Trotz Kleinanlegerschutzgesetz: Wirksamster Verbraucherschutz sind gut ausgebildete Finanzberater

17.09.2015

Seit knapp zwei Monaten ist das reformierte deutsche Kleinanlegerschutzgesetz in Kraft. Es soll vor allem diejenigen Anleger schützen, die in den bisher wenig regulierten Grauen Kapitalmarkt investieren wollen.

Strengere Auflagen für Wertpapierprospekte sowie verpflichtende Warnhinweise in der Werbung für Finanzprodukte sollen dazu beitragen. Die neuen Regeln sind begrüßenswert – die wirksamste Form des Verbraucherschutzes jedoch sind gut ausgebildete Finanzberater.

Bedarf nach mehr Transparenz

Im Gefolge der Insolvenz des Windanlagenbetreibers Prokon, die erhebliche öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zog, war eine Reform des Anlegerschutzgesetztes aus Sicht der meisten Verbraucherschutzorganisationen überfällig. Schließlich gingen dieser Pleite bereits Fälle am Grauen Kapitalmarkt voraus, in denen Anleger Totalverluste zu erleiden hatten. Dass der Ruf nach „mehr“ Regulierung laut wird, ist also kaum verwunderlich. Zumal die Misstrauensstimmung in Deutschland gegenüber der Finanzbranche im internationalen Vergleich hoch ist. Die Ergebnisse einer Umfrage des CFA Institute, an der über 5.000 Anleger (davon rund 30% aus Europa und Deutschland) und weitere Marktteilnehmer teilnahmen, deuten an: In keinem anderen Land steht man dem Thema „Falschberatung in der Finanzbranche“ kritischer gegenüber als in Deutschland. 37% der Befragten sehen darin aktuell die größte Herausforderung für den deutschen Markt. 73% der Befragten aus Deutschland machen ungenügende Ethik- und Branchenstandards für den allgemeinen Vertrauensverlust gegenüber der Finanzindustrie verantwortlich. Können verschärfte Prospektpflichten und zusätzliche Befugnisse der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) im Rahmen des neuen Anlegergesetzes hier entgegenwirken?

Nie kaufen, was man nicht versteht

Das Gesetz bringt einige wichtige Neuerungen auf den Weg, die vor allem den Vertrieb von Geld¬anlagen betreffen. Die BaFin kann dadurch den Abverkauf bestimmter Produkte einschränken oder sogar ganz verbieten. Sie wird Wertpapierprospekte, die mit erweiterten Angaben zur Risikostruktur von Vermögensanlagen zu versehen sind, auf Vollständigkeit prüfen. Zudem kann sie gegen (unseriöse) Anbieter getroffene Maßnahmen öffentlich kenntlich machen. Dies betrifft Anlageformen wie etwa Unternehmensbeteiligungen, Genussrechte oder Namensschuldverschreibungen. Damit trägt das Gesetz dazu bei, dass Anleger die Erfolgsaussichten von Vermögensanlagen besser einschätzen können. Aber: Die BaFin prüft nicht die inhaltliche Richtigkeit dieser Investments. Es ist wichtig, dies zu differenzieren. Das mit der Entscheidung für ein Finanzprodukt verbundene Risiko trägt weiterhin der Anleger. Und da viele Kleinanleger und Sparer in Deutschland - gerade vor dem Hintergrund des Niedrigzinsumfelds und komplexer Herausforderungen bei den Themen Vermögensaufbau und Altersvorsorge – auf die Beratung durch Vermittler und Makler bauen, gilt: Eine hohe Qualität in der Anlageberatung ist der beste Verbraucherschutz.

Wo greift Regulierung? Wo greifen Branchenstandards?

Fakt ist: Wir brauchen gut ausgebildete Finanzexperten mit versiertem Know-how verschiedener Assetklassen und Anlagestrategien in Deutschland. Aus Sicht des CFA Institute, eines Berufsverbands mit 136.000 Mitgliedern weltweit (davon mehr als 2.300 in Deutschland), kann ich sagen: Gut ausgebildete, seriöse Anlageberater trachten niemals nach einer bewussten Falschberatung - sie stellen die Interessen des Kunden immer in den Mittelpunkt. Anleger- beziehungsweise anlagegerechte Finanzberatung heißt: Die individuellen Bedürfnisse des Kunden erkennen, die Produktauswahl am individuellen Bedarf des Kunden orientieren sowie alle Fragen zum Produkt (inklusive der Kostenstrukturen) und zur Anlagestrategie verständlich erklären. Die Vorschriften des neuen Anlegerschutzgesetzes setzen einen Rahmen, der dazu dient, Risiken einzuschränken. Ergänzend zu der gesetzlichen Regulierung sind Wohlverhaltensregeln und Verhaltenskodizes, denen sich integre und professionelle Investmentberater unterwerfen, ein wirksames Mittel. Denn diese „ethischen“ Branchenstandards greifen auch da, wo es keine Regulierung gibt und helfen so, das Vertrauen in die Anlageberatung zu stärken. Marktteilnehmer, die sich neben den geltenden gesetzlichen Vorschriften auf ethische Grundsätze bekennen und sich aktiv um Transparenz und die Adressierung potenzieller Interessenskonflikte bemühen, senden positive Signale in den Markt. Dies sollte Unterstützung finden. Gerne auch in den Incentive-Strukturen der Finanzhäuser!

Autor: Susan Spinner, CFA, Geschäftsführerin der CFA Society Germany