Plattformen und KI als Gamechanger?

22.11.2024

Prof. Dr. Gottfried Koch, Institut für Informatik Universität Leipzig / Foto: © Institut für Informatik Universität Leipzig

Das LLM soll die Vollständigkeit aller Informationen, welche zur Risikobeschreibung, Risikobewertung sowie aller zur Beschreibung des Leistungsfalles notwendig sind, sicherstellen, um eine widerspruchsfreie Verhandlung und vertragliche Einigung zwischen RG und RN zu ermöglichen. LLMs sind nicht in der Lage, Schadeneintrittswahrscheinlichkeiten zu kalkulieren. Sie können jedoch auf umfangreiches Zahlenmaterial, wie z. B. Datenbanken von Drittanbietern verweisen, um den Dialog zwischen RN und RG auf ein faktenbasiertes Niveau zu stellen.

Risikobeschreibungen sind frei formulierbar. Durch diese offene Form der Risikodefinition sowie durch die Möglichkeit, diese über private Vereinbarungen zu übernehmen, entsteht vermutlich eine Erweiterung des Marktes in einem Umfang, welcher sich heute nicht abschätzen lässt und wo die Grenzen derzeit in der Fantasie zu liegen scheinen. Die verwendeten Technologien unterstützen diese Vision, denn DP und LLM sind theoretisch beliebig skalierbar.

Die Vermutung liegt nahe, dass sich durch die individuelle Kommunikation zwischen RG und RN, in Zukunft völlig neue, sehr kreative Formen der Risikotransformation, entwickeln dürften; beispielsweise in einer von Handwerkern angebotenen Form des Naturalersatzes. Darüber hinaus gestattet die Plattform auch einen Vertrieb mit anderen Finanz- und Versicherungsprodukten wie z. B. die Vergabe von Krediten oder Kauf- und Verkauf von „gebrauchten“ Lebensversicherungen. Klassische Versicherer oder klassische Finanzdienstleister können sich am Plattformtransfer ebenso beteiligen wie andere juristische und natürliche Personen. VU können sich darüber hinaus auch als Betreiber von Plattformen etablieren. Ebenso können VU als Risikogeber auftreten, um so die Instrumente ihrer Risikopolitik zu erweitern.

Wie könnte ein neuartiges Prozessmodell aussehen?

Über die Plattform werden individuelle Risikobeschreibungen durch einen RG angeboten, potenziell interessierten RN sichtbar gemacht und die Übernahme der Risiken unter Verrechnung einer entsprechenden Gebühr (Prämie) ermöglicht. Sollte auf direktem Wege kein RN gefunden werden, kann das Risiko in einen auf der Plattform agierenden Risikopool transferiert werden. Der Risikopool macht dem RG ein Angebot oder tritt mit ihm in Kontakt, um die Bedingungen einer Risikoübernahme zu verhandeln. Kommt keine Vereinbarung zustande, besteht keine Möglichkeit zur Abgabe dieses speziellen Risikos.

Im Risikopool werden Risiken verwaltet, welche nicht direkt zwischen einem RG und einem RN transferiert werden konnten. Im Pool muss das sogenannte Risk-Pooling, das Gesetz der großen Zahl, zum Tragen kommen können. Es braucht also eine ausreichende Zahl von heterogenen Risiken, welche sich im Kollektiv ausgleichen können. Am Anfang ist dies nicht der Fall. Eine Lösungsmöglichkeit hierfür böte eine Anbindung an einen konventionellen Versicherer oder vielleicht an einen Wettanbieter.

Im Risikopool ergibt sich das versicherungstechnische Risiko. Das versicherungstechnische Risiko beschreibt die beim Risikotransfer inhärente Schwankungsmöglichkeit, weil sich zwischen der im Voraus berechneten Risikogebühr und der im Nachhinein real ergebenden Erkenntnis eine Unsicherheit ergibt. Neben diesem Risiko sui generis tritt noch die Erfahrungstarifierung als systeminhärenter Faktor. Die zwischen Risikogeber und dem Risikopool als Risikonehmer vereinbarte Risikogebühr wird aufgrund der vergleichsweise inexakten Erfahrungstarifierung nicht dem theoretischen Erwartungsschaden entsprechen, sondern mit Schwankungen behaftet sein. Dies kann sowohl Gewinn- als auch Verlustpotenziale erzeugen.