So können Berater vom Widerrufsjoker profitieren

09.12.2020

Achim Teske, Gründer und Geschäftsführer von Mint & Collegen / Foto: © Mint & Collegen

Der Europäische Gerichtshof EuGH hat bereits in 2013 entschieden, dass die Widerrufsbelehrungen in vielen Lebensversicherungsverträgen gegen die europäischen Richtlinien verstoßen und somit ein unendliches Widerrufsrecht gilt. Die Versicherer müssen in diesen Fällen die eingezahlten Beiträge zurückerstatten und Zinsen und Zinseszinsen auf diese Beiträge zahlen. Finanzberater, Versicherungsvermittler und Vermögensverwalter können ihren Kunden hohe finanzielle Vorteile verschaffen, indem sie renditeschwache Verträge identifizieren und ihre Kunden auf die Möglichkeit der Rückabwicklung aufmerksam machen.

Viele Jahre lang waren Lebensversicherungen eine sichere Bank für Finanzberater, Versicherungsvermittler und Sparer. Zuletzt bestanden 87,1 Millionen Verträge bei Lebensversicherungsunternehmen, Pensionskassen und Pensionsfonds, von denen über 50 Prozent auf Rentenversicherungen entfallen (rund 44 Millionen Verträge) und die immer noch erheblich bespart werden: Die Beitragseinnahmen der Anbieter stiegen im Jahr 2019 auf 103 Milliarden an (plus 11,5 Prozent). Dazu haben vor allem die Einmalbeiträge mit 38 Milliarden Euro beigetragen (plus 36,9 Prozent) – der höchste Wert, der laut dem Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) bislang gemessen werden konnte.

Und trotzdem wird der Blick auf Kapitallebens- und Rentenversicherungen immer kritischer, und das aus gutem Grund. Der Garantiezins, den die Lebensversicherer in Deutschland ihren Kunden beim Abschluss eines Neuvertrages gewähren, liegt aktuell bei 0,9 Prozent. Seit dem Jahr 2000, als er bei 3,25 Prozent lag, wurde der Garantiezins regelmäßig gesenkt. Zugleich hat die Allianz als erste Versicherung angekündigt, die 100-prozentige Beitragsgarantie für Neuverträge zugunsten höherer Renditechancen zu streichen; andere Gesellschaften werden ziemlich sicher nachziehen. Hingegen gehen bei Bestandsverträgen die Renditen von Lebensversicherungsverträgen aufgrund der Niedrigzinsproblematik in den Keller. Und zugleich ist die Belastung durch Gebühren bei vielen Kapitallebens- und Rentenversicherungspolicen so hoch, dass Versicherungsnehmer bestenfalls auf ein Nullgeschäft hoffen können, wenn überhaupt. Das bedeutet: Vielen Kunden droht jetzt ein böses Erwachen, denn die tatsächlichen Renditen von Lebens- und Rentenversicherungen sind meist deutlich niedriger, als den Kunden bei Vertragsschluss suggeriert wurde. Experten schätzen, dass bis zu 80 Prozent aller Versicherungskunden Geld mit ihren klassischen Lebensversicherungen verlieren, wenn die Inflationsrate berücksichtigt wird.

Gefestigte Rechtsprechung

Doch was können Anleger in diesem Fall tun? Eine Kündigung ist in der Regel die schlechteste Option: In diesem Fall werden unter anderem Abschluss- und Verwaltungskosten einbehalten, sodass nur ein Teil der eingezahlten Beträge bei Kündigung an den Kunden zurückfließen. Viele Sparer erhalten nach manchmal jahrzehntelangen Beitragszahlungen nicht einmal ihr eingezahltes Kapital zurück, geschweige denn auch nur ein kleines Plus. Währenddessen hat die Inflation die Kaufkraft der Ersparnisse deutlich reduziert. Der Kunde hat real viel weniger Geld in der Tasche.

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