Aus drei mach eins

29.07.2013

Foto: © Igor Yaruta - Fotolia.com

So ähnlich könnte das Motto der demografischen Entwicklung hierzulande lauten. Finanzieren heute noch drei Erwerbstätige einen Ruheständler, so wird diese Last in nicht mal zwei Jahrzehnte ein Aktiver allein stemmen müssen. Das geht an der gesetzlichen Rente nicht spurlos vorüber.

Laut Bernd Raffelhüschen, Direktor des Forschungszentrums Generationenverträge an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg, haben zwar in erster Linie die Einführung eines Nachhaltigkeitsfaktors und die Verlängerung der Lebensarbeitszeit auf 67 Jahre das deutsche Rentensystem krisensicher gemacht, doch die Folge von Rentenreform und Demografie dürfte den Bundesbürgern alles andere als schmecken. Auf dem hochkarätig besetzten bAV-Expertenforum 2013 des HDI Mitte Juni in Köln sagte der Wissenschaftler unmissverständlich, wie die Zukunft aussehen wird: „Der Preis ist die Einführung einer Basisrente, das Bruttorentenniveau sinkt von 48 auf knapp 40 % des durchschnittlichen Bruttolohns."

Was also tun? Sicher scheint, dass die gesetzliche Regelrente mit 67 längst nicht das letzte Wort war. Immer unbekümmerter schwadronieren Politiker und Vorsorgeexperten über eine Ausweitung hin bis zum 69. oder 70. Lebensjahr – oder gar eine völlige Freigabe des Renteneintrittsalters. Obwohl Umfragen immer wieder belegen, dass die meisten Deutschen lieber früher als später die Früchte ihrer Arbeit genießen wollen. Da Riester-Verträge aber erstens nur Lücken aus vorangegangenen Rentenkürzungen stopfen können und auch nur dazu erdacht wurden, dienen sie nicht als Bollwerk gegen den immer bedrohlicher angekündigten Engpass im Alter. Obendrein läuft das Geschäft mit diesen Policen längst nicht mehr rund. Und die Basisrente ist eher etwas für Selbstständige und Freiberufler, obendrein wird sie zunehmend unter der Fahne der kurzfristigen Steuerersparnis verkauft.

Retten soll es vielmehr die betriebliche Altersversorgung (bAV). Schließlich, so argumentieren Beobachter, ist sie in anderen europäischen Staaten – beispielsweise in der Schweiz – eine Pflichtveranstaltung für jedes Unternehmen und jeden Beschäftigten. Oder zumindest ein wesentlicher Pfosten der Altersabsicherung. Mitunter kommt auch hierzulande die Frage auf, ob eine betriebliche Altersversorgung nicht für Arbeitgeber und Arbeitnehmer verpflichtend sein sollte. Zumindest offiziell trifft diese Diskussion mehrheitlich auf ein „Nein". Doch es gibt auch andere Stimmen, etwa von Silke Mallwitz, Leiterin des bAV-Bereichs bei der LV 1871: „Grundsätzlich halte ich ein Obligatorium für erforderlich. Das sollte Ehrensache sein – für die Politik genauso wie für die Geschäftsführer." Allerdings empfehle man keine bAV um der bAV willen, sondern intelligente Lösungen mit echtem Mehrwert für die Mitarbeiter. Ein erster Ansatz könne das Opting-Out-Modell sein, bei dem Mitarbeiter automatisch dabei sind, wenn sie nicht widersprechen. Frank Neuroth hingegen, Vorstand der ERGO Lebensversicherung, setzt auf mehr Information: „Anstelle einer Versicherungspflicht könnte bereits eine Hinweispflicht auf den Anspruch der Arbeitnehmer auf Entgeltumwandlung den Verbreitungsgrad erhöhen." Gleichwohl hält er auch Opting-Out-Modelle für bedenkenswert, ließen sich doch damit auch die Abschlusskosten senken, weil nicht bei jedem Arbeitnehmer Überzeugungsarbeit geleistet werden müsse. ERGO unterstütze dies durch Tarife, deren Kosten von der Beratungsintensität abhingen.

Derweil geht es in Deutschland weiter wesentlich beschaulicher als in anderen europäischen Ländern zu. Zwar gibt es immer mal wieder Erfreuliches zu vermelden, so jüngst vom Beratungsunternehmen Mercer. Nach einer dortigen zweijährigen Untersuchung von rund 50 Pensionsplänen beteiligen sich mittlerweile 9 von 10 Arbeitgebern an der Finanzierung von bAV-Zusagen. Neue Pensionspläne werden zu mehr als der Hälfte gemeinsam finanziert. Dies geschehe in drei unterschiedlichen Varianten, so Mercer. In 16 % aller Fälle gibt es einen Basisbeitrag und keine weiteren Aufstockungsbeiträge zum freiwilligen Mitarbeiterbeitrag. Bei etwa der Hälfte der Pläne zahlt der Chef einen Basisbeitrag und einen Zuschuss zum Gehaltsverzichtsbeitrag des Beschäftigten. In etwa einem Drittel aller Fälle stockt die Firma den Gehaltsverzicht lediglich auf. Ausreichend ausgeschöpft würden die vorhandenen Möglichkeiten damit jedoch nicht, meint Mercer-Experte Udo Müller: „Mit Blick auf die Zukunft müssen wir zu einer betrieblichen Altersversorgung gelangen, die die gesetzliche Rente für große Teile der Arbeitnehmerschaft substanziell ergänzt, um so eine angemessene Versorgung im Alter sicherzustellen." Dies könne nur über eine stärkere Motivation der Mitarbeiter, sich selbst an der Finanzierung der bAV zu beteiligen, gelingen.

Doch motivieren müssen Makler zweifelsohne auch die Arbeitgeber selbst. Dafür müssen sie sich in deren Lage versetzen, eben selbst unternehmerisch denken. Erfolgversprechend wäre das allemal. In Großunternehmen ist die bAV zwar längst etabliert und ein fester Bestandteil der internen Kultur. Doch im Mittelstand besteht noch eine Menge Aufholbedarf. Nur jedes dritte Unternehmen in einer Größenordnung zwischen 250 und 500 Mitarbeitern bietet laut einer Studie der Generali Versicherungen und des F.A.Z.-Instituts eine arbeitgeberfinanzierte betriebliche Altersversorgung an. Wenn man davon ausgeht, dass es in Deutschland rund 3,5 Millionen klein- und mittelständische Unternehmen gibt, lässt sich leicht das riesige Marktpotenzial erkennen, das es für Makler zu beackern gilt.

Nun können Sie den Personalverantwortlichen mit dem aktuellen Zauberwort „War for talents" kommen. Vorausschauenden Personalern ist nämlich durchaus bewusst, dass sie alle Wege einschlagen müssen, um qualifizierte Arbeitskräfte für sich zu gewinnen oder an sich zu binden. Jedoch hakt es an ganz andere Stelle, meint Michael Reinelt, Bereichsleiter Produkt- und Beratungsmanagement bAV bei der Generali: „Anbieter und Vertriebe sind gefordert, noch bessere Aufklärungsarbeit bei den Personalverantwortlichen im Mittelstand zu leisten." Dazu müssen die bAV-Berater sich aber auch darüber im Klaren sein, dass Firmenchefs nicht nur das Wohl ihrer Beschäftigten, sondern auch ihre Bilanz im Blick haben. Nicht zuletzt die Einführung des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG) und die dauerhafte Niedrigzinssituation erfordern überdies vielfach eine weitgehende Umstrukturierung bestehender Versorgungswerke. Da liegt viel Beratungsbedarf."

Unternehmer stellen allerdings Fragen, denen selbst versierte Makler oft hilflos gegenüberstehen, so die Ansicht von Christian Freiherr von Buddenbrock, Equity Partner in der Wirtschaftskanzlei Beiten Burkhardt, der im Rahmen des diesjährigen HDI „bAV Expertenforum" zum Thema „Erfahrungsbericht zur Auslagerung: Anforderungen der Unternehmer und Steuerberater" referierte. Ein Gespräch sollte stets zusammen mit einem fachlich versierten Steuerberater stattfinden. „Natürlich werden solche Termine von Steuerexperten aus unserem Haus begleitet", erklärt nicht nur Alte Leipziger-Vorstandschef Walter Botermann. Die führenden bAV-Versicherer verfahren alle nach diesem Schema.

Laut Rechtsanwalt von Buddenbrock verfolgen Unternehmen vornehmlich sechs Ziele, wenn sie sich zu einer Neuordnung ihrer Versorgungswerke bereit erklären: Zunächst einmal sei es für sie wichtig, das Eigenkapital zu stärken und den rechnerischen Unternehmenswert anzuheben. Klar sei auch, dass sie keine „Scheingewinne" versteuern wollen. Ein weiterer Punkt sei die Liquidität. Als die Finanzkrise auf ihrem Höhepunkt kochte, hatte sich gezeigt, wie wichtig angesichts der Kreditzurückhaltung der Banken ein ausreichendes Maß an „flüssigem Geld" war. Und natürlich haben vor allem diejenigen mittelständischen Unternehmen aus dieser Situation gelernt, die finanzielle Engpässe nur unter größtem Kraftaufwand meistern konnten. Hinzu kommen die verschärften Eigenkapitalregeln für die Banken nach Basel II. Die Lehre daraus muss nach Meinung des Juristen lauten: Beispielsweise nicht betriebsnotwendige Vermögenswerte und künftig geplante Erneuerbare Energien-Projekte zur liquiditätsschonenden Absicherung von Pensionsansprüchen verwenden. Darüber hinaus geht es den Unternehmern nicht nur darum, ihre Bilanzposition „Rückstellung für Pensionen und ähnliche Verpflichtungen" zu reduzieren und langfristig eine vollständige Kapitaldeckung der betrieblichen Altersversorgung zu erreichen. Vielmehr steht laut von Buddenbrock auch eine langfristige Kostenersparnis auf dem Wunschzettel. Diese könne beispielsweise über eine Anhäufung von Kapital und niedrigere Beiträge zum Pensions-Sicherungs-Verein (PSV), dem gesetzlich bestimmten Träger der Insolvenzsicherung der bAV in Deutschland, erreicht werden. In den vergangenen fünf Jahren hatte der durchschnittliche Beitragssatz noch 4,6 Promille betragen. Ein vergleichsweise hoher Wert, maßgeblich bedingt durch die Pleite des Warenhauskonzerns Arcandor. 2012 immerhin lag der Satz wegen eines besseren Schadenverlaufs bei glatten 3 %, wobei sich das laufende Jahr ebenfalls günstig zu entwickeln scheint. Punkt sechs auf der vom Düsseldorfer bAV-Experten von Buddenbrock erstellten Prioritätenliste ist der Unternehmerwunsch, nicht an bestehenden Pensionszusagen herumzuschrauben. Und zudem ein leicht nachvollziehbares Detail: Die Firmen wollen in ihren Personalabteilungen auch langfristig administrativ entlastet werden.

Auf dem sechsten „bAV-Expertenforum" der HDI demonstrierte der Anwalt, wie eine Umgestaltung einer bestehenden bAV-Lösung aussehen könnte.

Im ersten Schritt seien zur Schließung des Versorgungswerks eine beschränkte Kündigung der Vertriebsvereinbarung für neu eintretende Arbeitnehmer sowie gegebenenfalls für Arbeitnehmer mit verfallbaren Anwartschaften oder aber eine Änderungsvereinbarung erforderlich. Möglicherweise müssten auch künftig zu erdienende Anwartschaften gekündigt werden.

Schritt Nummer zwei wäre mittels einer einmaligen Zahlung eine einseitige Abfindung von Bagatellanwartschaften. Sodann müssten erdiente Anwartschaften finanziert werden. Es bietet sich hier die Übertragung in einen Pensionsfonds an, kalkuliert mit einem Rechnungszins von bis zu 5 %. Der Aufwand könnte hinsichtlich des die aufzulösende Rückstellung übersteigenden Betrages auf zehn Jahre verteilt werden. Laut von Buddenbrock gehe das auch ohne die Zustimmung von Arbeitnehmern oder Betriebsräten.

Im dritten Schritt bietet sich ein CTA-Modell an. Bei diesem Contractual Trust Arrangement handelt es sich um ein bAV-Konzept, bei dem das Unternehmen Pensionszahlungen und Pensionsforderungen aus der eigenen Bilanz ausgliedert, in dem es diese auf eine Treuhandgesellschaft überträgt.

Im vierten Schritt müssten noch zu erdienende Anwartschaften ausfinanziert werden. Dazu werden die Anwartschaften unter der aufschiebenden Bedingung des Leistungseintritts auf den Pensionsfonds übertragen. Das Geld hierfür kann wiederum in einem CTA angespart werden. Finanziert werden die Renten – im fünften Schritt – durch Pensionsfonds und CTAs. Im Übrigen können Letztere cash und mit innovativen Finanzierungsformen wie Fondsfactoring, Immobilen und Genussrechten dotiert werden.

(Dr. Hermann Schmidt-Dieburg)

bAV - Printausgabe 04/2013