Italien kann zu einer Gefahr für Europa werden

06.06.2018

Dr. Thomas Heidel, Leitung Research Fidal AG / Foto: © Fidal AG

Auch bei der Wirtschaftsentwicklung präsentiert sich Italien schwach. In der Grafik erkennt man, dass sich in der Eurozone die Wirtschaftsleistung in Deutschland und in Frankreich schon 2011 auf das Niveau von vor der Finanzkrise 2008 erholt hatte, während Italien als drittgrößtes Wirtschaftsland der Eurozone und weltweit achtgrößte Volkswirtschaft 2017 noch deutlich unter dem Vorkrisenniveau lag.

Entwicklung der Wirtschaftsleistung in der Eurozone seit 2008 (indexiert)

Quelle: Bloomberg, 29.5.2018

Reaktion der EU

Am Anfang wird die EU-Kommission noch versuchen, die künftige Regierung Italiens zur Beibehaltung der Stabilitätskriterien zu ermahnen. Unklug sind laut einer Beurteilung des EU-Kommissionspräsidenten Juncker Äußerungen des EU-Haushaltskommissars Günther Oettinger, der in einem Interview Hoffnungen aussprach, dass negative Börsenreaktionen den italienischen Wählern nahelegen würden, keine Populisten in die Regierungsverantwortung zu bringen.

Eine wahrscheinlich populistische Führung in Italien, die aus wahlpolitischen Gründen wirtschaftlichen Reformen abgeneigt ist, wird sich dem Diktat der Sparpolitik der Europäischen Union nicht aufgeschlossen zeigen und deswegen ihr Heil lieber in neuer massiver Schuldenpolitik suchen. Doch die EU kann keine wirtschaftlichen oder finanziellen Sanktionen gegen Italien verhängen, da Italien mit einem Austritt aus der EU (und aus dem Euro) drohen wird. Dieses Szenario würde den Super-Gau für die Zukunft eines gemeinschaftlichen Europas bedeuten.

Französische und deutsche Banken sind Hauptleidtragende

In erster Linie wären ausländische Banken, die italienische Schulden von privaten und staatlichen Stellen im Volumen von insgesamt 560 Mrd. Euro halten, von einer italienischen Schuldenkriese betroffen. Laut der Bank für Internationalen Zahlungsbilanzausgleich wären von einer Schuldenkrise in Italien hauptsächlich französische Banken betroffen, deren italienische Forderungen sich Ende 2017 auf 311 Mrd. Euro beliefen.

An zweiter Stelle sind deutsche Banken mit einem Volumen von 91 Mrd. Euro involviert, danach spanische Banken mit 66 Mrd. Euro. Die Commerzbank wies Ende März italienische Staatstitel für 9,4 Mrd. Euro aus. Die DZ Bank hielt Ende 2017 italienische Staatsschulden von sechs Mrd. Euro in ihren Büchern. Die Deutsche Bank hatte Ende März Forderungen gegenüber dem italienischen Staat von rund drei Mrd. Euro, daneben steht bei der größten deutschen Bank über ihr italienisches Filialnetz ein Kreditvolumen von 35 Mrd. Euro aus. Kein Wunder, dass europäische Bankaktien im Mai zu den TOP-Verlierern gehörten.

Reaktion der europäischen Zentralbank

Die EZB, die 17 Prozent der italienischen Staatsschulden in Höhe von 2,3 Billionen Euro hält, hat bereits vor den Folgen der populistischen Koalitionspläne gewarnt. EZB-Chef Draghi hat bisher mit der extrem expansiven Geldpolitik für äußerst niedrige Zinsaufschläge in den Krisenländern gesorgt. Die EZB dürfte Italien nicht helfen, da Italien sich keinem Sparzwang aussetzen will.

Auch der weitere Aufkauf von italienischen Staatsanleihen ist kritisch zu sehen. Ohnehin stellt sich die Situation der italienischen Notenbank innerhalb des Target2-Systems, das heißt in der Zahlungsbilanz zwischen den Euro-Zentralbanken mit grenzüberschreitenden Nettoverbindlichkeiten von 443 Mrd. Euro äußerst prekär dar. Es ist aber davon auszugehen, dass die EZB weiterhin unter anderem mit Niedrigzinsen die europäische „Stabilitäts-/Schuldenunion“ finanzieren wird.

Kolumne von Dr. Thomas Heidel, Leitung Research FIDAL AG in Frankfurt/ Main