Veränderung als Tagesgeschäft

21.02.2019

Dr. Dieter LedererExecutive-Coach, Redner, Autor und Veränderungsexperte / Foto: © Dr. Dieter Lederer

Der Vertriebschef redet sich in Rage: „Ich kann es nicht mehr hören. FinTechs sind kundennäher, individueller, transparenter und schneller als wir. Deshalb hat unser Vorstand eine Digitaloffensive gestartet: mit einem schicken CRM in der Cloud und der zugehörigen App werden wir so cool die diese Finanz-Startups. Künftig seid ihr immer online mit der Zentrale verbunden, könnt den Kunden aktuellste Informationen liefern sowie auf Knopfdruck evaluieren, entscheiden und abschließen. Brandneue hochattraktive Produkte kriegen wir natürlich auch – damit befreien wir uns vom Staub der letzten Jahrzehnte. Auf geht’s!“ Damit ist die Ansprache an die Niederlassungsleiter beendet und sie sind wieder sich selbst überlassen.

Nur einer spricht aus, was alle denken, und das auch nur im kleinen vertrauten Kreis: „Das ist jetzt schon der dritte Anlauf für mehr Digitalisierung und zukunftsfähige Produkte. Gebracht hat es bisher nichts, außer mehr Arbeit, mehr Kontrolle und bald jeden Tag irgendeine neue Produkt-Verirrung, die keiner braucht. Der versprochene Gewinnschub blieb bisher aus, nur mit Mühe erreichen wir unsere Ziele. “ Die Niederlassungsleiter sind ratlos und grübeln: „Das kann ja heiter werden. Wenn wir schon nicht daran glauben, wie sollen wir dann bloß unsere Mitarbeiter auf Kurs kriegen?“

Veränderung braucht Emotionen

Wie überall ist Digitalisierung auch im Finanzvertrieb schmerzhaft. Mehr Transparenz, mehr Berechenbarkeit, mehr Struktur und Prozesse – und weniger kreative Freiheit. Weil viele diesen Wandel eher fürchten als begrüßen, benötigen Führungskräfte ein Konzept dafür, wie sie sich selbst überzeugen sowie ihre Mitarbeiter gewinnen, und zwar nicht nur für akute Veränderungen, sondern auch für nahezu tägliche Veränderungsbereitschaft. Schonzeiten und Komfortzonen mit viel Routine und hohem Gewöhnungspotenzial sind passé. Flexibilität, Geschwindigkeit und permanente Neuorientierung sind die Zukunft. Die zu überspringende Hürde ist also hoch. Dennoch verlassen sich die meisten Manager, ihre Mitarbeiter schon zur Einsicht und zum Mitziehen zu bewegen, indem sie ihnen genügend Zahlen, Daten und Fakten dafür liefern. Doch es ist ein Trugschluss, darauf zu vertrauen, denn es genügt bei Weitem nicht. Jeder, der schon einmal Gewicht durch mehr Sport und weniger Kalorien verlieren wollte, weiß um das Phänomen: Auch wenn der Kopf noch so überzeigt ist und mit aller rationalen Kraft „ja“ sagt, das Herz jedoch nicht dabei ist, bleibt die Anzeige auf der Waage stur. Nichts ändert sich, trotz bestens verstandener und durchdrungener Trainings- und Diätpläne.

Warum ist das so? Weil der Schlüssel zur Veränderungsmotivation in den Emotionen der Betroffenen liegt. Dafür sorgt unser Gehirn, das mit seiner Programmierung auf Effizienz, Komfort und angstfreier Erhaltung des Gewohnten leicht und schnell in den Verweigerungsmodus schaltet – und zwar immer dann, wenn es keinen Vorteil in der Veränderung erkennt. Glücklicherweise gibt es Mittel, die helfen: Begeisterung, Freude, Vertrauen sind der Dünger für Neues im Gehirn, für die Bereitschaft, sich auf unbekanntes Terrain zu wagen.

Wir kennen das von unseren Hobbys: Im Gegensatz zu Bedenken, Angst und Abwehr von Wandel in vielen beruflichen Situationen, brauchen wir für unsere liebsamen Freizeitbeschäftigungen keine Motivationsspritze, weil wir mit Freude und Begeisterung bei der Sache sind. Für Manager, die Veränderungen bewirken wollen, heißt das, auf der Klaviatur der Emotionen zu spielen, auch wenn die-se ungewohnt ist, denn Fakten bringen zum Denken, Emotionen zum Handeln. Das Diagramm zeigt es: Wer nur die Ratio bedient, erzeugt bestenfalls Disziplin, die sich in Antriebschwäche und „Mit-dem-Strom-schwimmen“ äußert.

Wie Sie für den täglichen Wandel fit werden, erfahren Sie auf Seite 2