110 %-Finanzierung: Heute noch eine sinnvolle Lösung?
16.01.2020
Immobilien komplett ohne Eigenmittel finanzieren – angesichts der hohen Immobilienpreise ein gewagter Schritt. Bildquelle: @ Francesca Tosolini / Unsplash.com
a) Der Fall mit Eigenkapital
In diesem Szenario geht es um eine Immobilie, die einen Kaufpreis von 300.000 Euro aufweist. Zusätzlich kommen noch einmal 30.000 Euro an Kaufnebenkosten wie Grunderwerbsteuer, Notargebühren und Grundbuchkosten hinzu. Der Kreditnehmer kann hier jedoch 70.000 Euro Eigenkapital (etwas mehr als 20 %) bereitstellen. Somit muss eine Baufinanzierung über 260.000 Euro aufgenommen werden. Daraus ergeben sich nach 10 Jahren Zinsbindung mit einem Sollzins von 1,23 % und einer anfänglichen Tilgung von 2 % folgende Werte:
- Monatsrate: 699,83 Euro
- Restschuld: 696 Euro
- Zinskosten: 676 Euro
b) Der Fall ohne Eigenkapital
Dieses Szenario geht von der gleichen Immobilie aus, jedoch müssen diesmal 330.000 Euro als Darlehen aufgenommen werden. Nach 10 Jahren Zinsbindung ergeben sich bei sonst gleichen Bedingungen die folgenden Werte:
- Monatsrate: 888,25 Euro
- Restschuld: 807 Euro
- Zinskosten: 397 Euro
Hierbei handelt es sich lediglich um ein redaktionell recherchiertes Rechenbeispiel, dass kein Angebot im Sinne der Verbraucherkreditrichtlinie darstellt.
An dieser Rechnung zeigt sich sehr eindeutig, dass eine 110 %-Finanzierung in allen Belangen eine Zusatzbelastung bedeutet. So wurde nach 10 Jahren nur ein Bruchteil der Restschuld getilgt, obwohl eine höhere Rate und deutlich höhere Zinskosten fällig waren.
Aus dieser Beobachtung ergeben sich zudem weitere Risiken:
1. Schuldenfreiheit erst im Rentenalter
Im schlimmsten Fall ergeben sich bei solchen Finanzierungen Konstellationen, bei denen selbst relativ junge Haushalte bis zum Rentenalter das eigene Haus abbezahlen. Das stellt eine dauerhafte finanzielle Belastung während des gesamten Erwerbslebens dar.
2. Schuldenberg trotz Zwangsversteigerung
Ein weiteres großes Risiko besteht darin, dass das gesamte Gebilde sehr fragil ist. Sollte die Immobilie an Wert verlieren oder sich an der hervorragenden Einkommenssituation der Kreditnehmer etwas ändern, kommt es schnell zu Problemen. Zudem kann es passieren, dass die Immobilie zwangsversteigert wird, aber der Erlös trotzdem nicht ausreicht, um die Schulden bei der Bank komplett zu begleichen. Die Folge wäre ein Schuldenberg, der sich dann nur noch schwer abtragen lässt.
3. Zinskosten erhöhen sich oft noch deutlicher
Die obige Beispielsrechnung ging davon aus, dass in beiden Fällen der gleiche Zinssatz angeboten wird. Normalerweise ist es jedoch so, dass eine 110%-Finanzierung für die Bank ein höheres Ausfallrisiko mit sich bringt. Demnach fällt natürlich auch der angebotene Zinssatz häufig höher aus. Die Differenz bei den Zinskosten würde sich so über die Zeit gerechnet noch einmal erhöhen.
Hohe Immobilienpreise erhöhen Risiken einer 110 %-Finanzierung
Die große Nachfrage der letzten Jahre nach Immobilien hat zwangsläufig dazu geführt, dass die Immobilienpreise fast überall deutlich angestiegen sind. Dies wiederum erhöht die Probleme, die bei einer 110%-Finanzierung potenziell entstehen können. Gerade die langen Laufzeiten in Verbindung mit hohen kreditsummen summieren die Zinskosten erheblich, was das finanzielle Risiko letztlich umso größer ausfallen lässt.
Warum gerade jetzt eine 110 %-Finanzierung schwierig ist, lesen Sie auf Seite 3