Schadet die Geldpolitik mehr als sie nützt?

28.09.2016

Mark Burgess zur aktuellen Lage an den Märkten

Aufgrund der kräftigen Rally von Unternehmensanleihen haben wir unsere Position in europäischen Anleihen mit Investment-Grade-Rating (IG) und im Hochzinssegment überprüft, daraufhin jedoch beschlossen, an unserer Allokation festzuhalten. Insgesamt sind wir in Unternehmensanleihen neutral positioniert. Wir bevorzugen Hochzinsanleihen gegenüber IG-Anleihen, in denen wir leicht negativ positioniert sind, da der Kreditzyklus schon weit fortgeschritten ist und wir mit schwachem Wachstum sowie sinkender Rentabilität rechnen.

In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass sich spätzyklische Aktivitäten wie fremdfinanzierte Fusionen und Übernahmen oder Aktienrückkäufe eher negativ auf die Anlageklasse auswirken, während die in ganz Europa anhaltend lockere Geldpolitik die Kreditkosten weiter reduzieren wird. Hinzu kommt, dass die Bewertungen inzwischen angemessen sind, nachdem sie Anfang des Jahres noch günstig erschienen.

Die Volatilität an den Aktienmärkten war in letzter Zeit äußerst gering, obwohl mit beträchtlichen Risiken zu rechnen ist. In diesem Umfeld sinkender Volatilität richteten wir unsere Aufmerksamkeit auf kritische politische Ereignisse wie die anstehenden US-Wahlen und das Referendum in Italien sowie auf andere Negativfaktoren wie einen möglichen Anstieg des britischen Pfunds (der auf GBP lautende Fonds belasten würde) oder eine Dollar-Rally (die erneut die Schwellenländer, aber auch die globalen Märkte unter Druck setzen würde).

Das Bankensystem ist weiterhin anfällig, und vor allem in den Peripherieländern werden noch erhebliche Kapitalspritzen nötig sein. Der Brexit hat höchstwahrscheinlich zu einer gewissen Destabilisierung der Europäischen Union geführt und Angela Merkels Macht bröckeln lassen, sodass die Zukunft der EU mit einer gewissen Unsicherheit behaftet ist. All diese Faktoren verstärken die an den Märkten spürbare allgemeine Unsicherheit, was zum Teil erklärt, warum veröffentlichte Konjunkturdaten oder Bekanntgaben der Zentralbanken nun größere Beachtung finden und die Reaktionen darauf entsprechend ausfallen.

In diesem Umfeld ist unser Engagement an den Aktien- und Anleihemärkten zurückhaltend und wir behalten die Renditen stets im Auge. An unserem Allokationsmodell haben wir jedoch keine wesentlichen Veränderungen vorgenommen. Unser zentrales Szenario geht weiterhin von schwachem Wachstum, geringer Inflation und niedrigen Zinsen aus. Dieser Ausblick gilt selbst dann, wenn wieder fiskalpolitische Maßnahmen ergriffen werden, was jedoch abzuwarten bleibt.

Niedrigere Zinsen können die Nachfrage nur in Verbindung mit einer expansiven Haushaltspolitik ankurbeln. Die gegenwärtige Situation wird somit immer inakzeptabler, wenn die Regierungen nicht dazu übergehen, den durch die niedrigen Zinsen geschaffenen Spielraum für höhere Haushaltsausgaben zu nutzen. So wurde Europa bereits dafür kritisiert, trotz niedriger Zinsen einen Sparkurs zu verfolgen und damit das Wirkungsgefüge zwischen Zins- und Fiskalpolitik zu gefährden.

Es gibt jedoch erste Anzeichen, dass zumindest in den USA fiskalpolitische Maßnahmen anstehen könnten. Beide Präsidentschaftskandidaten haben sich im Wahlkampf entsprechend geäußert. Außerdem haben bei früheren Wahlen manche Kandidaten, die zuvor für ein niedrigeres Haushaltsdefizit plädierten, schließlich doch eine expansive Haushaltspolitik verfolgt. Die Pläne von Clinton und Trump hinsichtlich der Umsetzung einer expansiven Haushaltspolitik weichen zwar voneinander ab, doch höhere Infrastrukturausgaben werden sicherlich dazuzählen.

Marktkommentar von Mark Burgess, CIO EMEA und Global Head of Equities bei Columbia Threadneedle

www.columbiathreadneedle.de