Kostenerstattung in der privaten Krankenversicherung (PKV)

02.10.2024

Rechtsanwalt Jens Reichow. Foto: Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte

Eine Heilbehandlung kann schnell teuer werden. Dies gilt gerade für stationäre Behandlungen und Operationen. Anders als gesetzlich Versicherte haben privat Krankenversicherte die Kosten der von ihnen in Anspruch genommenen Heilbehandlungen zunächst selbst gegenüber dem Arzt oder Krankenhaus zu zahlen und sind anschließend auf eine Kostenerstattung in der privaten Krankenversicherung angewiesen. Mit dem vorliegenden Beitrag soll erläutert werden, wann und unter welchen Voraussetzungen eine Kostenerstattung in der privaten Krankenversicherung verlangt werden kann.

Wann zahlt die private Krankenversicherung?

In der privaten Krankenversicherung ist der Versicherer gemäß § 192 Abs. 1 VVG verpflichtet, im vereinbarten Umfang die Aufwendungen für medizinisch notwendige Heilbehandlungen wegen Krankheit oder Unfallfolgen sowie sonstige vereinbarte Leistungen zu erstatten. Dabei ist zu beachten, dass nicht jede ärztliche Heilbehandlung vom Versicherungsschutz umfasst ist. Maßgeblich für die Kostenerstattung in der privaten Krankenversicherung ist die medizinische Notwendigkeit einer Heilbehandlung wegen Krankheit oder Unfallfolgen.

Eine Krankheit ist ein anormaler körperlicher oder geistiger Zustand, der eine nicht ganz unerhebliche Störung körperlicher oder geistiger Funktionen mit sich bringt (siehe hierzu BGH: Was ist eine Krankheit im Sinne der PKV?). Der Begriff der Krankheit ist von Abweichungen ohne Störung einer körperlichen oder geistigen Funktion abzugrenzen. So sind beispielsweise Schönheitsoperationen nicht vom Versicherungsschutz umfasst. Gleichwohl kann aber Versicherungsschutz für Behandlungen bestehen, die nach einer fehlgeschlagenen Schönheitsoperation erfolgen (siehe hierzu BGH: Kostenerstattung für die Auswechslung von Brustimplantaten gegenüber Krankenversicherung).

Auch Unannehmlichkeiten, die nicht auf einer körperlichen Anomalie beruhen, sind keine Krankheiten. Bei altersbedingten Störungen kann dennoch unter Umständen eine Krankheit angenommen werden. Dies ist der Fall, wenn der Zustand allgemein als Abweichung vom Normalzustand und deshalb als korrekturbedürftig angesehen wird. So wurde beispielsweise eine altersbedingte Fehlsichtigkeit, die ein beschwerdefreies Lesen und die Teilnahme am Straßenverkehr ausschließt, als Krankheit angesehen (siehe hierzu BGH: Erstattung bei LASIK-Operationen: PKV muss zahlen).

Auch Heilbehandlungen wegen Unfallfolgen genießen Versicherungsschutz. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass regelwidrige Störungen von Körperfunktionen nicht immer als Folge einer Krankheit auftreten. Stattdessen können sie auch durch ein von außen kommendes Ereignis hervorgerufen werden (siehe hierzu OLG Hamm: Erstattung von Behandlungskosten nach Suizidversuch).

Begriff der Heilbehandlung

Der Versicherer leistet für medizinisch notwendige Heilbehandlungen. Die Heilbehandlung ist nicht nur eine auf Heilung einer Krankheit gerichtete ärztliche Tätigkeit. Vielmehr fallen unter den Begriff der Heilbehandlung auch solche Tätigkeiten, die auf Besserung oder Linderung eines Leidens abzielen, einer Verschlimmerung vorbeugen, eine Verlangsamung des Krankheitsverlaufs bewirken sollen oder durch Ersetzung körperlicher Funktionen zur Linderung beitragen. Als Heilbehandlung ist demnach jede ärztliche Tätigkeit anzusehen, die durch die betreffende Krankheit verursacht worden ist. Dazu muss die Leistung des Arztes also in den Bereich der medizinisch notwendigen Krankenpflege fallen und auf Heilung, Besserung oder Linderung der Krankheit abzielen, damit ein Anspruch auf Kostenerstattung in der privaten Krankenversicherung besteht (siehe hierzu OLG Karlsruhe: Kostenerstattung bei chronischem Müdigkeitssydrom).

Auch die Überwindung einzelner Krankheitsfolgen dient der Linderung einer Krankheit und kann somit eine versicherte Heilbehandlung sein. So wird etwa bei der In-Vitro-Fertilisation (IVF) zwar nicht die Grunderkrankung (Unfruchtbarkeit) beeinflusst. Dennoch werden die belastenden Krankheitsfolgen reduziert (siehe hierzu OLG Hamm: Kostenerstattung nach einer künstlichen Befruchtung). Auch Prothesen, Hilfsmittel und ähnliche kompensatorische Maßnahmen, welche die Grunderkrankung nicht verändern, können Heilbehandlungen darstellen, wenn sie die vorhandene Funktionsstörung im Ergebnis lindern. Ist eine Heilbehandlung möglich, so braucht sich der Versicherungsnehmer nicht auf kompensatorische Maßnahmen verweisen zu lassen. Dies ist auch der Fall, wenn diese kostengünstiger sind (siehe hierzu BGH: Erstattung bei LASIK-Operationen: PKV muss zahlen). Unerheblich ist auch, ob die Behandlung zugleich kosmetische Ziele verfolgt. Allein kosmetischen Zwecken dienende Behandlungsschiritte sind jedoch nicht medizinisch erforderlich.