Abschlusskosten müssen sinken

27.08.2014

Dr. Karsten Eichmann, Vorstandsvorsitzender, Gothaer

**Anfang Juli hat *Dr. Karsten Eichmann* als neuer Vorstandsvorsitzender das Ruder im Gothaer Konzern übernommen. An Baustellen mangelt es, wegen des sich verändernden Kundenverhaltens, des Niedrigzinses, des LVRG und der Diskussion um die Abschlussprovisionen, nicht. Beim Besuch der finanzwelt stand er Rede und Antwort – und scheute auch nicht vor heiklen Antworten zurück.**

finanzwelt: Herr Dr. Eichmann, das LVRG soll der Lebensversicherung größere Standfestigkeit in Zeiten des Niedrigzinses bringen. Da stellt sich doch zunächst einmal die Frage, ob das klassische Modell überhaupt noch eine Zukunft hat.

Dr. Eichmann: Darauf antworte ich mit einem deutlichen „Absolut". Als ehemaliger Vertriebsvorstand denke ich stets vom Kunden her. Und da sehe ich, dass nicht nur der Bedarf der Menschen nach verlässlicher Vorsorge stetig steigt – auch getrieben durch die demografische Entwicklung. Es ist auch genügend Geld vorhanden, um ausreichend beispielsweise fürs Alter oder den Pflegefall vorzusorgen.

finanzwelt: Wie lange werden Policen mit fester Garantie noch angeboten werden können?

Dr. Eichmann: Es wird sie auch in der Zukunft geben. Aber bei der Gothaer gehen wir darüber hinaus und machen uns Gedanken über neue Garantieformen. Mit unserer ReFlex-Linie, also moderne Hybridprodukte, sind wir schon gut aufgestellt. Endfällige Garantien oder Abschnittsgarantien, sowie sie zuletzt auf den Markt gekommen sind, erscheinen mir jedoch noch als zu unflexibel. Ganz wichtig ist auch eine vernünftige Transparenz der Produkte. Nicht nur der Vermittler muss sie verstehen können, sondern auch der Kunde.

finanzwelt: Was muss vertrieblich getan werden, um den Altersvorsorgemarkt wieder zu beleben?

Dr. Eichmann: Die Probleme liegen auf der Hand. Einerseits wäre angesichts der Entwicklung des Rentenniveaus eine viel weiter gefasste private Altersvorsorge dringend erforderlich, andererseits sind viele Vermittler mit einer auch medial geprägten Abneigung in der Öffentlichkeit gegen Lebensversicherungen konfrontiert. Hier ist auch der Staat gefordert. Etwa indem er analog zum Vermögensbildungsgesetz etwas Ähnliches für die private Vorsorge schafft, wie in der Form „altersvorsorgewirksame Leistungen". Eine andere Möglichkeit wäre eine obligatorische bAV mit einem Opting-Out-Modell.

finanzwelt: Ein heikles Thema ist die Absicherung von Berufsunfähigkeit. Wird die stärkere Abgabe von Risikogewinnen an die Kunden ab 2015 dazu führen, dass Versicherer weniger risikobereit sein und mehr Kunden ablehnen werden?

Dr. Eichmann: Das sehe ich nicht so. Natürlich müssen wir uns jedes Risiko genau ansehen, bevor wir es versichern. Daran wird sich nichts ändern. Einen Zusammenhang mit der neuen Verteilung der Risikogewinne entsprechend dem LVRG kann ich jedoch nicht erkennen. Schon heute weisen wir unseren Kunden 89 % der Risikogewinne zu, erfüllen also die neue Anforderung bereits fast vollständig. Möglicherweise tun wir uns als Gegenseitigkeitsverein damit auch leichter. Im Übrigen darf ich daran erinnern, dass die Gothaer mit ihrem Familienbonus in der Berufsunfähigkeitsversicherung ein hervorragendes Merkmal der Risikoselektion eingeführt hat – und zwar jenseits aller Berufsspezifika. Damit stehen wir einzigartig am Markt da, und der Vertrieb weiß dies zu schätzen.

finanzwelt: Ähnlich problematisch sieht es in der Pflegeversicherung aus. In Deutschland gibt es eine völlige Unterversorgung der Menschen mit privatem Zusatzschutz. Liegt das auch an den Angeboten oder müsste sich der Vertrieb hier stärker engagieren?

Dr. Eichmann: Es mangelt nach wie vor an ausreichendem Risikobewusstsein in der Bevölkerung. Aufklärungskampagnen seitens des Bundessozialministeriums könnten hier sicher eine Menge bewegen. Der Pflege-Bahr jedenfalls ist nicht die richtige Lösung. Die Kunden wiegt er in einer trügerischen Sicherheit, obwohl die Leistungen unzureichend sind. Und für die Versicherer stellt er unter Solvency II-Gesichtspunkten ein erhebliches Risiko dar, weil es einen Annahmezwang gibt.

finanzwelt: Mit Ihren MediP-Tarifen haben Sie eine umfassende Pflegeabsicherung auf den Markt gebracht. Aber das Modell erscheint erheblich erklärungsbedürftig. Ist es zuletzt nicht auch das, was Kunden zurückschrecken lässt?

Dr. Eichmann: So ist es ja nicht. Wenn dieses für den Markt wirklich vorbildliche Konzept gut erklärt wird, wird es auch verstanden. Unser Vertrieb agiert damit sehr erfolgreich, und die Kunden erhalten wirklich maßgeschneiderten Rundum-Schutz.

finanzwelt: Sie verschmelzen die Asstel mit der Gothaer mit dem Ziel einer Multikanal-Strategie. Welche Auswirkungen hat dies für Ihr Maklergeschäft?

Dr. Eichmann: Damit erweitert sich die Erreichbarkeit der Gothaer ungemein – unsere Kunden können uns künftig über alle Kommunikationskanäle erreichen und erhalten einen schnellen und umfassenden Service. Einher geht dies mit einer Umstrukturierung der Maklerbetreuung hin zu breiterem Service für die Makler. In diesem Zusammenhang sollen die Vollmachten ausgeweitet und die Underwriting-Kapazitäten gestärkt werden.

finanzwelt: Sind Sie auch an der Übernahme von Beständen anderer Versicherer interessiert?

Dr. Eichmann: Ein eindeutiges Ja. Kleine Unternehmen haben nicht nur wegen der extrem gewachsenen IT-Anforderungen zunehmend Probleme. Niedrige Zinsen und Solvency II sind weitere Baustellen. Wir halten jedenfalls die Augen offen.

finanzwelt: Bleibt denn die Marke Janitos bestehen?

Dr. Eichmann: Janitos ist bestens im Maklermarkt positioniert. Die Versicherungstechnik und die IT-Unterstützung kommen ohnehin von der Gothaer. Warum sollten wir uns dann von der Marke trennen?

finanzwelt: Ein heikles Thema sind Provisionen. Wie wollen sie die Neuregelung zum Höchstzillmersatz anwenden?

Dr. Eichmann: Hierzu können wir noch nichts verkünden. Es finden jedoch intensive Gespräche statt. Allerdings sehe ich vor dem Hintergrund des anhaltenden Niedrigzinses die Notwendigkeit, zu niedrigeren Abschlusskosten zu kommen. Das kommuniziere ich auch offen – und treffe damit bei Maklern durchaus auf Verständnis. Natürlich sehe ich, dass der Vertrieb auskömmliche Einnahmen benötigt. Ein Teil der Lösung wird aber sicher sein, diese aus einem Produktivitätsfortschritt zu generieren.

finanzwelt: Der BVK fürchtet, dass die Versicherer durch die Hintertür über die Kalkulation der Abschlusskosten für zehn statt bisher fünf Jahre eine entsprechend längere Stornohaftung einführen wollen. Ist dies tatsächlich das Ziel?

Dr. Eichmann: Hierzu möchte ich etwas Grundsätzliches sagen. Zurzeit werden die Abschlussprovisionen auf die Beitragssumme während der gesamten Laufzeit eines Vertrages berechnet. Viele Policen werden jedoch gar nicht bis zum Ende durchgehalten. Die ursprünglich gezahlte Abschlussprovision entspricht dann nicht mehr der tatsächlichen Beitragszahlung. Diesen Knoten müssen wir dringend lösen. Ich gehe davon aus, dass wir künftig eine Vielzahl unterschiedlicher Provisionsmodelle sehen werden.

finanzwelt: Der Vertriebsweg Makler ist kostspielig. Geben Sie dennoch ein uneingeschränktes Bekenntnis hierzu ab?

Dr. Eichmann: Aber natürlich. Der Vertriebsweg über Makler ist für die Gothaer ein unverzichtbares und auch sehr produktives Standbein. Warum sollten wir dies ändern wollen? Ganz im Gegenteil, das Maklergeschäft wird durch die von mir genannten besseren Services, wie etwa eine umfangreichere Betreuung, gestärkt werden.

finanzwelt: Wie wird denn künftig die Mischung Ihrer Vertriebswege aussehen?

Dr. Eichmann: Wir richten nicht den Fokus darauf, einen Vertriebsweg dem anderen vorzuziehen. Vielmehr will und wird die Gothaer ihren Kunden an allen Kontaktpunkten alles ermöglichen. Dazu gehören auch das Online-Geschäft und der Bankenvertrieb, der in der jüngeren Vergangenheit, sehr erfreulich, deutlich zugelegt hat. (hwt)

Interview mit Dr. Karsten Eichmann - Onlineausgabe 03/2014