Ein Jahr Brexit - und nun?

13.07.2017

Philippe Waechter, Chefvolkswirt von Natixis Asset Management / Foto: © NAM

Fazit

Seit dem Referendum aus dem letzten Juni war innerhalb der britischen Wirtschaft kein Wandel zu beobachten, der die konjunkturelle Entwicklung auf lange Sicht grundlegend verändern könnte. So verfügt Großbritannien nach wie vor über keinen Wettbewerbsvorteil, der Grund zu der Annahme gäbe, dass Großbritannien als „Gewinner“ aus dem Brexit hervorgehen wird.

Gleichzeitig scheinen die Briten mit einer gemäßigten Haltung seitens der EU zu rechnen, um die negativen Folgen des Brexit, die ihnen allmählich bewusst werden, einzudämmen. Wir können uns eine solche Vorgehensweise seitens der EU aber nicht vorstellen, so dass auch weiterhin von negativen Konsequenzen auszugehen ist, solange die neuen Rahmenbedingungen ausgearbeitet werden. Und das wird Jahre dauern. Schließlich möchte die EU auch keinen Präzedenzfall schaffen und wird deshalb an ihrer unnachgiebigen Haltung zulasten der britischen Wirtschaft festhalten.

Ein „weicher“ Brexit wäre für Großbritannien aber auch keine akzeptable Lösung, weil das Land in diesem Fall die Zuwanderung nicht selbst steuern könnte und sich auch weiterhin den Vorgaben für den Binnenmarkt beugen müsste – ohne Einfluss darauf nehmen zu können. Wie aber stünde es im Falle eines „weichen“ Brexit um die Souveränität Großbritanniens? Sie wäre sogar schwächer als vor dem Referendum, weil London nicht in der Lage wäre, die Rahmenbedingungen sowie die Struktur des Binnenmarktes mitzugestalten. Somit könnten die Briten diese Vorgaben lediglich „umsetzen“. Ein „weicher“ Brexit wäre also eine Art Selbstaufgabe der Briten. Wie aber kann man damit umgehen? Ich weiß es nicht.

Das Referendum war eine wirkliche Schnapsidee, deren positiver Effekt sich darauf beschränkt, dass sie anderen EU-Mitgliedstaaten als Beispiel dafür dient, wie man es auf keinen Fall machen sollte. Aktuelle Presseberichte belegen, dass der Brexit und die Wahl von Donald Trump in den USA die Hauptgründe dafür waren, weshalb populistische Parteien bei den jüngsten Wahlen in Europa so schlecht abgeschnitten haben. Dies galt für die Niederlande ebenso wie für Österreich und Frankreich. Und auch in Deutschland liegt die populistische AfD in den Meinungsumfragen inzwischen wieder bei unter 10%. Dies dürfte das Konstrukt Europa zwar stärken – jedoch auf Kosten Großbritanniens.

Kolumnne von Philippe Waechter, Chefvolkswirt von Natixis Asset Management

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