"Corona ist ein Brandbeschleuniger"

25.05.2021

Christian Vogrincic, Gründer und CEO der CV Real Estate AG / Foto: © CV

Immobilien werden immer gebraucht. Aber welche genau, hängt von den aktuellen Rahmenbedingungen ab. Welche Arten von Immobilien die Zukunft gehört und warum eher andere Faktoren als Corona dabei eine Rolle spielen, darüber sprachen wir mit Christian Vogrincic, Gründer und CEO der CV Real Estate AG. 

finanzwelt: Im Frühjahr vergangenen Jahres haben Sie prognostiziert, dass Corona für den Immobilienmarkt keine Disruption darstellen würde, weil sich viele menschliche Verhaltensweisen nicht ändern würden und der persönliche Kontakt nach wie vor wichtig sei. Jetzt beschäftigt uns Corona aber schon deutlich länger, als man es vielleicht vor einem Jahr vorhersagen haben konnte bzw. vielleicht auch wahrnehmen wollte. Entsprechend ist unser Verhalten deutlich stärker durch die Pandemie geprägt. Wie würden Sie vor diesem Hintergrund die Zukunft des Immobilienmarktes bewerten? Christian Vogrincic: Corona begleitet uns jetzt ohne Frage schon länger als man das damals hätte vermuten können. Dennoch würde ich weiterhin nicht von einer Disruption für den Immobilienmarkt als Ganzes sprechen – gewiss gab es in bestimmten Assetklassen spürbare Einschnitte, jedoch erkennen wir hier mittlerweile größtenteils eine klare „Erholung“. Das Hotel zum Beispiel, das heute noch stark unter den Folgen der Pandemie leidet, wird in Zukunft mit Sicherheit wieder an Aufschwung gewinnen, genauso wie auch Office-Immobilien. Wir merken, dass sich die Menschen nach anfänglicher Begeisterung für das Home-Office mittlerweile wieder mehr persönlichen Kontakt wünschen und mit neuen Anforderungen im Gepäck zurück ins Büro drängen. So wird der Flächenbedarf pro Arbeitsplatz im Vergleich zu den vergangenen Jahren steigen, auch Themen wie Raumaufteilung oder Luftfilterung werden neu gedacht werden müssen. Solche Veränderungen lassen sich zugleich in unseren Innenstädten beobachten: Der aktuelle Logistikimmobilien-Boom – eine direkte Folge des während Corona nochmals befeuerten Trends zum Online-Handel – ist ein Anzeichen dafür, dass der stationäre Einzelhandel jetzt noch schneller verschwinden wird als das vor der Krise schon der Fall war. Hinzu kommt, dass wir einen eindeutigen Trend hin zu autorfreien Zentren erleben. Wir stehen hier also vor vielen spannenden Herausforderungen: Wie füllen wir die entstandenen Lücken in unseren Innenstädten? Wie lässt sich der Wunsch nach autofreien Innenstädten mit dem während Corona wieder zunehmenden Individualverkehr vereinen? Corona war und ist für den Immobilienmarkt in vielen Fällen also primär ein Brandbeschleuniger, der laufende Entwicklungen enorm vorantreibt und dafür gesorgt hat, dass wir in vielen Fällen schon jetzt umdenken müssen, anstatt erst in einigen Jahren.

finanzwelt: Ein Thema, das die Welt schon sehr lange beschäftigt, ist der Klimawandel. Gerade eine Mobilitätswende spielt für dessen Bewältigung eine wichtige Rolle. Welchen Einfluss hat diese auf den Immobilienmarkt der Zukunft? Vogrincic: Die Zukunft gehört der elektrischen Mobilität – und das ist natürlich auch für die Projektentwicklung ein zentrales Thema. Wir werden eine Fortbewegung auf drei Ebenen erleben: unterirdisch, oberirdisch und in der Luft. Landeplätze für Flugtaxis in Quartieren, Gondel-Haltestellen in der Innenstadt – all das ist gar nicht mehr so abwegig, wie man das vor ein paar Jahren noch dargestellt hatte. Daher ist es enorm wichtig, dass wir diese Themen als zentralen Bestandteil bei der Entwicklung neuer, zukunftsweisender Quartiere verstehen. Wir sehen es aktuell beispielsweise am nachträglichen, weiterhin nur langsam voranschreitenden Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektroautos. Um unsere Städte wirklich zukunftsfit aufzustellen, müssen solche Konzepte bei der Planung von Projekten fortan von Anfang an berücksichtigt und integriert werden.

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