Towers Watson mahnt Verbesserungen bei neuer Pensionsfonds-Richtlinie an
23.03.2014
Alfred-E. Gohdes
Die erste europäische Pensionsfonds-Richtlinie (IORP I) von 2003 soll durch eine Nachfolgerichtlinie (IORP II) überholt werden.
(fw/hwt) Alfred-E. Gohdes, Chefaktuar bAV bei Towers Watson Deutschland, mahnt: „Gerade beim Thema Pensionsfondsrichtlinie haben wir aus leidvoller Erfahrung gelernt, dass die von der EU-Kommission beziehungsweise EIOPA präsentierten Vorschläge nicht immer mit ihren zuvor geäußerten Zielsetzungen übereinstimmen. Die Politik in den Ländern mit dem Löwenanteil an bAV-Vermögen – unter anderem Deutschland – haben in den letzten Jahren die Entwicklungen in Brüssel aufmerksam verfolgt und auf die zum Teil abwegigen Vorschläge der Kommission effektiv reagiert. Es gilt künftig, diese Aufmerksamkeit der Politik aufrecht zu erhalten."
Verschiedene inoffizielle Entwürfe der neuen Richtlinie waren bereits seit Januar öffentlich im Umlauf. Voraussichtlich am 27. März soll ein neuer Richtlinienentwurf offiziell vorgestellt werden. Weil der neue Vorschlag sich „nur" auf die Säulen II und III beschränkt, bestanden laut Towers Watson Hoffnungen, dass es sich dabei um ein „Solvency II Lite" handeln könnte. Es würden aber so viele Hintertürchen offen gehalten, dass sich noch nicht abschätzen ließ, ob es sich bei den Regelungen um geringfügige oder gravierende Änderungen handele. Die Richtlinie soll planmäßig Ende 2016 in Kraft treten. Zwar seien die Ziele sinnvoll, die Umsetzung könnte jedoch problematisch werden.
Fünf Ziele wolle die EU-Kommission mit dem neuen Richtlinienvorschlag erreichen:
Letzte regulatorischer Barrieren für das grenzüberschreitende EbAV-Geschäft in Europa sollen ausgeräumt werden:
● Es soll ein solides Risikomanagements und eine angemessene Governance für EbAV sichergestellt werden.
● Dies gilt auch für nützliche und verständliche Informationen an Berechtigte
● Es sollen ausreichende Instrumente für die behördliche Überwachung von EbAV geschaffen werden.
● Die EbAV soll darin unterstützt werden, sich an langfristigen Vermögensanlagen der realen Wirtschaft zu beteiligen
Gegen diese Ziele sei laut Towers Watson dem Grunde nach nichts einzuwenden, allerdings sehr wohl gegen die Vorschläge und ihre Begründungen. Das lang ersehnte jeux-nouveaux – sans frontiers (das neue Spiel – ohne Grenzen) solle mit IORP II endlich ermöglicht werden. Bislang hätten die Mitgliedsstaaten die IORP-I-Regeln sehr unterschiedlich ausgelegt, insbesondere in Bezug auf die Definition der grenzüberschreitenden Tätigkeit an sich, auf Vorschriften für die Vermögensanlage und auf Informationspflichten an Begünstigte. Nun würden die Regeln für grenzüberschreitende Pensionsfonds festgelegt und dadurch die Rechtssicherheit erheblich verbessert. In dieser Hinsicht handele es sich um eine gute Nachricht. Wie von der Kommission angekündigt, seien die zum Teil überzogenen Anforderungen an die Eigenkapitalausstattung zur Gänze fallen fallengelassen worden. Dies ergebe sich aus der Ende 2012 durchgeführten Auswirkungsstudie, die einen nicht zu vertretenden Mehraufwand für Unternehmen ermittelt habe. An einer Überarbeitung dieser ersten Vorschläge zur quantitativen Regulierung arbeiteten zurzeit verschiedene EIOPA-Arbeitsgruppen. Auch dies sei positiv zu bewerten.
Jedoch sieht Towers Watson aber auch deutliche Schwachstellen. Man erwarte, dass der IORP-II-Richtlinienentwurf in vielen wichtigen Aspekten der Säulen II und III unbestimmt sein werde. Dadurch blieben konkrete Vorhaben im Unklaren. Sie blieben damit einer künftigen Ausgestaltung allein durch EIOPA vorbehalten – weitgehend außerhalb der politischen Einflussnahme. Die Governance-Regeln würden vornehmlich aus Solvency II abgeleitet sein. Bis auf die noch nicht spezifizierten Standards für eine eigene Risikobewertung (Risk Evaluation for Pensions) seien keine grundsätzlich neuen Anforderungen für deutsche EbAV vorgesehen. Problematisch sei, dass die vorgesehenen Regelungen in der Umsetzung dennoch sehr teuer werden könnten. Die gleiche Kritik könne gegen die Regelungen zu den Informationspflichten gerichtet werden. Auch hier erscheine insbesondere das Kosten-Nutzenverhältnis der Vorschläge fragwürdig.
Die Kommission hat Anfang 2013 eine Auswirkungsstudie in Auftrag gegeben, um die Auswirkungen ihrer Vorschläge zu den Säulen II und III zu testen und um weitere Informationen zu sammeln. Von deutschen EbAV durchgeführte Schätzungen aus dem Jahr 2013 hätten aber ergeben, dass die Umsetzung des Richtlinienentwurfs deutsche EbAV mit jährlich rund 140 Mio. Euro zusätzlichen Kosten belasten könnte. Das wäre eine Verdreifachung der derzeitigen Kosten in diesen Bereichen. Die im Herbst 2013 veröffentlichten Ergebnisse der Auswirkungsstudie seien in Deutschland erstaunt zur Kenntnis genommen worden. Enthalten gewesen seien grobe Missverständnisse über die Funktionsweise der deutschen betrieblichen Altersversorgung, was das Vertrauen in die Vorhaben nicht gerade stärke.
Gleichzeitig mit dem Richtlinienentwurf zu IORP II will der zuständige EU-Kommissar Barnier am 27. März auch einen Aktionsplan zur langfristigen Finanzierung der europäischen Wirtschaft vorstellen. In dem entsprechenden Grünbuch der EU werde laut Towers Watson die gewichtige Rolle von langfristig orientierten Anlegern betont, zu denen auch EbAV zählten. Diese Investoren seien für die langfristige Finanzierung der Wirtschaft deshalb von Bedeutung, weil sie zwischenzeitliche Vermögensschwankungen besser verkraften könnten als kurzfristig orientierte Investoren. Interessant sei, dass die Kommission auf der anderen Seite mit ihren Regulierungsüberlegungen den Pensionsfonds die Erfüllung dieser Finanzierungsfunktion erheblich erschweren würde.