Versicherungsmakler: Die Konsolidierungswelle rollt
16.01.2024
Age Lindenbergh, Managing Director und Head of Financial Services in Europa bei Alvarez & Marsal. Foto: Alvarez & Marsal.
finanzwelt: Was zeichnet Großbritannien als reifsten Markt in Europa aus? Dient er als Blaupause für die zukünftige Entwicklung in Deutschland?
Lindenbergh: In Großbritannien gab es schon immer eine sehr lebendige Versicherungsmakler-Branche, die heute ziemlich ausgereift ist. Darüber hinaus ist Private Equity als Mittel zur Wachstumsfinanzierung dort gut entwickelt und wird von der Gesellschaft viel stärker angenommen als in Deutschland. Da Versicherungsmakler stabile und vorhersehbare Cashflows bieten, ist dieser Sektor seit vielen Jahren für Finanzinvestoren im Vereinigten Königreich interessant.
Weil der deutsche Markt ähnliche Merkmale aufweist und PE in Deutschland jetzt stärker akzeptiert wird, steigt auch hier das Interesse. Ich sehe, dass die Konsolidierungsphase, die wir in Großbritannien bereits erlebt haben, nun auch in Deutschland Einzug hält.
Aktuell lässt das Tempo der PE-Investitionen im britischen Markt nach, da die Preiserwartungen diesen Markt zu teuer gemacht haben, um eine Buy-and-Build-Strategie fortzusetzen. Sollten die Preiserwartungen in Deutschland rasch ansteigen und Niveaus erreichen, wie sie derzeit im Vereinigten Königreich zu beobachten sind, wird dies das Tempo der Konsolidierung deutlich dämpfen.
finanzwelt: Was macht Versicherungsmakler für Private Equity-Investoren so attraktiv?
Lindenbergh: Dazu zählen vor allem ein loyaler Kundenstamm, wiederkehrende Einnahmen, sowie ein grundlegender Trend zu steigenden Prämien (Inflationsschutz). Darüber hinaus ergeben sich Wachstumsperspektiven, weil viele Unternehmen und Industriesektoren immer komplexer werden und mit hohen Risiken konfrontiert sind. Diese brauchen eine kompetente Beratung, die Versicherungsmakler anbieten. Hinzu kommen zunehmende Cyber-Risiken, Produkt- oder Dienstleistungs-Rechtsstreitigkeiten, die von den Unternehmen angegangen werden müssen. Und genau dafür werden Versicherungsprodukte entwickelt.
finanzwelt: Wie wirkt sich die fortschreitende Konsolidierung auf die Wettbewerbsfähigkeit der zahlreichen kleineren Makler-Unternehmen aus? Über den Anschluss an Makler-Pools und –Verbünde haben diese ja meist auch Zugang zu Top-Konditionen und effizienten digitalen Plattformen – reicht das aus, um auch künftig gegen die Dominanz der großen Player zu bestehen?
Lindenbergh: Das ist keine einfache Frage: Ich würde sagen, es kommt darauf an. Es gibt viele verschiedene Versicherungsmakler mit unterschiedlichen Kundensegmenten. Generell haben Versicherungsmakler durch die Konsolidierung den Vorteil, ihre Back-Office-Aktivitäten in größere Unternehmen zu integrieren, die ihnen die Verwaltungsaufgaben abnehmen. Die Plattformen ermöglichen es auch kleineren Maklern, ihren bestehenden Kunden ein breiteres Spektrum an Versicherungen anzubieten. So sind beispielsweise Angebote zur betrieblichen Altersversorgung in der Regel sehr komplex und werden eher von Maklern angeboten, die eine gewisse Größe haben. Generell glaube ich, dass das Aufkommen der Konsolidierungsplattformen im Interesse der Endkunden ist, da sich die Angebotspaletten erweitern.
finanzwelt: Was ist vor diesem Hintergrund Ihr wichtigster Rat an deutsche Maklerunternehmen?
Lindenbergh: Aktuell gibt es deutlich bessere Chancen für Makler, ihr Unternehmen auszubauen oder aus dem Betrieb auszusteigen. Es ist noch nicht allzu lange her, dass Makler, die in den Ruhestand gingen, Schwierigkeiten hatten, ihre Firma zu verkaufen. Aufgrund der Personenabhängigkeit galt dieser Markt als wenig attraktiv. Jetzt ergeben sich durch die genannten Trends neue Möglichkeiten. Die Makler sollten jedoch darauf achten, dass die Käufer kulturell zu ihrer Region passen.
finanzwelt: Wie ist Ihr Ausblick für 2024?
Lindenbergh: Der M&A-Markt in Deutschland wird weiterhin sehr heiß sein. Schließlich steigt die Akzeptanz von Versicherungsmaklern immer mehr an, Teil einer größeren Plattform zu werden. Auch die Übernahme von Konkurrenten übt Druck auf viele Makler aus. Allerdings besteht mit den zunehmenden makroökonomischen Turbulenzen auch das Risiko, dass dieses Zeitfenster nicht ewig offen bleiben wird. (mho)