Tag der Wahrheit in den USA

08.11.2016

Karsten Junius, Chefökonom, Bank J. Safra Sarasin AG / Foto: © Bank J. Safra Sarasin

Heute Nacht wird das Warten auf den US-Wahlausgang endlich ein Ende haben. Nach den letzten FBI-Wendungen in der Email-Thematik Clintons halten wir drei Szenarien für möglich: Einen Sieg Trumps, einen knappen Sieg von Clinton und einen Erdrutschsieg von Clinton, bei dem auch der Senat und das Repräsentantenhaus eine demokratische Mehrheit bekommen würde. Damit klammern wir ein so knappes Ergebnis aus, dass es von einem der Kandidaten zuletzt noch angefochten werden könnte – wenngleich der gesamte Wahlkampf schon einiges an unschönen Überraschungen mit sich gebracht hat.

Eine Präsidentschaft Trumps würde sicherlich für eine hohe Unsicherheit sorgen, da er bislang in vielen Dingen wenig konkrete Politikvorschläge gemacht hat. Sicher ist lediglich, dass er protektionistischer agieren würde – also eine schärfere Gangart gegenüber den Ländern vorlegte, die hohe Leistungsbilanzüberschüsse mit den USA haben. Leiden würden darunter die Schwellenländer, allen voran China und Mexiko, weswegen der mexikanische Peso auf die zuletzt gestiegenen Wahlchancen Trumps mit Kursrückgängen reagiert hat. Zusätzlich wären auch Kursrückgänge bei US-Aktien und Hochzinsanleihen wahrscheinlich. Negative Entwicklungen an den Finanzmärkten und eine höhere Unsicherheit würden dazu führen, dass die Fed ihren Zinsschritt in das nächste Jahr verschiebt. Das Resultat wäre ein schwächerer US-Dollar und erneuter Aufwertungsdruck auf den Schweizer Franken.

Bei einem knappen Wahlsieg von Hillary Clinton hätten die US-Aktienmärkte leichtes Aufwärtspotenzial. Der Schweizer Franken würde sich etwas abschwächen, genau wie der japanische Yen, die beide als sichere Häfen fungieren und letzte Woche mit den wieder gestiegenen Wahlchancen Trumps zugelegt haben. Die Fed würde ihren Leitzins wie geplant im Dezember 2016 erhöhen und könnte auf ein wohl etwas verlässlicheres wirtschaftliches und politisches Umfeld bauen.

Etwas zurückgegangen ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Demokraten neben der Präsidentschaft auch die Mehrheit im Senat und Repräsentantenhaus gewinnen könnten. Dies wäre ein Szenario, bei dem die Aktienmärkte vermutlich negativ reagierten. Es würden nämlich die Chancen erhöhen, dass der linke Parteiflügel der Demokraten eine deutlich wirtschaftsfeindlichere Wirtschaftspolitik durchsetzen könnte, bei der eine neue Regulierungswelle das Potenzialwachstum weiter reduziert. Die Fed würde in diesem Fall die Leitzinsen im Dezember 2016 anheben. Insofern eine stärkere Regulierung der Wirtschaft auch zu höheren Inflationsraten führte, würde auch das Risiko einer schnellen weiteren Zinserhöhung steigen.

Insgesamt zu hoffen wäre, dass die beiden Parteien im Kongress zu einem kooperativeren Verhältnis kommen als dies während der Obama-Präsidentschaft der Fall gewesen ist, auch wenn der Wahlkampf nicht darauf hindeutet. Einen Politikvorschlag haben übrigens beide Kandidaten gemacht: Die Infrastrukturausgaben sollen steigen. Es ist zu hoffen, dass diesem Plan keine neue Diskussion über die Verschuldungsgrenze ein Strich durch die Rechnung macht.

Kolumne von Karsten Junius, Chefökonom, Bank J. Safra Sarasin AG