Nicht den Draht zum Kunden verlieren

21.10.2019

Harald Seliger, Jan Wendt, Stefan Hedrich (v.l.n.r.) im Gespräch / Fotos: © finanzwelt

finanzwelt: Wie sehen die neuen Mobilitätskonzepte in Ihrem Haus aus? (Carsharing, Fahrrad, E-Bike etc.) Seliger: Ich würde als Versicherer in Berlin die Filiale schließen, da gibt es nämlich im Endeffekt nix mehr zu tun, dasselbe würde ich auch in Hamburg und Köln tun. Dann bin ich auf dem Land, aufgrund der Immobilienpreise ganz schnell bei der privaten Nutzung, und da würde ich die ganzen Agenturen wieder aufmachen. Wendt: Lübeck ist ja in dem Sinne kein Dorf, aber mit 220.000 Einwohnern auch nicht besonders groß. Klar gibt es E-Scooter, aber eher eingeschränkt. Mein Arbeitsweg würde sich von der Länge genau eignen, denn das sind 3 km. Aber weder bei mir zuhause noch bei blau direkt gibt es die Scooter. In solchen Städten muss es dann auch diejenigen geben, die Spaß haben wollen. Das ist eben das, was in Berlin funktioniert. Ab dem Moment, in dem wir ein bisschen kleiner sind, funktioniert das nicht. Seliger: Ist doch logisch. Professionelle Anbieter machen doch nur da Mobile-Sharing, wo sie Geld verdienen können. Nicht da, wo sie eh aufgrund schwacher Infrastruktur vielleicht eher gebraucht würden. Hedrich: Da muss man differenzieren: Es gibt die großen, die kommerziellen Carsharing-Anbieter in den Ballungszentren, die haben ihre Taktung, die wir nicht absichern wollen. Hier haben wir auch ein Vielfaches des Schadenbedarfes. Der andere große Bereich sind die genossenschaftlich organisierten Carsharer, die den Ursprungsgedanken Umweltschutz und Verringerung der Autodichte leben. Die meisten genossenschaftlichen Carsharing-Anbieter sind bei uns versichert. Das ist ein vernünftiges Miteinander auf Augenhöhe. Auch wegen des ge-nossenschaftlichen Gedankens läuft dieses Geschäft ganz anders. Der Genosse/das Mitglied, der ein Stadtteilauto mietet, der will das sauber und unbeschädigt wieder dort abliefern, wo er es her hat. Dem Touristen ist es egal. Ich glaube, man braucht ein in sich schlüssiges Mobilitätskonzept. Elektroroller, -fahrräder, Straßenbahn, U-Bahn, Carsharing, da braucht man ein intelligentes System. Ich denke, das wird die Zukunft sein, wenn ich eine App habe, in die ich eingebe, wo ich hin will und das Ergebnis zeigt mir dann an, welche Verkehrsträger ich nutzen kann, um am schnellsten, günstigsten oder umweltverträglichsten ans Ziel zu kommen. Seliger: Wenn ich das auf den Makler beziehe, dann gibt es wirklich welche, bei denen ich sage: „Schuster bleib bei deinen Leisten“. Das sind diejenigen, die „Rund um den Kirchturm“ das Privatkundengeschäft machen und es wird welche geben, die sich spezialisieren. Das ist z. B. beim Thema Flottenversicherung so: Da gibt es ein extrem erfolgreiches Start-up in Berlin, das risikogebunden vergleicht. Da kann man mit drei Klicks aus 500 Leasingangeboten das beste rausfinden. Ich würde sagen, da muss auch ein Makler hin. Wendt: Wenn der Makler richtig Kunden gewinnen möchte, dann muss er auch online gehen, das geht nicht anders. Von alleine werden die Kunden nicht zu ihm kommen. Seliger: Was die Versicherer derzeit noch nicht können, ist nach BiPRO-Norm standardisierte Schadensabwicklung anzubieten. Das wächst aber. Das ist, glaube ich, auch nochmal für den Versicherer gegenüber dem Vermittler, also dem Pool, ein Differenzierungsmerkmal. Das hat auch nichts mit dem Endkunden zu tun. Das ist nur Service, mit dem sich der Pool von der Konkurrenz absetzen kann. Ein Pool, der keine Struktur, keine Unterdifferenzierung hat, ist für einen Versicherer ein No-go. (lvs)