„Nachhaltigkeit wird zum Erfolgsfaktor in der Beratung“

16.08.2022

Volker Bohn, Nachhaltigkeitsbeauftragter der Stuttgarter Lebensversicherung a.G / Foto: © Stuttgarter

Nachhaltigkeit ist nicht nur ein stärker wachsender Kundenwunsch. Sie treibt auch Vertriebe und Versicherer an, da seit August die Präferenzabfrage in der Beratung verpflichtend ist. Wo jetzt die Herausforderungen für Vermittler liegen, erklärt Volker Bohn, Nachhaltigkeitsbeauftragter der Stuttgarter Lebensversicherung a.G.

finanzwelt: Seit August 2022 ist die Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden in der Beratung verpflichtend. Welche Herausforderungen sind nun zu bewältigen? Volker Bohn» Im Wesentlichen sind es vier Punkte. Erstens, die Verfügbarkeit von Daten. Es war abzusehen, dass zum Start der Pflicht noch nicht alle Daten verfügbar sein werden, die der Regulator hier vorsieht. Das liegt vor allem daran, dass viele Unternehmen noch gar nicht dazu verpflichtet sind, diese Daten bereitzustellen. Das wird nach heutigem Kenntnisstand frühestens zu Beginn des kommenden Jahres der Fall sein. Bis dahin wird sich noch ein eher unvollständiges Bild am Markt ergeben. Zweitens, die Umsetzung in den Beratungsstrecken. Hier zeigt sich bezüglich Inhalte und Formulierungen noch ein sehr heterogenes Bild. Der regulatorische Rahmen sorgt zwar für eine gewisse Gleichförmigkeit, im Detail ist es aber noch sehr unterschiedlich, insbesondere was die Formulierungen angeht. Das wird sich im Laufe der Zeit sicherlich harmonisieren. Bis dahin sind Vermittler gefordert, sich auf diese Unterschiede einzustellen. Drittens, die Kundenwünsche. Die Definition von Nachhaltigkeit ist aus Kundensicht oft sehr subjektiv. Was gut oder schlecht für Umwelt oder Gesellschaft ist, ist oftmals nicht so trennscharf und mangels verbindlicher Definitionen des Nachhaltigkeitsbegriffs auch schwer festzulegen. Hier besteht für Berater die Herausforderung, die zum Teil sehr unterschiedlichen Sichtweisen und Ansätze so zu berücksichtigen, dass am Ende auch ein passgenaues Produkt empfohlen werden kann. Der vierte Punkt ist die Einführung eines neuen Klassifizierungsmodells. Bereits heute lassen sich Anlagen verschiedenen Nachhaltigkeitsansätzen zuordnen. Beispielsweise in Anlagen nach Artikel 8 bzw. 9 der Offenlegungsverordnung oder anhand der Berücksichtigung von bestimmten Ausschluss- oder Positivkriterien. Diese Ansätze wird es auch weiterhin geben und ihre Bedeutung im Rahmen der Kundenberatung wird weiter zunehmen.

finanzwelt: Wie genau stellt sich diese Klassifizierung in der Beratung dar? Bohn» Wünscht der Kunde die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten, dann ist eine dreistufige Abfrage der Präferenzen erforderlich. Zunächst wird abgefragt, ob der Kunde im Rahmen seines Versicherungsanlageprodukts einen Mindestanteil in ökologisch nachhaltige Investitionen gemäß EU-Taxonomie tätigen möchte. Im Anschluss muss die Abfrage nach einem Mindestanteil in ökologisch und sozial nachhaltige Investitionen gemäß der Offenlegungsverordnung vorgenommen werden. In der dritten Stufe geht es dann um negative Auswirkungen auf die Umwelt oder Gesellschaft, z. B. durch die Emission von Treibhausgasen und genauer um die Frage, inwiefern sie verhindert oder reduziert werden sollen. Die ersten beiden Abfragen nach einem Mindestanteil zielen also darauf ab „Gutes zu tun“, während die dritte Abfrage „Schlechtes vermeiden“ will. Das sind zwei sehr unterschiedliche Ansätze, die es in der Beratung zu berücksichtigen gilt.

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