Schneller, besser, einfacher

17.06.2021

Ortwin Spies von der degenia (li. oben), Henning Bohm von der Biometric Underwriting (li. unten), Jörg Schmidt von Care Concept (r. oben) und Carsten Möller von der Deutsche Assekuradeur (r. unten)

finanzwelt: Ich muss mal eine Lanze für die Versicherer brechen. Die sind es ja, die einem das abdecken und sozusagen die Rolle des Rückversicherers spielen. Da gibt es auch scheinbar welche, die einer degenia sehr vertraut haben müssen. Ich glaube nämlich nicht, dass sie innerhalb dieses einen Tages jede Versicherung en détail geprüft haben. Hat man da eine Art Freifahrtschein? Spies: Als wir angefangen haben, war das ja noch (…) eine wilde Zeit. Das ist mit heute aber nicht mehr vergleichbar. Damals stand und fiel es mit dem Vertrauen der handelnden Personen. Dieses Vertrauen war von Anfang an mit unserer damaligen Muttergesellschaft, der Alten Leipziger vorhanden. Am Anfang haben vielleicht ein paar Makler gezittert: ‚Funktioniert das alles?‘ Aber als sich das eingespielt hatte, ist das Vertrauen gewachsen. Das ist heute etwas anders. Wenn sich ein Aktuar das anguckt, werden die Sachen ganz anders beurteilt als damals. Es wird immer schwieriger, den Gesellschaften mit ihren Produkten oder Geschwindigkeit oder Digitalisierung einen Schritt voraus zu sein. Bohm: Ich glaube, dass es immer noch ein Vertrauensgeschäft ist. Deswegen haben wir uns intern vorgenommen, mit unseren Vermittlern bei der baufi BU eine Art hippokratischen Eid zu machen, dass jeder verspricht und es auf Video auch aufnimmt, das Geschäft sauber zu belassen. Es gibt theoretisch immer Lücken, uns unsauberes Geschäft zu bringen. Das ist ganz normal, weil wir auch Innovation in den Markt bringen mit Schnelligkeit. Schnelligkeit bringt Lücken mit. Deswegen ist es, glaube ich, immer noch ein Vertrauensgeschäft. Spies: Das mit dem Video finde ich einen tollen Ansatz. Das habe ich in der Form noch nie gehört. Bohm: Es wird vor dem Richter nichts bringen, aber zwischenmenschlich schon. Möller: Eigentlich schade. Denn normalerweise erwarte ich von jemandem, der Kunden in so schwierigem Umfeld wie dem Versicherungs- oder dem Baufinanzierungsgeschäft berät, und damit ja auch ein Manager eines ganz wesentlichen Komplexes für den Kunden ist, dass er ethisch korrekt, sauber und fair arbeitet. Erschreckend, dass wir heute solche Mechanismen einsetzen müssen. Leider ein Spiegelbild der Gesellschaft. Aber es ist vonnöten, oder?

finanzwelt: Was auch noch mit hineinspielt: dass man das Ganze möglichst wirtschaftlich korrekt macht. Man ist ja in dem Moment in einer Ausnahmesituation, denn man ist plötzlich Diener zweier Herren. Ansonsten ist der Makler Diener des Kunden und nicht der Gesellschaft. Und plötzlich, als Deckungskonzeptmakler, ist man Diener zweier Herren. Denn man muss ja auch die Wirtschaftlichkeit berücksichtigen und das Kollektiv schützen. Wie schafft man das eigentlich? Spies: Das ist natürlich richtig. Vom Status her sind wir bei der degenia AG offiziell Makler. Und deswegen machen wir keine Schadenregulierung. Das ist der einzige Teil, den der Risikoträger dann übernehmen muss. Mir hat mal ein Vorstand gesagt: ‚Die vornehmste Aufgabe des Risikoträgers ist die Schadenregulierung.‘ Möller: Man muss sich anschauen, mit welcher Motivation oder mit welchem Antrieb ein Assekuradeur oder ein Deckungskonzeptmakler ein Versicherungskonzept entwickelt. Es gibt durchaus den Ansatz, Produkte zu entwickeln, weil es solche Produkte am Markt nicht gibt. Oder die Produkte, die es gibt, aus Sicht des Innovators nicht ausreichend sind. So ist es z. B. im Bereich der Tierhalterhaftpflichtversicherung. Da gab es aus realen Schadensfällen heraus ganz klar die Erkenntnis, dass es erhebliche Lücken im Versicherungsschutz gab. Hier setzten die Deckungskonzeptionäre und Assekuradeure an und schauten, wie sie bessere Produkte auf den Markt bringen. So sind ja fast alle Konzepte entstanden. Die technischen Themen, die Ortwin Spies erwähnt hat, spielen da noch mit rein: schneller, besser, einfacher sein – keep it simple, keep it short.

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