bAV – Vorsicht Falle!

25.11.2013

Dieter Wolf

Viele Unternehmen wissen wenig über ihre bAV-Haftung gegenüber den Mitarbeitern. Zum Beispiel, dass sie selbst für die Erfüllung von Versorgungszusagen verantwortlich sind. Die daraus entstehenden Risiken hat der Niedrigzins noch deutlich verschärft. Makler sind mit ihrer laufenden Beratung mehr denn je in der Pflicht – und können ihren eigenen Wert auch für weitere Geschäfte unter Beweis stellen.

finanzwelt sprach hierüber mit Dieter Wolf, Geschäftsführer des auf die bAV spezialisierten Beratungsunternehmens WERTKONTOR Wolf KG. Er verfolgt einen ganzheitlichen Beratungsansatz. Und wurde dafür zertifiziert.

finanzwelt: Herr Wolf, wie wirkt sich der Niedrigzins auf die Versorgungszusagen aus?

Wolf: Die Auswirkungen und Konsequenzen für den Arbeitgeber hängen zunächst von der Art der Versorgungszusage ab. Bei nicht kongruent rückgedeckten Pensionszusagen beziehungsweise Direktzusagen oder U-Kassen ergeben sich erhebliche Finanzierungslücken aus gestiegener Lebenserwartung und aus dem Niedrigzins. Früher wurden die Versorgungszusagen unter der Annahme einer Verzinsung der laufenden Beiträge in eine Rückdeckung beziehungsweise des angesammelten Rückdeckungskapitals von 6 % und zuletzt immer noch 5,5 % berechnet. Durch den andauernden Niedrigzins wird zum einen der einst hochgerechnete Anfangskapitalbedarf nicht erreicht und zum anderen das Kapital nach Beginn der Rentenzahlung schneller verzehrt. Die gestiegene Lebenserwartung verstärkt den Niedrigzinseffekt nochmal deutlich.

finanzwelt: Das bedeutet doch auch, dass die betreuenden Makler mehr denn je in der Beratungspflicht stehen?

Wolf: In der Tat. Das Bilanzmodernisierungsgesetz (BilMoG) zwingt neuerdings die Unternehmen, nicht mehr die bisherige Hochrechnung für die Steuerbilanz anzuwenden (Heubeck Barwerte), sondern die tatsächlichen Lasten einer Pensionszusage für die Handelsbilanz zu ermitteln. Da fließen dann auch noch Faktoren wie tatsächliche Verzinsung, Lohnentwicklung und Rentensteigerungen mit ein und führen gerade wegen des Niedrigzinses zu höherem Kapitalbedarf, der in der Bilanz ausgewiesen werden muss. Das verändert die Bilanzsumme und kann bei manchen Unternehmen die Eigenkapitalquote drücken, was sich wiederum auf die Kreditwürdigkeit auswirken kann. Der Nachfinanzierungsbedarf von Versorgungszusagen trifft alle Unternehmen, die keine kongruente Rückdeckungsversicherung abgeschlossen haben. Unter kongruent rückgedeckt verstehe ich, dass die Versorgungszusage durch einen Rentenversicherungsvertrag ohne Berücksichtigung der nicht garantierten Gewinnanteile 1:1 rückgedeckt ist und die obligatorische Steigerung laufender Renten gemäß § 16 BetrAVG vertraglich über eine garantierte Rentensteigerung vereinbart ist, die nicht auf Gewinnerwartungen des Versicherers beruht. Bei Direktversicherungen und Pensionskassen nach § 3.63 EStG werden die einst hochgerechneten Ablaufleistungen nicht erreicht. Inwieweit dies eine Nachschusspflicht des Arbeitgebers auslösen kann, hängt von der Art der Zusage und der Ausgestaltung der Versicherungsverträge ab. Es besteht also dringender Handlungsbedarf, bestehende Risiken aus Versorgungszusagen zu ermitteln.

finanzwelt: Wobei wir ja direkt im Haftungsthema sind. Seit 2001 müssen Arbeitgeber für die Erfüllung der Versorgungsansprüche einstehen. Sind sich die Unternehmen nach Ihrer Erfahrung eigentlich dessen bewusst?

Wolf: Nein, bei den meisten kleinen und mittleren Unternehmen nicht wirklich. Es ist zwar grundsätzlich bekannt, dass es irgendwelche Haftungsrisiken gibt, aber es überwiegt die Meinung, dass die Haftung für die Leistung beim Versicherungsunternehmen liegt. Es ist viel zu oft gängige Praxis, dass Mitarbeiter eingestellt werden und mitgebrachte bAV-Verträge ohne weitere Prüfung bedenkenlos übernommen werden.

finanzwelt: Worauf sollten Makler gezielt hinweisen?

Wolf: Wir reden von Vertragserfüllungs- und Nachhaftungszeiten über mehrere Jahrzehnte. Versäumnisse der Vergangenheit können nicht repariert werden. Der Leistungsanspruch entsteht mit Erteilung der Zusage. Das geschieht bereits dann, wenn der Arbeitgeber die Versicherungsnehmereigenschaft übernimmt. Er erteilt damit seinem Arbeitnehmer eine betriebliche Altersversorgungszusage und muss sich darüber im Klaren sein, dass Versäumnisse nicht repariert werden können. Hierauf kann nicht genug hingewiesen werden.

finanzwelt: Beschreiben Sie doch bitte weitere Haftungsfallen für Unternehmen.

Wolf: Die Erfüllungshaftung hat einige Brisanz, denn es gibt Versicherungsunternehmen und Pensionskassen, die ihre garantierten Leistungen kraft Satzung oder Versicherungsbedingungen auch senken können. Daneben haftet der Arbeitgeber für fehlerhafte oder nicht ausreichende Informationsweitergabe. Gerade die Informations-, Auskunfts-, und Mitteilungspflicht wird oft auf die leichte Schulter genommen. Grundsätzlich ist der Arbeitgeber in der Pflicht, seine Mitarbeiter über die Einrichtung einer bAV umfassend zu informieren und dies auch zu dokumentieren. Nur so ist der Arbeitnehmer überhaupt in der Lage, eine fundierte, ganz bewusste Entscheidung pro oder contra bAV zu treffen. Darüber hinaus hat der Arbeitgeber dem Anlageinstitut alle vertragsrelevanten Veränderungen termingerecht zu melden. Weiter haftet der Arbeitgeber beispielsweise bei verzögertem Abschluss oder Verweigerung einer Entgeltumwandlung, bei der Anwendung sachfremder Kriterien, der Auswahl des Versorgungsträgers, für die Entrichtung der Beiträge, Nichterfüllung der Anpassungsverpflichtung laufender Leistungen, bei Nichtbeachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes, Verschlechterung der Leistungen bei Neugestaltung und bei Nichtbeachtung tarifvertraglicher Besonderheiten.

finanzwelt: Personalabteilungen wollen mit der bAV möglichst wenig Arbeit haben.

Wolf: Wir übernehmen praktisch die Aufgaben des Arbeitgebers zur fachlich korrekten Umsetzung der bAV. Unser Produkt „bAV mit WERT" ist ein vom Institut für Vorsorge und Finanzplanung zertifizierter Beratungsprozess. Er umfasst zunächst alle relevanten Informationen für den Arbeitgeber. Der Arbeitgeber kann sich darauf verlassen, dass wir in seinem Sinn all die Dinge umsetzen, die er sonst über seine Personalabteilung eigenständig organisieren müsste. Die Mitarbeiterberatung wird entsprechend der gesetzlichen Vorgaben für die Versicherungsberatung unter Beachtung der Dokumentationspflichten durchgeführt. Dabei berücksichtigen wir, anders als es der Arbeitgeber alleine leisten kann, auch die Gesamtversorgungssituation des Mitarbeiters. Möglicherweise stellt es sich bei der Gesamtbetrachtung heraus, dass eine Beteiligung an der bAV im Einzelfall für den Mitarbeiter nicht vorteilhaft ist oder einfach nicht gewollt wird. Das wird respektiert und dokumentiert, um künftige Regressansprüche an den Arbeitgeber auszuschließen.

finanzwelt: Womit grenzen Sie sich gegenüber Wettbewerbern ab?

Wolf: Wir klären konsequent Schritt für Schritt haftungsrelevante Fragen anhand eines abgestimmten Fragebogens und können am Ende sicher sein, eventuell vorhandene Risiken erkannt zu haben und darauf aufbauend den Handlungsbedarf abstimmen zu können. Unsere Dokumentation ist Bestandteil des zertifizierten Beratungsprozesses und dient der konsequenten Vermeidung von künftigen Prozessrisiken oder Regressforderungen. Wir arbeiten mit fest angestelltenMitarbeitern, die zum einen regelmäßig geschult werden und zum anderen über ein geregeltes laufendes Einkommen verfügen und somit keinem Abschlusszwang unterliegen. Sie dürfen keine weiteren Versicherungsleistungen anbieten und führen eine anlassbezogene Beratung zur betrieblichen Altersversorgung durch, die ausschließlich die mit dem Arbeitgeber vereinbarte Versorgungszusage beinhaltet. Selbstverständlich werden bestehende Altersversorgungsansprüche und sonstige individuelle, für den Abschluss eines bAV Vertrages relevante Umstände berücksichtigt. Wir verpflichten uns vertraglich zum Datenschutz und garantieren, dass keine Daten zweckentfremdet verwendet werden. Wir sehen uns als Erfüllungsgehilfe des Arbeitgebers bei der Umsetzung der betrieblichen Altersversorgung. Letztlich haften wir im Rahmen unserer Maklerhaftung und besonders im Rahmen des Beratungsprozesses „bAV mit WERT".

(Das Interview führte Theresa Appenzell)

Interview mit Dieter Wolf - Printausgabe 06/2013