Nebenwerte im laufenden Jahr den Large Caps nicht das Wasser reichen konnten. Mitunter bieten sie aber jetzt wiederum bessere Gelegenheiten zum Nachkauf. Mit Blick auf die Sektoren zeigt sich, dass allgemein Dividendenwerte eher auf der Käuferliste standen. Immobilien-Aktien und Konsumwerte wurden verkauft.
Überlagert wurden diese regionalen und sektoralen Schwerpunkte von strukturellen Megatrends wie Demografie oder Künstliche Intelligenz (KI). Demgegenüber ist nachhaltiges Investieren nicht mehr auf der Überholspur. Der Inflationsschutz hat ESG überlagert und, zumindest 2023, verdrängt. Gold hat in den vergangenen Wochen ein fulminantes Comeback gefeiert und notiert Anfang November wieder bei 2.000 Dollar. Zwar ist die psychologisch wichtige Marke noch nicht nachhaltig überwunden, doch laut Experten ist dies womöglich nur noch eine Frage der Zeit. Allein Anfang Oktober ist der Goldpreis um rund 180 Dollar gestiegen. (ah)