Versicherer profitieren vom autonomen Fahren

13.06.2017

Carsten Roemheld, Kapitalmarktstratege bei Fidelity International / Foto: © Fidelity

Mit autonom gelenkten Fahrzeugen werden klassische Kfz-Versicherungen auf lange Sicht überflüssig. Der Mensch als wichtigste Ursache von Unfällen fällt weg. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Fidelity rechnet damit, dass Kfz-Versicherungen für Anbieter mittelfristig zunächst sogar profitabler werden. Langfristig werden Versicherungen ihre Geschäftsmodelle jedoch grundlegend überdenken müssen.

„Autonome Autos beherrschen den Straßenverkehr der Zukunft. Wir werden uns daran gewöhnen, dass der Automatisierungsgrad Schritt für Schritt zunimmt, bis der Computer das Auto am Ende eigenständig steuert. Der Mensch fällt damit als Unfallverursacher weg. Diese Entwicklung verändert das Geschäftsmodell der Kfz-Versicherungen tiefgreifend“, so Carsten Roemheld, Kapitalmarktstratege bei Fidelity International.

Im Zuge verbesserter Sicherheitssysteme wird die Zahl der Unfälle durch unachtsames Fahren in den kommenden Jahren zurückgehen. Dafür steigt die Schadenssumme je Unfall. Der Grund: Moderne Sicherheitssysteme sind teuer und entsprechend hoch sind die Reparaturkosten. Eine bessere Sicherheitstechnik bewirkt zudem, dass Unfallopfer glücklicherweise häufiger überleben. Versicherungen müssen allerdings mehr für Behandlungen und Rechtsstreitigkeiten, auch gegenüber Herstellern, einkalkulieren.

Die Ausgaben der Versicherungen steigen bis 2035

Diese Kombination aus weniger Unfällen, aber höheren Kosten pro Unfall wird die Profitmargen der Autoversicherer zunächst belasten. Nach einer Prognose von Fidelity werden die Kosten für Schäden 2035 ihren Höhepunkt erreichen. Danach ebbt dieser Effekt jedoch ab, weil die Zahl der Unfälle durch die bessere Sicherheitstechnik so stark sinkt, dass sich die Kosten für Schäden insgesamt verringern und Sicherheitssysteme bis dahin außerdem günstiger zu reparieren sind.

„Wir rechnen in dieser Phase sogar mit steigenden Profiten der Kfz-Versicherer. Denn sie reagieren auf höhere Aufwendungen mit steigenden Prämien. Weil sich diese an den Kosten in der Vergangenheit orientieren, bleiben sie hoch“, sagt Carsten Roemheld.

In Märkten, in denen der Vertrieb von Versicherungen vor allem über Makler erfolgt, können Versicherungen hohe Profitraten länger aufrechterhalten. Dazu zählt auch Deutschland. Hier dominieren ähnlich wie in der Slowakei, Italien, Türkei und Slowenien die Makler das Versicherungsgeschäft. Damit herrscht weniger Wettbewerb als in Ländern wie Großbritannien und den Benelux-Staaten, wo der Kfz-Versicherungsmarkt durch den Direktvertrieb dominiert wird.

2035 läutet das Ende der klassischen Kfz-Versicherung ein

Nach Untersuchungen von Fidelity wird der Markt für Kfz-Versicherungen nach 2035 allmählich schrumpfen. Die Umsätze geben nach. Das ist zunächst vor allem ein Problem für kleinere Versicherer, die ihre Fixkosten dann nicht mehr decken können und als erste aus dem Markt ausscheiden – zugunsten großer Anbieter. Für Fidelity steht fest: Das Kfz-Versicherungsgeschäft wird sich ändern, aber nicht überflüssig werden. Denn auch das autonome Fahren birgt Risiken. Nur ist es dann weniger der Mensch, der Unfälle verursacht, sondern die Technik. Die Hersteller werden mehr Verantwortung für Unfälle übernehmen müssen und beispielsweise für Sensor-Fehler oder Software-Pannen haften. Einige Anbieter haben schon begonnen, Garantien für ihre autonomen Fahrzeuge abzugeben. Versicherer könnten sich hier ein neues Geschäftsmodell erschließen, indem sie entsprechenden Versicherungsschutz anbieten. Wenn Automobilhersteller ihre Produkthaftung auf Versicherungen übertragen, werden sie nach unserer Einschätzung Anbieter bevorzugen, die weltweit präsent sind.

Ein lukratives Geschäftsfeld sind auch Policen, die vor Cyberangriffen schützen. Denn ein autonomes Fahrzeug, das mit anderen Autos und der Umwelt kommuniziert, kann immer Opfer von Hackern werden. Allerdings tun sich die Versicherer derzeit noch schwer, Risiken und mögliche Schäden einzupreisen.

Autonome Fahrzeuge verändern die Geschäftsmodelle der Versicherungen. Doch Fidelity-Analysen zeigen, dass innovative Versicherungen den Wandel am besten bewältigen.

„Nur wer Ideen für passende Dienstleistungen entwickelt, kann sich im Wettbewerb behaupten. Das autonome Fahren schafft in jedem Fall kreative Investmentchancen auf dem Versicherungsmarkt. Das sollten Anleger in den kommenden Jahren im Blick behalten“, argumentiert Carsten Roemheld.

Kolumne von: Carsten Roemheld, Kapitalmarktstratege bei Fidelity International