Berufsunfähigkeit einer Softwaredesignerin wegen Depression

15.07.2024

Bernhard Gramlich, Fachanwalt für Versicherungsrecht & Fachanwalt für Verkehrsrecht der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte. Foto: © Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte

Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte erreichen die Zahlung eines fünfstelligen Vergleichsbetrags durch die Gothaer Lebensversicherung AG zugunsten einer Softwaredesignerin im Streit um deren Berufsunfähigkeit wegen Depression und einen vom Versicherer erklärten Vertragsrücktritt.

Tätigkeit als Softwaredesignerin

Die Versicherungsnehmerin absolvierte nach dem Abitur ein Studium der Interaktionsgestaltung, welches sie mit dem Bachelor of Arts erfolgreich absolvierte. In zuletzt gesunden Tagen war sie als Softwaredesignerin im Bereich Central Corporate IT beschäftigt. Ihre Tätigkeit bestand hierbei hauptsächlich in der Realisierung von Kundenaufträgen.

Bei Aufnahme eines neuen Projekts begann sie regelmäßig erstmal mit einer inhaltlichen Einarbeitung und Analyse der Anforderungen des Kunden, indem sie diese nach Rücksprache mit dem Auftraggeber in einer Liste priorisierte. Anschließend erstellte sie ein grobes Konzept für die digitale Anwendung und besprach den Zeitplan und das Budget mit dem Kunden.

Anschließend widmete sie sich der Umsetzung des Konzepts und der Softwareentwicklung. Während dieses Prozesses ließ sie ihr bisheriges Produkt regelmäßig vom Testing-Bereich überprüfen und auswerten und übermittelte den bisherigen Arbeitsfortschritt an den Kunden und ihre Vorgesetzten. Vor dem finalen Launch schrieb die Softwareentwicklerin eine Design- und Konzeptspezifikation und übergab diese an das Technikteam. Nach einem abschließenden Test präsentierte sie ihr Ergebnis dem Kunden und konnte damit für die ihrerseits erbrachte Leistung werben, um künftig neue Projekte zu akquirieren.

Berufsunfähigkeit wegen Depression

Die Eltern der Softwaredesignerin waren wegen besserer Chancen für die Kinder nach Deutschland gezogen. Die Softwaredesignerin war die Älteste von drei Geschwistern und bekam daher die Rolle der familiären Erwartungserfüllerin zugeschrieben. Diese Umstände waren für sie nicht einfach, weswegen sie bereits in jungen Jahren von zu Hause auszog.

Aufgrund der schwierigen Biografie entwickelten sich bei der Softwaredesignerin psychische Beschwerden mit unterschiedlichen Symptomen. Sie litt unter einer niedergeschlagenen Stimmung und Freudlosigkeit, einem Morgentief mit depressivem Zwangsgrübeln, massivem Antriebs- und Motivationsverlust, Entscheidungsunfähigkeit und sozialem Rückzug, wobei sie eigentlich extrovertiert und kotaktfreudig war.

Schlussendlich nahm die Softwaredesignerin keine Termine mehr war und hatte Schwierigkeiten bei der Bewältigung des Alltags. Darüber hinaus klagte sie über Durchschlafstörungen mit Früherwachen gegen drei bis vier Uhr morgens und einem schwankenden Appetitgefühl zwischen Heißhunger und völliger Appetitlosigkeit. Ihr Leben empfand sie zunehmend als sinnlos und leer.

Daher kam sie zu dem Entschluss, einen Leistungsantrag aufgrund Berufsunfähigkeit wegen Depression bei ihrem Berufsunfähigkeitsversicherer, der Gothaer Lebensversicherung AG zu stellen (siehe hierzu auch: Berufsunfähigkeit beantragen).

Leistungsentscheidung der Gothaer Lebensversicherung AG

Als die Gothaer Lebensversicherung AG das Leistungsprüfungsverfahren beendet hatte, erklärte sie gegenüber der Softwaredesignerin den Rücktritt vom Versicherungsvertrag aufgrund einer vermeintlichen vorsätzlichen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht. Um sich gegen diese aus Sicht der Softwaredesignerin haltlosen Vorwürfe zu wehren, suchte sie rechtlichen Beistand bei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte.

Verfahren gegen die Lebensversicherung

Die Rechtsanwälte forderten bei der Gothaer Lebensversicherung AG zu Beginn ihrer Tätigkeit einen Auszug der Akten an und sichteten im Folgenden das bereitgestellte Material. Anschließend machten Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte erneut die versicherte Berufsunfähigkeitsrente bei der Gothaer Lebensversicherung AG geltend. Der Versicherer reagierte jedoch abermals mit einer Ablehnung. Im Zuge der weiteren Korrespondenz konnte er jedoch noch zu einer Vergleichszahlung bewegt werden. Danach verpflichtet sich die Gothaer Lebensversicherung AG, einen hohen fünfstelligen Vergleichsbetrag an die Softwaredesignerin zu zahlen.

Gastbeitrag von Bernhard Gramlich, Fachanwalt für Versicherungsrecht der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte.