Die Wiederwahl Sergio Mattarellas bedeutet Kontinuität im politischen System Italiens

31.01.2022

Von Reto Cueni, Chief Economist bei Vontobel / Foto: © Vontobel

Sergio Mattarella wurde als Präsident Italiens wiedergewählt und Mario Draghi bleibt Ministerpräsident.

1. Wie wird sich das Ergebnis der Präsidentenwahl auf die europäischen und italienischen Märkte auswirken?

Wir gehen davon aus, dass die Finanzmärkte in Europa die Nachricht begrüßen werden, da es mit der Wiederwahl des amtierenden Staatspräsidenten Mattarella Kontinuität im politischen System Italiens geben wird. Da Mario Draghi weiterhin Premierminister bleibt, erwarten wir, dass sich die Märkte etwas entspannen werden und die Unsicherheit über die Führung in Italien vorerst abnehmen wird.

Kurzfristig dürfte das Signal der Kontinuität den Unsicherheitsaufschlag bei den italienischen Renditen verringern. Ministerpräsident Draghi kann jetzt auf eine rasche Umsetzung des Konjunkturprogramms drängen, was für die Finanzlage des Landes wichtig ist und seine Fähigkeit zur Durchführung von Reformen unter Beweis stellen dürfte. Allerdings könnte dabei der Gegenwind für Draghi zunehmen, je näher wir den nächsten Parlamentswahlen kommen, die spätestens im Frühjahr 2023 stattfinden müssen.

Längerfristig wird Präsident Mattarella dafür sorgen, dass die höchste politische Instanz Italiens ihre Pro-EU-Haltung beibehält. Dies ist mit Blick auf die bevorstehenden italienischen Parlamentswahlen im Jahr 2023 und darüber hinaus wichtig. Mattarella wird bei jeder neuen Regierungsumbildung und einer möglichen Koalitionsbildung im Parlament eine Schlüsselrolle spielen.

Es dürfte dann schwieriger werden, eine Regierung mit einer Anti-EU- und Anti-Euro-Haltung zu bilden, auch wenn Umfragen aktuell eine mögliche Verschiebung zugunsten einiger EU-/Euroskeptischer rechter Parteien anzeigen. Jegliche Versuche, Italiens Mitgliedschaft in der EU in Frage zu stellen - was sich stark auf den Euro und die Finanzmärkte im Allgemeinen auswirken würde - könnten vom Staatspräsidenten entschärft werden. Es ist seine verfassungsmäßige Pflicht, internationale Verträge zu ratifizieren und sicherzustellen, dass die unterzeichneten Verträge eingehalten werden.

2. Die Wiederernennung Mattarellas ist ein Kompromiss. Keine der politischen Parteien Italiens kann einen Sieg für sich beanspruchen.

  •  Die Mitte-Links-Partei Partito Democratico (PD) ist wahrscheinlich die kohärenteste Partei, auch wenn sie intern nicht ganz geschlossen ist und nur einige Verteter Draghi unterstützen.
  •  Das Movimento 5 Stelle hat sich in den letzten 7 Tagen mit der PD zusammengeschlossen, ist aber intern tief gespalten zwischen Giuseppe Conte (der gegen Draghis Wahl war) und Luigi DiMaio (der dafür war).
  •  Die Mitte-Rechts-Koalition ist der klare Verlierer, wobei vor allem Lega-Chef Matteo Salvini für die Niederlage verantwortlich gemacht wird.
  •  Matteo Renzis zentristische Haltung hingegen wird in dem Zusammenhang eher positiv oder zumindest weniger negativ gesehen, als die anderer Verteter.

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