Immobilienbranche noch nicht fit für Klimawandel
02.12.2020
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Rechnung mit vielen Unbekannten
Gefahren bieten auch immer die Möglichkeit zur Innovation. So bieten bautechnische Lösungen Schutz gegen Naturgefahren. Jedoch ist hierbei eine fundierte Kosten-Nutzen-Analyse schwierig, denn die Prognosen zum Klimawandel und seinen Folgen sind mit Unsicherheit behaftet und wie nützlich bautechnische Vorkehrungen sind, zeigt sich zum Teil erst in ferner Zukunft. Ebenfalls nur begrenzt aussagekräftig sind Preisentwicklungen hinsichtlich der Risikobewertung. „Der Markt tendiert dazu, Schäden, die in kürzeren Abständen auftreten, überzubewerten“, erläuterte Prof. Dr. Sven Bienert, Leiter des Kompetenzzentrums für Nachhaltigkeit in der Immobilienwirtschaft, IREBS Universität Regensburg und Autor der Studie. „Seltener eintretende Schadensfälle werden, auch wenn sie einen größeren Umfang haben, eher unterbewertet und mit der Zeit sogar vergessen oder ignoriert.“ So brachen beispielsweise die Immobilienpreise in Hochwassergebieten zwar nach dem Hochwasserereignis deutlich ein, kehrten dann aber wieder zurück auf das Ausgangsniveau. „Je kürzer aber die Abstände zwischen den Extremwetterereignissen werden – und das ist eine absehbare Entwicklung –, desto unwahrscheinlicher wird ein solcher Bounce Back“, so Bienert.
Laut den Studienautoren ist es speziell für institutionelle Immobilieninvestoren bereits mehr Pflicht als Kür, sich im Rahmen des Risikomanagements professionell mit physischen Klimarisiken auseinanderzusetzen. Jedoch würde der Risikofaktor Klima in der Immobilienbranche zu wenig bedacht. „Kreditgeber und institutionelle Investoren sollten sich zunehmend mit der die Frage beschäftigen, welche Extremwetterereignisse für ihre Objekte ein Risiko darstellen und wie sie die Resilienz – also die Widerstandsfähigkeit – der Gebäude stärken können. Auf diese Fragen liefert die Studie auch erste Antworten: Beispielsweise empfiehlt die Studie eine regionale Einschätzung bei jeder Immobilie. Dabei soll das aus dem Klimawandel resultierende lagespezifische Risiko erfasst werden. Ein Beispiel für solche Risiken ist die Lage in einem Gebiet, das von Hochwasser bedroht ist oder das in den vergangenen Jahren häufig Schauplatz von Hagelereignissen war“, so Francesco Fedele.
Dass auch bei der Immobilienfinanzierung das Thema Klimawandel derzeit nicht ausreichend berücksichtigt wird, machte Prof. Dr. Steffen Sebastian deutlich: „Laut einer Sonderumfrage von BaFin und Bundesbank haben knapp zwei Drittel der befragten Institute Klimarisiken bislang nicht in die Risikobewertung integriert. Eine Berücksichtigung der Klimarisiken muss aber in allen Phasen des Kreditgeschäftes stattfinden. Denn Werthaltigkeit und Stabilität der Sicherheit „Immobilie“ spielen eine zentrale Rolle bei der Finanzierung“, erläuterte der Inhaber des Lehrstuhls für Immobilienfinanzierung der IREBS Universität Regensburg. Zudem machte der Immobilienfinanzierungsexperte deutlich, dass bei der Zinsgestaltung die Kreditinstitute bspw. das klimabezogene Risikomanagement des Kunden in Form von Zu- und Abschlägen miteinfließen lassen könnten: „Weitere Stellschrauben bei der Berücksichtigung des Klimarisikos sind Beleihungshöhe sowie die Kreditlaufzeit und geforderte Tilgungen“. Ähnlich sieht es Francesco Fedele: „Die Finanzierungskonditionen werden sich in Zukunft stärker daran orientieren, ob und wie die Kreditnehmer die Risiken durch Extremwetterereignisse in ihren Immobilienprojekten berücksichtigen. Wer hier gut aufgestellt ist, wird in Zukunft bessere Finanzierungskonditionen bekommen.“ (ahu)