Haltung und Rückgrat sind in der Geschäftswelt essenziell
17.10.2024
Katrin Hammerich, Andrea Machost und Torsten Müller, der Vorstand der ÖKOWORLD AG / Foto: © finanzwelt / Sabrina Henkel
finanzwelt: ESG zeichnet sich mittlerweile durch ein komplexes Regelwerk aus. Mitunter hat der Laie den Eindruck, es wird permanent schwieriger. Ein Wust an Vorschriften. Dient das eigentlich noch der Sache?
Katrin Hammerich» Natürlich stellen Anzahl als auch Qualität der gesetzlichen Vorgaben zur Nachhaltigkeit von Geldanlagen für viele Anbieter von Fonds oder auch Berater immense Herausforderungen dar. Manchmal könnte man den Eindruck haben, Schnelligkeit geht vor Stringenz. Deshalb ist es wichtig, dass wir auch die Aspekte Transparenz und Verständlichkeit im Blick haben. Beachten sollten wir auch, dass Nachhaltigkeit vor allem ein Prozess des stetigen, dynamischen Lernens ist. Stillstand können wir uns nicht leisten.
finanzwelt: Können Sie die Kritiken an dieser Stelle verstehen?
Hammerich» Absolut. Die kritischen Stimmen nehmen ja keinen Anstoß an der generellen Zielrichtung der regulatorischen Maßnahmen, sondern vielmehr der praktischen Art und Weise ihrer Umsetzung. Das finde ich schon legitim. Im Übrigen ist es immer sinnvoll und gängige Praxis, Regelungen nach einer gewissen Zeit auf ihre Praktikabilität und Effizienz zu überprüfen.
finanzwelt: In diesem Zusammenhang taucht immer wieder die Frage nach der Nutzung von ESG-Daten auf. Wie wichtig sind diese?
Hammerich» Gute Entscheidungen brauchen eine fundierte Informationsgrundlage. Dies trifft gerade auch auf ESG-Themen zu. Nur eine valide Datengrundlage ermöglicht es, das Handeln zukunftsfähig auszurichten, bis zur langfristigen strategischen Planung. Denn Unternehmen werden heute nicht mehr nur nach der Anlagerendite beurteilt. Wir haben bereits in der Vergangenheit eine sehr gute Datenbank aufgebaut. Gleichwohl sind die Kollegen im Research dahingehend angehalten, auch zugekauftes Datenmaterial kritisch zu hinterfragen.
finanzwelt: Auch die Label Artikel 8 und 9 werden kritisch beäugt.
Hammerich» Grundsätzlich geht es darum, Transparenz zu schaffen in puncto Nachhaltigkeitswirkungen. Kritik wurde laut, dass die bestehenden Regeln nicht praktikabel sind, die Gefahr von Greenwashing hoch. Um diesem Risiko entgegenzuwirken, hat die ESMA im Frühsommer ihre Leitlinien aktualisiert, die darauf abzielen, irreführende Angaben zur Nachhaltigkeit zu verringern. Fondsnamen müssen fair und klar sein.
finanzwelt: Im grünen Dickicht die Orientierung zu behalten, ist extrem wichtig. Resignation ist keine Option. Man muss aber eine optimistische Grundeinstellung mitbringen, oder?
Hammerich» Absolut. Regeln/Standards geben idealerweise Orientierung und erleichtern die Entscheidungsfindung. Wer dann aus Pflichten Chancen macht, ist auf dem richtigen Weg. Beispielsweise durch die Integration von ESG-Daten in das Risikomanagement, um das Unternehmen verantwortungsvoll durch Krisen zu navigieren.
finanzwelt: Bleiben wir für einen Augenblick bei Ihrer Grundeinstellung. Was macht Sie als Person aus? Wie würde man Sie treffend beschreiben?
Hammerich» Nahestehende Menschen würden mich wahrscheinlich als sehr empathischen Menschen skizzieren. Die Fähigkeit, sich in andere Menschen einzufühlen, ist nach meiner Meinung auch mitentscheidend, um erfolgreiche Beziehungen zu Kollegen oder Kunden aufzubauen. Harmoniebedürftig trifft außerdem zu, wenn auch nicht um jeden Preis.
finanzwelt: Wie waren Ihre ersten Berührungspunkte zum Thema Nachhaltigkeit?
Hammerich» Ich bin ein sehr naturverbundener Mensch und verbringe gerne viel Zeit draußen. Mir war schon immer sehr wichtig, dass wir das, was zur Natur gehört, achten und erhalten. Mit meinem beruflichen Wechsel zum ÖKOWORLD-Vorgänger Versiko habe ich mein Bewusstsein für Nachhaltigkeit weiter geschärft und die Vielfalt der Handlungsmöglichkeiten in diesem Bereich für mich entdeckt.
finanzwelt: Begriffe wie Empathie, Achtsamkeit und gegenseitige Wertschätzung klingen gut. Was bringt Sie als Menschen denn auf die „Palme“?
Hammerich» Gedankenlosigkeit ist sicherlich ein Punkt, der mich gelegentlich aufreibt und wütend machen kann. Menschen handeln und verhalten sich, ohne weitere Gedanken zu verschwenden und überschreiten dann gegebenenfalls Grenzen. Das muss nicht sein.
finanzwelt: Wo finden Sie Entspannung?
Hammerich» Kunst und Kultur ergänzen meinen beruflichen Alltag auf ideale Weise. Kulturelle Bildung eröffnet neue Welten, sie bietet mir die Möglichkeit der Auseinandersetzung mit mir selbst und mit der Kunst. Kulturelle Bildung schafft individuelle Kreativität. Das ist mir wichtig, auch im Ehrenamt. Zudem habe ich vor einigen Jahren meine Leidenschaft für das Ballett wiederentdeckt. (ah)