„Antizyklisches Verhalten wird mit dem Wandel an den Märkten wieder wichtiger“

02.08.2015

Sander Bus

„Die schönen Zeiten der einfachen Erträge an den Kapitalmärkten sind vorüber“, meint Sander Bus, Leiter des Credit-Teams von Robeco.

Nach dem Schulden-Superzyklus treten die Finanzmärkte nun in eine neue Phase ein. Im Quartalsausblick konstatiert Robeco zwei grundlegende Veränderungen für die Kreditmärkte. Erstens wird die Situation in den USA langsam unerfreulich für Unternehmensanleihen. Die Neuverschuldung der Firmen beschleunigt sich und die Margen haben ihre Höchstmarke überschritten. Zweitens führt die finanzielle Repression der Notenbanken zu einer steigenden Volatilität in vielen Assetklassen. Das Herdenverhalten birgt zunehmend Gefahren.

Der Unternehmenssektor in den USA ist in voller Fahrt. Die Unternehmen verschulden sich wieder stärker. Die Flut an nahezu kostenlosem Kapital bildet dafür die Grundlage. Aktienrückkäufe, Dividenden sowie kreditfinanzierte Übernahmen und Fusionen haben zyklische Höchststände erreicht. „Sollte der Zyklus umschlagen und die Unternehmensgewinne würden sinken, dann sieht die Unternehmensverschuldung plötzlich recht hoch aus“, warnt Sander Bus. Zudem ist die amerikanische Notenbank Fed auf dem Weg zu einer strafferen Geldpolitik. „Ob diese nun im gemäßigten Tempo oder aggressiver erfolgt – die Finanzmärkte weltweit werden weiterhin mit den Steroiden der lockeren Geldpolitik gedopt.

Wie werden also Investoren auf die Entwicklung reagieren?“, gibt Bus zu Bedenken. Zudem hält er es, nachdem auf dem Häusermarkt, in der Autoindustrie und auch in gewissem Maße bei den Investitionsausgaben eine Normalisierung eingetreten ist, für durchaus angebracht, sich vor dem Hintergrund eines fortgeschrittenen Wirtschaftszyklus auf eine Rezession in den USA in den nächsten zwei Jahren einzustellen.

Herdenverhalten führt zu überzogenen Reaktionen – nach oben und unten

Exzessive finanzielle Repression durch die Notenbanken hat nach Meinung des Robeco-Experten zu einer zweiten Veränderung an den Märkten geführt, deren Wirkung noch nicht voll absehbar ist: Dem Phänomen negativer Renditen. Die Suche der Investoren nach Rendite hat sich dadurch weiter erschwert, aber ebenso hat sich ihr Herdenverhalten verstärkt. Das ist eine Erklärung für die gestiegene Volatilität auf den Währungs-, Anleihen-, und Aktienmärkten. Alle Marktteilnehmer schauen wie besessen auf die „Dot Plots“ der amerikanischen Notenbank Fed, die die Einschätzungen der Notenbank-Mitglieder zur Zinsentwicklung zeigen. Die Reaktionen auf Veränderungen sind überzogen, alle wollen plötzlich verkaufen – in zunehmend illiquiden Märkten.

Eine Konsens-Positionierung an den Märkten hielt Bus schon immer für gefährlich. Die Jagd nach Rendite hat die Preise für Unternehmensanleihen und Aktienbewertungen nach oben getrieben und eine Inflation der Asset-Preise ausgelöst. „Antizyklisches Verhalten bleibt unserer Ansicht nach entscheidend für den Anlageerfolg. Es wird in Zukunft vermutlich sogar noch wichtiger sein“, sagt Bus. Vor dem Hintergrund des typisch spätzyklischen Verhaltens des US-Unternehmenssektors, einer zunehmenden Volatilität und einer möglichen künftigen Rezession in den USA lassen die Kreditmarkt-Experten von Robeco eher Vorsicht walten. Die Beta-Positionierung schwankt zwischen einer leichten Übergewichtung und einer neutralen Position. „Der Hauptgrund, dass wir noch nicht untergewichtet sind, ist, dass sich die Risikoaufschläge wieder etwas ausgeweitet haben und es einfach noch nicht ausreichend konkrete Hinweise für Ausfälle oder Rezessionen auf Quartalssicht gibt“, erklärt Bus.

Unternehmensanleihen nach Korrektur wieder attraktiver

Während Unternehmensanleihen aus dem Investmentgrade-Bereich zunächst kaum auf die Zinsanstiege bei Staatsanleihen reagiert haben, konnten sie sich der Entwicklung im Juni nicht mehr entziehen und haben leicht korrigiert. Die Renditen europäischer Investmentgrade-Papiere sind beispielsweise um 18 Basispunkte gegenüber dem Vorquartal gestiegen. Nur Anleihen aus den Emerging Markets und USHochzinsanleihen zeigten sich standhaft. „Hochzinsanleihen sind bekannt für ihre Widerstandsfähigkeit gegen Zinsanstiege. Wir denken, dass sie auch auf dem aktuellen Niveau immer noch die Risiken gut kompensieren“, meint Bus. Insgesamt hat sich die Kreditqualität der Unternehmensanleihen verbessert und bei Hochzinsanleihen sind zudem die Kreditklauseln in den Verträgen wieder investorenfreundlicher geworden.

Ihre Favorisierung von US-Unternehmensanleihen gegenüber europäischen Titeln haben die Robeco- Experten aufgegeben. Das Fortschreiten des US-Marktzyklus bewerten sie als ebenso wichtig wie die politischen Risiken in Europa. Daher sind beide Märkte neutral positioniert. Gegenüber den Emerging Markets sind sie nach wie vor skeptisch und halten einen Einstieg für verfrüht. Vor allem nach der jüngsten Rally sind Unternehmensanleihen aus Schwellenländern zu teuer. Bus: „Wir finden an den Kreditmärkten der Emerging Markets kaum genügend Value im Vergleich zu den Unternehmensanleihen der Industriemärkte – vor allem wenn man die Länderrisiken berücksichtigt.“

Autor: Sander Bus, Leiter des Credit-Teams von Robeco