Warum soll ich etwas vererben?

30.05.2018

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Testament schafft Klarheit

„Sollen Personen erben, die keinen oder auch nur einen entfernten verwandtschaftlichen Bezug haben, ist es zwingend nötig, ein Testament aufzusetzen oder einen Erbvertrag abzuschließen“, erklärt Anja Maultzsch von der Postbank. Falls das Erbe nicht durch einen Letzen Willen geregelt wird, greift nach dem Tod die gesetzliche Erbfolge. Somit erben diejenigen zuerst, die im verwandtschaftlichen Verhältnis dem Erblasser am nächsten stehen, nämlich Ehegatten, eingetragene Lebenspartner und Kinder. In einem schriftlich fixierten Letzen Willen kann hingegen jede beliebige Person mit jedem beliebigen Teil des Erbes bedacht werden. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, der erbenden Personen per Vermächtnis einen bestimmten Vermögensanteil zu überlassen, bspw. Gemälde oder Mieteinnahmen. „Damit der Nachlass auch tatsächlich nach dem Willen des Erblassers aufgeteilt wird, sollte er sich bei der Formulierung des Testaments oder Erbvertrags professionell beraten lassen“, so Anja Maultzsch.

Deutsche konnten in den letzten Jahrzehnten viel Vermögen aufbauen

Seit 1945 gab es auf deutschem Boden keinen Krieg mehr – die längste Periode der deutschen Geschichte. In dieser Phase der Sicherheit bauten viele Deutsche enorme Vermögen auf. So werden hierzulande laut Deutschem Institut für Wirtschaftsforschung jährlich Vermögen im Wert von 400 Mrd. Euro übertragen, Tendenz steigend. Ebenfalls steigender Tendenz erfreut sich die Möglichkeit, das Vermögen zu verschenken statt zu vererben, wie aus einer kürzlich veröffentlichten Studie der Quirin Privatbank hervor geht (näheres hier). Zu den übertragenen Vermögen gehören auch zahlreiche Immobilien. „Immobilien in guter Lage legen derzeit deutlich an Wert zu. Das wird das Erbvolumen noch weiter vergrößern“, erklärt Dr. Marco Bargel, Chefvolkswirt der Postbank. „Außerdem wird die Zahl der Erbfälle in den kommenden Jahren voraussichtlich leicht ansteigen, da die Gruppe der potenziellen Erblasser, also im Wesentlichen die Altersgruppe der über 70-Jährigen, laut Statistischem Bundesamt moderat wächst.“

Viele werden beim Erbe leer ausgehen

Die gestiegenen Summen der Erbe kommen aber nicht jedem gleich zugute. So gehen 31 % der Teilnehmer der Postbank-Umfrage davon aus, dass sie nach ihrem Tod nichts vererben können. Das gilt vor allem für Menschen mit niedrigem Schulabschluss und geringem Haushaltsnettoeinkommen – zwei Größen, die wohl in unmittelbarem Zusammenhang stehen. „Das zu vererbende Privatvermögen ist in Deutschland sehr ungleich verteilt“, stellt Dr. Marco Bargel fest. So besitzen laut Berechnungen der Hans-Böckler-Stiftung die wohlhabendsten 10 % der deutschen Haushalte 60 % des Gesamtvermögens, während die unteren 20 % überhaupt kein Vermögen besitzen. Ca. 9 % der deutschen Haushalte sind verschuldet. Doch nicht nur fehlendes Vermögen, auch ein fehlender Wille der Erblasser wird so manchen potenziellen Erben am Ende leer dastehen lassen. So gaben 9 % aller Befragten an, dass sie ihren Erben kein Erbe hinterlassen wollen. Dies trifft besonders auf die 40- bis 49-jährigen zu, bei den 15 % diese Antwort gaben. Bei den 50- 59-jährigen finden sich 13 % „Erbverweigerer“. Neben innerfamiliären Konflikten könnte dabei auch die demografische Entwicklung eine Rolle spielen. So geht das Max-Planck-Institut für demografische Forschung davon aus, dass heute geborene Frauen mit durchschnittlich 92,8 Jahren Lebenszeit rechnen können, Männer können sich auf durchschnittlich 87,8 Jahre Zeit auf dieser Erde freuen. Wenn das gesetzliche Renteneintrittsalter bis dahin nicht deutlich ansteigt, bleibt den Menschen also viel mehr Zeit, im Ruhestand ihr Vermögen aufzuzehren. Dabei spielen auch die negativen Seiten des Alters eine Rolle, denn viele werden ihre Ersparnisse auch für Pflege einsetzen müssen.

Beim Erbe gilt: ganz oder gar nicht

Es werden nicht nur Vermögensgegenstände, sondern auch eher unschöne Dinge wie Schulden, Kredite und Unterhaltsansprüche vererbt. Wer sein Erbe nicht antreten will, muss aktiv werden. „Der Nachlass fällt den Erben automatisch zu. Sobald sie davon Kenntnis haben, müssen die Hinterbliebenen entscheiden, ob sie das Erbe antreten oder ausschlagen. Möchten sie es antreten, müssen sie im Prinzip nichts tun; verzichten sie auf das Erbe, bleibt ihnen eine Frist von sechs Wochen, innerhalb derer sie beim zuständigen Nachlassgericht die Ausschlagung erklären müssen“, erklärt Anja Maultzsch. Dabei ist es wichtig zu wissen, was im Erbe alles enthalten ist: Wer eine Erbschaft antritt, muss alles annehmen und kann nicht einzelne, unbequeme Teile wie bspw. Schulden, ausschlagen.

Wenn man zum Schluss kommt, dass man die Erbschaft nicht antreten will, muss man das ausdrücklich erklären. Das ist sowohl beim zuständigen Nachlassgericht – am Wohnort des Erben oder des Erblassers – oder beim Notar möglich. „Wer die Sechs-Wochen- Frist nicht einhält, hat die Erbschaft automatisch angenommen. Eine Verlängerung der Frist ist nicht möglich“, erklärt Anja Maulztsch. Eine Erbschaft kann auch durch „schlüssiges Verhalten“ angenommen werden – etwa, indem sich der Erbberechtigte Gegenstände aus dem Nachlass aneignet oder einen Erbschein beantragt. Und einmal angenommen, kann das Erbe nicht mehr ausgeschlagen werden. Anders hingegen der umgekehrte Fall. „Wer es sich dann doch noch anders überlegt, hat sechs Wochen Zeit, um die Ausschlagung anzufechten“, erklärt Anja Maultzsch.

Ausschlagen des Erbes muss gut überlegt sein

Mit dem Ausschlagen des Erbes verliert der Erbberechtigte auch alle Ansprüche auf die positiven Vermögenswerte und hat dabei keinen Anspruch auf Erinnerungsstücke wie Fotos, Bücher oder Möbel. Wenn alle Erbberechtigen das Erbe ablehnen, geht das Vermögen des Verstorbenen an den Staat. (ahu)

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