Keine Ansichtssache

11.05.2016

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Die Krankheit ist gegeben. Aber schon die Einschränkung durch diese Krankheit hängt ganz stark vom Beruf ab. Jetzt muss der Leistungsprüfer nur einen Beruf finden, in dem die Krankheit oder das Gebrechen mich nicht derart einschränken würde, dass ich keine drei Stunden mehr arbeiten könnte. Habe ich das dem Kunden erklärt, wird es schwer, die EU in ein positives Licht zu rücken. Doch tatsächlich liegt die Schnittmenge zur BU je nach ausgeübtem Beruf zwischen 50 und 70 %. Und das lässt sich, auch ohne große Statistiken zu bemühen, logisch und verständlich erklären. Der größte Vorteil der EU besteht darin, dass es für die Leistungspflicht des Versicherers, von den Ausschlüssen mal abgesehen, völlig unerheblich ist, wie die Erwerbsunfähigkeit zustande kam. Somit sind psychische Erkrankungen mitversichert. Und diese führen regelmäßig zur vollständigen Erwerbsunfähigkeit. Man müsste schon eine Psychose entwickeln, die sich ganz stark auf den Beruf bezieht, um hier „nur“ berufsunfähig zu werden. Da hier immer wieder Statistiken aufgeführt werden, dass zwischen 30 und 40 % der Leistungsfälle in der Berufsunfähigkeitsversicherung auf psychische Erkrankungen zurückzuführen sind, lassen sich 30 bis 40 % der Schnittmenge schon mal so erklären. Die zweitgrößte Ursache für Berufsunfähigkeit sind Einschränkungen des Bewegungsapparates. Hier dürfte die Schnittmenge recht gering sein. Bei Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Unfällen ist allerdings wieder anzunehmen, dass die Schnittmenge durchaus ausreicht, um insgesamt die genannten 50 bis 70 % Schnittmenge zu erreichen. Denn für gewöhnlich verschlechtern sich solche Erkrankungen und auch Unfallfolgen viel zu oft, so dass zumindest nach einer gewissen Zeit auch mit dem Vorliegen einer Erwerbsunfähigkeit zu rechnen ist.

Die verschiedenen Leistungsauslöser.

Da die Beitragsersparnis im Vergleich zur BU in vielen Fällen auch deutlich höher ist als die Einschränkung der Leistungsfähigkeit von 50 %, ist die EU in den allermeisten Fällen das sinnvollste Ausweichprodukt zur BU. Schon das „nächstsinnvolle“ Produkt ist mit der BU nicht mehr zu vergleichen. Die Grundfähigkeitsversicherung hat keinen Bezug zur Arbeitskraft. Die Leistungsauslöser beziehen sich immer auf den Verlust eines Sinnes oder einer Fähigkeit und sind umfangreich in den Bedingungen definiert. Erlernte Fertigkeiten spielen ebenso wenig eine Rolle wie psychische Erkrankungen. Es gibt derzeit keine 10 Anbieter am Markt. Allerdings nennen diese bereits 18 verschiedene Leistungsauslöser, die wiederum jeder für sich definiert. Die Qualität der einzelnen Definitionen lässt sich durchaus vergleichen, da sich immer ein Mittel aller Anbieter erkennen lässt und fast bei jeder Grundfähigkeit ein Anbieter positiv von den Wettbewerbern abweicht. Vergleicht man in einer Tabelle jeden einzelnen Leistungsauslöser, lässt sich feststellen, dass einige Versicherer auch zwei oder drei Mal die beste Definition in ihren Bedingungen stehen haben.

Woher will der Kunde oder Vermittler wissen, welche Grundfähigkeit mal verloren wird?

An dieser Stelle kommt dann doch der Beruf des Versicherten ins Spiel, weshalb vielleicht der Eindruck entstehen mag, hier ginge es um die Absicherung der Arbeitskraft. Denn für einen Fliesenleger wird wahrscheinlich die Grundfähigkeit „Knien und Bücken“ wichtiger sein als der Gebrauch der Arme, der für gewöhnlich so definiert ist, dass man außerstande ist, auf Brusthöhe und darüber zu arbeiten. Grundsätzlich dient die Rente aus der Grundfähigkeitsversicherung aber eher dazu, den Verlust der Grundfähigkeit auch im Alltag zu kompensieren als einen Einkommensausfall zu ersetzen. Die Schnittmenge zur BU ist hier je nach Beruf mal mehr und mal weniger, aber insgesamt wohl eher gering. Dread Disease-Police: Die Absicherung schwerer Krankheiten über eine Dread Disease-Police hat noch weniger mit der Berufsunfähigkeitsversicherung zu tun. Sie hat weniger eine Schnittmenge zur BU als ergänzenden Charakter. Da die schweren Krankheiten in der Definition der AVBs der einzelnen Anbieter eher von finalem Charakter sind oder ein Überleben zumindest stark von der Konstitution des Erkrankten und dem Geschick der Ärzte abhängt, ist hier sicherlich häufig das Erreichen des Prognosezeitraums von sechs Monaten in der BU das Hindernis. Entweder ich werde vorher wieder gesund oder ich überlebe es nicht. Sicherlich lassen sich auch genügend Beispiele finden, in denen beide Versicherungen leisten würden, aber dem Prinzip nach ist es so wie bereits geschildert. Anbieter von Dread Disease-Policen gibt es in etwa gleich viele wie bei der Grundfähigkeitsversicherung und es sind auch in etwa die gleichen Anbieter. Allerdings geht hier das Marketing anscheinend stark über die Anzahl der leistungsauslösenden Krankheiten, weshalb sich in den Bedingungen aller Anbieter rund 70 verschiedene Auslöser finden lassen. Der Vergleich hier ist schon deshalb unübersichtlicher. Hinzu kommt, dass der normale Vermittler nicht in der Lage ist, die Schweregrade der einzelnen Definitionen zu vergleichen. In Einzelfällen lässt sich durchaus erkennen, welche Formulierung ungünstiger ist. Aber es ist doch verwirrend, wenn ein Anbieter Motoneuronerkrankungen und zusätzlich noch einige Formen der Lateralsklerose und Kinderlähmung aufzählt, die strenggenommen unter die Motoneuronerkrankungen fallen würden. Um das zu bewerten oder auch nur irgendwie fachmännisch zu kommentieren, reicht das medizinische Wissen hier nicht aus. Aber es ist wenigstens merkwürdig und hinterlässt einen faden Beigeschmack. Was der Vermittler vergleichen kann, ist der Überlebenszeitraum, der zwischen 14 und 28 Tagen schwankt. Außerdem sollte geprüft werden, ob der Eintritt der Krankheit oder die Diagnose als Versicherungsfall gewertet wird. Da in dieser Versicherung mit Wartezeiten gearbeitet wird, kann der Versicherungsschutz durchaus in Gefahr geraten, wenn der Arzt feststellt, dass der Krebs schon viel länger besteht und schon früher hätte bemerkt werden können. Unterm Strich erinnert die Dread Disease nicht nur wegen der Leistung als Einmalzahlung eher an eine Art Risikolebensversicherung, die eben einfach ein bisschen früher leistet. Auch das Anwendungsgebiet ist eher bei der Absicherung der Familie, einer Immobilie oder unter Geschäftsführern geeignet und nicht zur Absicherung der Arbeitskraft.