Relativer Vorteil

30.06.2020

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Die deutsche Wirtschaft startete vergleichsweise gut ins neue Jahr. Die Rahmendaten waren zwar nicht überschwänglich, aber zu großer Sorge bestand kein Anlass. Mit dem Ausbruch der Corona-Krise sind diese Vorhersagen nur noch Makulatur. Dessen ungeachtet bleiben Investments in deutsche Aktien im Berateralltag fast schon unverzichtbar. Defensive Sektoren und Unternehmen mit einer starken Digitalisierungsstrategie sind dabei auf der Überholspur.

Noch zum Jahreswechsel waren die Aussichten für die deutsche Wirtschaft per se gut. Das Bundeswirtschaftsministerium meldete, dass unserer Ökonomie 2019 das zehnte Jahr in Folge gewachsen war. Die konjunkturelle Dynamik hatte sich, bedingt durch eine teilweise angespannte weltwirtschaftliche Gemengelage, spürbar verlangsamt. Dennoch nahm das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im vergangenen Jahr preisbereinigt um 0,6 % zu. Mittlerweile sind die Vorzeichen anders. Vorbei mit Milliardenüberschuss und einer Arbeitslosenquote, die sich weiter im Sinkflug befand. Die Welt steht wegen der Corona-Pandemie vor der größten Rezession seit einigen Dekaden. Auch für Deutschland und die Eurozone ist der Ausblick des IWF und weiterer führender Forschungsinstitute düster. „Der konjunkturelle Einbruch dürfte für das Gesamtjahr knapp 8 % führen. Wir erwarten aber für das kommende Jahr einen recht kräftigen Aufschwung um knapp 6 %. Das Vorkrisen-Niveau dürften wir also erst 2022 wieder erreichen“, gibt Andreas Strobl, Fondsmanager des Berenberg Aktien-Strategie Deutschland und des Berenberg-1590-Aktien Mittelstand zu bedenken. Ivan Mlinaric, Geschäftsführer des Risikomanagers Quant.Capital Management, stimmt in diesen Tenor ein und ergänzt, dass die Rezession auch alle wichtigen Handelspartner beträfe, was kurzfristig erschwerend hinzukäme. Dennoch sei es von Vorteil, dass die Regierungen in Deutschland, aber auch die der meisten europäischen Partner, in den vergangenen Jahren eine solide Haushaltspolitik betrieben hätten. „Die Staaten haben somit nicht nur den Willen, sondern auch die Möglichkeiten, weitreichende Maßnahmen zur Stützung der Wirtschaft zu ergreifen. Die Chancen auf eine mittelfristige Erholung der deutschen Wirtschaft sind daher ausgesprochen gut“, so Mlinaric.

Dem Blitz-Crash folgte die Erholung

Mittel- bis langfristig wieder gute Aussichten, das sollte die Marktteilnehmer erfreuen. Dies, zumal die Börse tendenziell der Volkswirtschaft vorwegläuft und die Zukunft antizipiert. Ein Blick auf die Verläufe der deutschen Aktienindizes während und unmittelbar nach dem rasanten Abverkauf an den Märkten macht diese Annahme deutlich. Binnen zwei Wochen gab der deutsche Leitindex DAX im März um rund 3.500 Zähler in der Spitze nach. In dieser Heftigkeit ein zuvor nicht bekannter Ausverkauf. Das war schon atemberaubend. Und die danach einsetzende Erholung erwischte wohl einige Investoren völlig auf dem falschen Fuß. Denn bis Mitte Mai hat der DAX rund 2.500 Zähler wieder gutgemacht und hangelt sich an die 11.000er-Marke. Ähnliches Bild auch beim M-DAX, der nach dem Sinkflug auf 18.000 Zähler mittlerweile wieder bei 24.000 Punkten steht. Fürwahr ein Comeback. Sicherlich hat das beherzte Engagement der Notenbanker in diesem Zusammenhang geholfen. „Die bisher beschlossenen Maßnahmen sind gut geeignet, die Liquiditätskrise zu überbrücken. Wenn die Konjunkturkrise tiefer geht und länger dauert als wir derzeit erwarten, wird die EZB flexibel darauf reagieren und ihre Anleiheankaufprogramm entsprechend anpassen. Daran wird auch die jüngste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes wenig ändern“, so Berenberg-Experte Strobl. Gleichwohl gilt, dass die nahezu schwindelerregende Erholungsrallye der vergangenen Wochen keine überschäumende Begeisterung für deutsche Aktien auslöst – mitunter scheinen die Märkte die Geschwindigkeit der wirtschaftlichen Erholung zu überschätzen. Eine Frage, die sich dennoch stellt, ist die nach der Vorteilhaftigkeit einzelner Sektoren.

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