Versicherungsmakler: Die Konsolidierungswelle rollt

16.01.2024

Age Lindenbergh, Managing Director und Head of Financial Services in Europa bei Alvarez & Marsal. Foto: Alvarez & Marsal.

Der bisher stark fragmentierte Markt der Versicherungsmakler in Deutschland steht in einer harten Umbruchphase. Die Zahl der M&A-Transaktionen steigt an, die Konzentrationsprozesse nehmen zu. Im Interview spricht Age Lindenbergh, Managing Director und Head of Financial Services in Europa bei Alvarez & Marsal mit finanzwelt-Ressortleiter Versicherungen Markus Hofelich über die Treiber der Konsolidierungswelle, die Rolle von Private Equity und Chancen für Makler.

finanzwelt: Herr Lindenbergh, die deutsche Versicherungsmaklerbranche befindet sich in einer starken Konsolidierungsphase. Was sind die Haupttreiber dieser Entwicklung?

Age Lindenbergh: Es gibt mehrere Faktoren, die diese Konsolidierungen antreiben. Da ist zum einen die hohe Verfügbarkeit von Wachstumsfinanzierungen aus dem Private-Equity-Bereich zu nennen. Zum anderen ein zunehmender Druck, Compliance-Vorschriften einzuhalten, was wiederum weitere Investitionen bedingt sowie auch ein Generationswandel, der in der Branche stattfindet.

finanzwelt: Was kennzeichnet aktuell die Struktur des deutschen Marktes?

Lindenbergh: Der deutsche Markt zeichnet sich durch eine besonders hohe Fragmentierung aus. Es gibt im kommerziellen Bereich rund 46.000 Makler und laut dem aktuellen Bericht des GDV aus dem Herbst 2023 hat der deutsche Versicherungsmarkt ein beeindruckendes Volumen mit 473 Millionen Verträgen, 223 Milliarden Euro Beitragseinnahmen und Kapitalanlagen von 1,9 Billionen Euro.

finanzwelt: Wie hat sich der Markt der Versicherungsmakler 2023 in Deutschland entwickelt?

Lindenbergh: Obwohl die M&A-Märkte 2023 weltweit unter Druck geraten sind, haben die Transaktionen im deutschen Versicherungsmaklergeschäft laut Mergermarket zugenommen. Insbesondere die Implementierung von Buy-and-Build-Strategien sowie die Aktivitäten von Konsolidierungsplattformen wie GGW und MRH Trowe haben sich stark beschleunigt. Hier haben insbesondere die steigende Inflation und Zinssätze gewirkt. Beispiele für weitere Konsolidierer und Käufer in Deutschland sind etwa Ecclesia, Martens Prahl, die Artus Gruppe, die Summitas Gruppe sowie HBC. Insgesamt haben diese 26 Unternehmen in Deutschland erworben.

finanzwelt: Wer sind derzeit die wichtigsten Käufer und welche Strategien verfolgen diese?

Lindenbergh: Vor allem PE-Investoren sind mit ihren Maklerplattformen derzeit dabei, ein gewisses Volumen zu erreichen, da sie nur so notwendige Synergieeffekte in ihren Kostenstrukturen erzielen können. Wie sie diese Mindestgröße erreichen wollen, dazu gibt es unterschiedliche Ansätze. Allen liegt eine bestimmte Fokussierung zugrunde. Das kann sich auf die Größe beziehen, zum Beispiel auf kleine und mittlere Unternehmen in einer bestimmten Region oder auch auf eine bestimmte Branche oder ein Versicherungssegment.

finanzwelt: Inwiefern ist das Thema Internationalisierung so wichtig? Welche Vorteile ergeben sich aus paneuropäischen Strukturen?

Lindenbergh: Ein wichtiger Grund für die internationale Expansion ist es, lokale Roll-up-Strategien, wie wir sie bereits aus Großbritannien und USA kennen, nun auch in anderen Ländern durchzuführen. Das Vorgehen ist erprobt und verspricht Erfolg.

Zudem sind internationale Versicherungsmaklernetze von Konsolidierungen betroffen. Einige ausländische Unternehmen, die in der Vergangenheit von deutschen Versicherungsmaklern genutzt wurden, sind nun Teil einer größeren internationalen Gruppe geworden, die mit den Versicherungsmaklernetzen konkurriert.

Außerdem bringt die Internationalisierung weitere Vorteile. Es wird einfacher, ein einheitliches Serviceniveau zu gewährleisten und die Komplexität für internationale Kunden zu verringern. Grundsätzlich sind internationale Netze besser in der Lage, Kunden, die global wachsen, in verschiedenen Ländern zu unterstützen.

Nachteile, die aus dieser Entwicklung entstehen können, sind eine zunehmende organisatorische Komplexität und der mögliche Verlust von unternehmerischem Denken, das in vielen lokalen Unternehmen stark verankert ist.

finanzwelt: Wo stehen die deutschen Versicherungsmakler im internationalen Vergleich?

Lindenbergh: Die Konsolidierung hat in den letzten Jahren auch in Deutschland Einzug gehalten und nimmt gerade deutlich an Fahrt auf. Im Vergleich zu Großbritannien und insbesondere zu den USA, wo dieser Trend bereits seit 20 Jahren anhält, ist er hier jedoch relativ neu. Mit 46.000 Versicherungsmaklern gibt es in Deutschland noch viel Spielraum für eine Konsolidierungswelle. Diese hat bisher weitgehend regional stattgefunden oder mit der Erweiterung des Produktangebots durch die Übernahme von Maklern, die bestimmte Spezialrisiken abdecken.

Es gibt noch viele Möglichkeiten, nationale Maklergruppen zu schaffen, die neben den drei führenden internationalen Netzwerken, die sich in erster Linie auf die Unterstützung von Großunternehmen konzentrieren, Dienstleistungen für kleinere und mittlere Unternehmen anbieten.