Innovation für den Weltmarkt

27.07.2015

Das NavVis Gründerteam mit dem zum Patent angemeldeten „NavVis-Trolley“. (v. li. n. re.) Robert Huitl

Technologie-Startups aus Deutschland geraten zunehmend in das Interesse internationaler Beteiligungsgesellschaften und Großunternehmen, die sich durch Übernahme Know-how und markterprobte, skalierbare Konzepte einkaufen.

Im Mai dieses Jahres meldet der STERN die Übernahme des auf Augmented Reality spezialisierten Münchener Startups Metaio durch Apple, im Juni meldet „Die Zeit“ die Übernahme des Berliner Startup 6Wunderkinder durch Microsoft. Grund genug, sich bei einem deutschen Startup umzusehen, das Großes plant.

Google Maps und Google Street View sind heute längst etwas Gewohntes, Alltägliches. Die Kartographierung und Digitalisierung unserer Straßen und Städte durch die „Google-Mobile“ mit dem Kameramast auf dem Dach ist heute Grundlage vieler Geschäftsmodelle, vom Taxidienst bis zur Augmented Reality. Für jedermann erschwingliche Mobilgeräte und günstige Tarife für Daten-Flatrates haben zusammen einen internationalen Massenmarkt für Geschäftsmodelle geschaffen, die es vor noch fünf Jahren mangels dieser technischen und geistigen Infrastruktur noch nicht geben konnte. Die Münchener NavVis GmbH schickt sich nun an, das in Innenräumen zu wiederholen, was Google auf unseren Straßen getan hat: …

… die digitale Vermessung der Welt.

Das aus der universitären Forschung an der technischen Universität München hervorgegangene Startup NavVis GmbH, 2014 zum besten Münchener Startup gekürt, wurde von Dr. Felix Reinshagen mit Georg Schroth, Sebastian Hilsenbeck und Robert Huitl aus einem universitären Forschungsprojekt heraus geründet. Schroth, Huitl und Hilsenbeck stammen aus dem Forschungsbetrieb, Dr. Reinshagen hat nach dem Studium der Ökonomie und Informatik mehrere Jahre beim Unternehmensberater McKinsey in Deutschland und im Silicon Valley Unternehmen der High-Tech Branche beraten. In Gesprächen fällt der Reifegrad der jungen Gründer auf: Nicht nur die Technik, auch erfolgsrelevante unternehmerische Bereiche wie Personal-Recruiting, Rechnungswesen und Finanzplanung der angestrebten internationalen Expansion sind Themen. Mit den Venture-Kapitalgebern Bayerische Beteiligungsgesellschaft und den MIG-Fonds wurde im November 2014 die Serie-A Finanzierungsrunde geschlossen.

Die Schaffung eines Indoor-Navigationssystems.

Das Konzept ist beim ersten Kontakt so ungewohnt wie in der Folge einleuchtend: Die Schaffung eines Indoor-Navigationssystems mittels millimetergenauer Vermessung und hochauflösender, dreidimensionaler Modellierung von Innenräumen und zur Verfügungsstellung der visualisierten Daten auf plattformübergreifender Basis. Alleinstellend sind nach Aussage der NavVis nicht nur Genauigkeit in der räumlichen Vermessung und in der Höhe der Auflösung der Visualisierung der Räume, sondern auch die Kosten, die nur ein Zehntel bis ein Hundertstel der Alternativen betragen sollen. Auf dieser technischen Basis können beliebig ortsbezogene interaktive Applikationen, auch zwecks weiterer Monetarisierung, aufsetzen.

Die Digitalisierung von Innenräumen.

Die digitale Erfassung von Räumen erfolgt mittels des zum Patent angemeldeten NavVis-Trolleys. Er besteht aus einer Reihe hochauflösender, digitaler Kameras, die mittels Lasertechnologie Räumlichkeiten in fast 360 Grad erfassen können, wobei Beschilderungen, Details und andere Orientierungspunkte auch im Zoom erkennbar und gut lesbar bleiben. In normaler Schrittgeschwindigkeit kann der Operator des Trolleys auch ganze Bürokomplexe in wenigen Stunden digitalisieren. Gleich tags darauf können die hochauflösenden, digitalen Daten innerhalb browserbasierter Lösungen grundsätzlich für jedermann voll nutzbar zur Verfügung gestellt werden, ohne diese langwierig konvertieren zu müssen.

Am Beispiel einer Museumshalle lässt sich erkennen, wie der Raum mittels Lasertechnologie in Millionen einzelner Nodepunkte zerlegt wird, die dann ein dreidimensional „begehbares“ Bild ergeben, in dem sich der virtuelle Betrachter frei bewegen kann. Alle Details bleiben dabei voll erhalten, so dass nicht nur Beschilderungen, sondern auch feine Details von Maschinen, Seriennummern etc. gut lesbar sind. Um die dafür zu übertragenen Daten so gering als möglich zu halten, wurden von der NavVis Algorithmen entwickelt, die die Nutzung selbst außerhalb hoher Datenbandbreiten möglich machen.

Nutzer, Markt, internationale Skalierbarkeit.

Viele Milliarden Quadratmeter von Innenräumen warten grundsätzlich auf ihre Digitalisierung, wo aber liegen die Erlösquellen? Die Nutzer befinden sich aktuell hauptsächlich im Unternehmensbereich. Besitzer großer Immobilienbestände werden durch pro Quadratmeter extrem günstige Digitalisierung ein ständiger Zugriff, Besichtigung und auch Angebot ermöglicht, egal, wo auf der Welt sich die Immobilien befinden mögen – für das Facility-Management ein Jahrhundertsprung. Durch die extrem niedrigen Kosten und die Einfachheit der Anwendung des „NavVis-Trolleys“ kann die Digitalisierung auch in kurzen Zeitabständen wiederholt werden. Digitalisierte Werkhallen, Lagerräume und auch ganze Industrieareale sind ebenfalls für Unternehmenskunden Zeit- und Kostenersparnisse. So können sich Spezialisten internationaler Unternehmen weltweit über die Lage vor Ort informieren, bevor sie Teams zur Sanierung oder Reparatur entsenden. Die Skalierbarkeit, d. h. die beliebige Vermehrbarkeit des grundlegenden Geschäftsmodells und dessen Monetarisierbarkeit und Möglichkeit der Internationalisierung, scheint damit grundsätzlich gegeben. Diese drei Faktoren haben seinerzeit Microsoft und Apple die eingangs genannten deutschen Startups übernehmen lassen. Es wird spannend bleiben, den Gründern der NavVis auf ihrem geplanten Weg in den Weltmarkt zu folgen. (bf)

Printausgabe 04 / 2015