Frühjahrsimpulse für Europa

04.05.2017

Philippe Uzan, Chief Investment Officer bei Edmond de Rothschild Asset Management / Foto: © Edmond de Rothschild

Beachtenswert ist auch der deutliche Rückgang der impliziten Volatilität an Europas Aktienmärkten. Wir gehen davon aus, dass insbesondere gebietsfremde Anleger in den nächsten Wochen an die europäischen Aktienmärkte zurückkehren werden. Von diesem Trend sollte vor allem Frankreich profitieren; denn das ist eindeutig der Markt, auf den sich globale Aktienportfolios fokussieren sollten.

Unser optimistisches Szenario für französische Aktien in 2017 basiert auf einer Performance in zwei Stufen:

1. Wir erwarten eine Verringerung des doppelten Kursabschlags an den Aktienmärkten der Eurozone gegenüber den USA und – wenn sich die politischen Risiken verflüchtigt haben – einen Rückgang des französischen Aktienkursabschlags gegenüber der Eurozone. Die Märkte zögern im Moment, weil sie Zweifel haben, ob die Trump-Regierung die versprochenen Reformen tatsächlich durchführen kann. Wir sehen diese Phase als eine echte Gelegenheit für die Eurozone, sich gut zu entwickeln.

2. Dieser Trend muss durch Hinweise darauf untermauert werden, dass der Gewinnzyklus in der Eurozone wirklich robust ist. Zum ersten Mal seit 2010 weist jetzt eine kräftige Erholung von Frühindikatoren für die Eurozone auf einen Anstieg der Unternehmensgewinne hin. Und diese Indikatoren sind in letzter Zeit nach oben revidiert worden, nachdem Unternehmen bei der Vorlage ihrer Quartalsergebnisse die Geschäftsprognosen angehoben haben. Der zweite Punkt ist entscheidend, weil unser Szenario keine Wette auf die Wahlen war, sondern auf der festen Überzeugung beruhte, dass politische Risiken durch die derzeit günstigen makro- und mikroökonomischen Rahmenbedingungen gedämpft werden würden.

Die Performance der Finanzmärkte wird auch davon abhängen, ob in Frankreich tatsächlich Reformen durchgeführt werden wie zum Beispiel:

(i) Privatisierungsmaßnahmen oder Verkäufe staatlicher Beteiligungen, die eine Konsolidierung in Gang bringen könnten. Der Verkauf der staatlichen Beteiligung an dem Mobilfunkbetreiber Orange würde eine Konsolidierung im Telekommunikationssektor einläuten, wofür es im Gegenzug eine Verpflichtung zu Innovation und Investitionen geben müsste. Und ein Abbau der staatlichen Beteiligung an der Gesellschaft, die Pariser Flughäfen betreibt, Aéroports de Paris (ADP), könnte einem „natürlichen" Käufer wie Vinci entgegenkommen.

(ii) eine Senkung der Arbeitskosten (unter Beibehaltung des aktuellen Steuervergünstigungsprogramms „CICE"), was eine gute Nachricht für arbeitsintensive binnenwirtschaftliche Sektoren und damit für Unternehmen wie Veolia, Carrefour, Peugeot und Eiffage wäre.

(iii) eine einfachere Besteuerung von Ersparnissen, die Geldanlagen in risikobehafteten Finanzaktiva auf Kosten von Immobilienanlagen fördern könnte.

Die bedeutendste Maßnahme wäre eine Senkung der Unternehmenssteuern.

Gezielte Aktienauswahl ist wieder gefragt

Dank der geringeren Risikoaversion ging es nach Veröffentlichung der Ergebnisse der ersten Wahlrunde an der Börse kräftig aufwärts. Weiteres Kurspotenzial ist vorhanden. Wir können uns jetzt auf Fundamentaldaten wie die Unternehmensergebnisse konzentrieren, die zuvor durch politische Turbulenzen überschattet wurden. Bemerkenswerterweise haben sich Aktien mit mittlerer Börsenkapitalisierung in den letzten Monaten überdurchschnittlich entwickelt. Dies zeigt, dass ähnlich hohe Gewinne unterschiedlich behandelt werden, wenn sie von Unternehmen erwirtschaftet werden, von denen man annimmt, dass sie von den Wahlen weniger betroffen sein werden. In den letzten Tagen wurden am Markt die Kurse von Finanztiteln, die ein Gradmesser für die Risiken in der Eurozone sind, durchaus folgerichtig in die Höhe getrieben. Die Verbindung zwischen Bankbilanzen und der Staatsverschuldung ist nach wie vor sehr ausgeprägt (auch wenn der Wandel des Bankensektors seit der Staatsschuldenkrise von 2011 die Auswirkungen dieser Verbindung reduziert hat). Denn schließlich würden Finanztitel von jedem Austritt eines Landes aus der Eurozone wegen der Auswirkungen einer Währungsumstellung von Schulden auf Aktiva und Passiva, Liquiditätsrisiken, Kapitalflucht usw. empfindlich getroffen.

Diese Sektorhierarchie spiegelt sich auch in der Performance einzelner Länder wider, wobei Peripherieländer wie Frankreich und Italien die Performance der Kernländer der Eurozone übertreffen werden. Inländische Aktien, die bisher durch Zweifel an dem anhaltenden Wirtschaftsaufschwung zurückgehalten wurden, können sich jetzt frei entfalten. Dies kommt (wieder) Banken, aber auch Bau-, Versorgungs- und Telekommunikationsunternehmen zugute, nicht aber exportorientierten oder Wachstumsaktien, die infolge mehrerer Phasen, in denen es eine Flucht zur Qualität gab, ohnehin schon hohe Bewertungskennzahlen aufwiesen. Kurz gesagt liefern Substanz- und Large-Cap-Aktien sowie Aktien von in Europas Peripherieländern tätigen Unternehmen, die bei der Performance hinterherhinkten, nachdem der Rotation nach Trumps Wahlsieg der Schwung ausgegangen war, jetzt im Allgemeinen eine überdurchschnittliche Performance ab. Ausgenommen von dieser Rückbesinnung auf Substanzwerte sind Öl- und Rohstoffaktien, die aber von Haus aus weniger binnenwirtschaftlich ausgerichtet und eher von Entwicklungen abhängig sind, die mit der OPEC und China zusammenhängen, als mit den politischen Geschehnissen in Frankreich.

Kolumne von Philippe Uzan, Chief Investment Officer bei Edmond de Rothschild Asset Management und Pierre Nebout, Co-Leiter European Equity Management bei Edmond de Rothschild Asset Management