Pflege, die große Unbekannte

12.10.2022

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Die Hälfte der Deutschen hat sich noch nie Gedanken zur eigenen Pflege gemacht. Ein Drittel der Bevölkerung hat auch in naher Zukunft nicht vor, das zu tun. Zu diesem Ergebnis kommt eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag von AXA.

Dabei variieren die Ergebnisse in Bezug auf die Geschlechter: Während sich fast jede zweite Frau (49 %) schon einmal mit der eigenen Pflege beschäftigt hat, ist es unter Männern nur etwa jeder Dritte (37 %). Die persönlichen Kosten werden häufig unterschätzt: Aktuell zahlen Pflegebedürftige im ersten Jahr im Pflegeheim im Schnitt 2.245 Euro pro Monat selbst zu. Dieser Betrag muss zusätzlich zu den Leistungen der gesetzlichen Pflegepflichtversicherung aufgebracht werden. Eine Pflegezusatzversicherung kann hier ein wichtiger Baustein in der Vorsorge sein.

Menschen ohne eigene Kinder machen sich deutlich häufiger Gedanken über die eigene Versorgung als Eltern. Immerhin 45 % der Kinderlosen haben sich schon einmal mit der eigenen Pflege auseinandergesetzt. Nur 39 % der Befragten mit einem Kind, 36 % der Eltern von zwei und 32 % der Eltern von drei Kindern haben sich bisher damit beschäftigt. Lediglich sechs % der Befragten geben an, im Fall der Fälle gerne in einem Pflegeheim zu leben. Mehr als die Hälfte (57 %) hängt am eigenen Zuhause. Mit Abstand am beliebtesten ist die Versorgung durch einen ambulanten Pflegedienst (27 % oder direkte Angehörige (21 %). Männer (23 %) möchten noch häufiger als Frauen (19 %) von der eigenen Partnerin, dem eigenen Partner beziehungsweise weiteren Verwandten in den eigenen vier Wänden versorgt werden.

Haushalt, Kindererziehung und Pflege: Studien zeigen, dass die Care-Arbeit mehrheitlich von Frauen geleistet wird. Im Alter zwischen 50 und 69 Jahren pflegen mehr als zehn % der Frauen in Deutschland eine Person aus ihrem direkten Umfeld, häufig ihre Lebenspartnerin oder ihren Lebenspartner. „Vier bis fünf Mio. Menschen in Deutschland pflegen Angehörige. Überwiegend übernehmen Frauen diese Aufgabe. Die Versorgung von Familienmitgliedern ist körperlich und psychisch fordernd und braucht Zeit. Häufig hat eine dauerhafte Mehrbelastung zur Folge, dass Pflegende ihre berufliche Tätigkeit reduzieren oder ganz aufgeben müssen. Umso wichtiger ist es, sich frühzeitig mit dieser Situation zu beschäftigen. Wie soll meine eigene Pflege und die meiner Angehörigen aussehen? Wie kann ich die unterschiedlichen Modelle finanzieren? Das sind Fragen, die man sich idealerweise schon als junger Mensch stellen sollte, um später ein möglichst selbstbestimmtes Leben führen zu können“, so Professor Adelheid Kuhlmey, Direktorin des Instituts für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft an der Charité Berlin.

Die eigene Lebenserfahrung spielt eine entscheidende Rolle in Bezug auf die Beschäftigung mit der eigenen Zukunft. Menschen, die bereits selbst Eltern, Partner oder weitere nahe Angehörige gepflegt haben, geben deutlich häufiger an, genau zu wissen, wie sie einmal selbst versorgt werden wollen (35 %) als Befragte, die noch nie mit dem Thema in Kontakt gekommen sind (sieben %). Das Alter spielt ebenfalls eine entscheidende Rolle: Fast Dreiviertel der 25- bis 34-Jährigen (63 %) haben sich noch nie mit der eigenen Pflegebedürftigkeit auseinandergesetzt. Mit zunehmendem Alter sinkt diese Zahl zwar, doch selbst unter den über 55-Jährigen hat sich mehr als ein Drittel (35 %) noch keine Gedanken dazu gemacht. Dabei ist es ein Thema, das fast jede und jeden betrifft – ob ganz persönlich oder im nahen Umfeld: Jeder zweite Mann und zwei von drei Frauen werden im Laufe des Lebens pflegebedürftig. Im Jahr 2020 waren rund 4,5 Mio. Menschen in Deutschland betroffen. Aufgrund des demographischen Wandels und der weiter steigenden Lebenserwartung der Bevölkerung wird sich die Zahl der Pflegebedürftigen bis 2050 auf rund 6,5 Mio. Menschen erhöhen. (hdm)