„Ölkonzerne sind aktuell stark unterbewertet“

09.04.2020

Andreas Kern, Gründer und CEO der wikifolio Financial Technologies AG / Foto: © Martina Draper

Der heutige Donnerstag wird für die Ölindustrie historisch. Erstmals seit dem Scheitern der erweiterten Gruppe der Ölproduzenten um die Opec und Russland (Opec+) im März, verhandeln die erdölexportierenden Nationen über die Wiederaufnahme von freiwilligen Förderdrosselungen. Neben den Opec+ Staaten sitzen auch Länder wie die USA, Kanada und Norwegen mit am – in Zeiten von Corona selbstverständlich virtuellen – Verhandlungstisch.

Die Aussichten für die gesamte Branche und natürlich auch für die Förderstaaten selbst hängen von einer Einigung ab: Denn Öl ist für den Geschmack der Produzenten weiterhin viel zu billig. Die Sorte Brent kostet aktuell 33 US-Dollar pro Fass – nur halb so viel wie vor drei Monaten. WTI ist mit 26 Dollar sogar noch günstiger. Neben einem Corona-bedingten Nachfragerückgang sorgte vor allem das russische Nein zu weiteren Förderkürzungen und die darauf folgende saudische Trotzreaktion, das Schwemmen des Marktes mit Öl, für den Preisverfall des schwarzen Goldes. Die USA, deren Fracking-Anlagen auf einen hohen Ölpreis angewiesen sind, trugen ihren Teil zu Eskalation bei und drohten in gewohnter Manier mit Strafzöllen. Eine Einigung wird darum nur zu erzielen sein, wenn sich die Nationen zusammenraufen.

Konsens ist alternativlos

wikifolio-Trader Axel Albietz hat diesbezüglich natürlich keine Glaskugel: „Ob sich die Opec und Russland kurzfristig einigen werden, kann ich nicht sagen, aber mittel- bis langfristig werden sie wohl einen Konsens finden müssen.“ Ein Ölpreis, der dauerhaft unter 30 Dollar notiert, könne kaum im Interesse der größten Produzenten sein. Für den Trader ist fraglich, ob sich die USA und Präsident Donald Trump großartig einmischen können, schließlich hätte ein Großteil der US-Ölproduzenten die mit Abstand höchsten Förderkosten weltweit. Albietz glaubt aber dennoch nicht an Trumps Zurückhaltung: „Ich denke, er wird das Thema immer wieder durch seinen Kommentar in den öffentlichen Fokus rücken wollen, um den Druck zu erhöhen. Ob dieses Vorgehen kurzfristig zielführend ist, darf man allerdings bezweifeln.“

Auch wikifolio-Trader Benedikt Scheungraber lässt sich nicht zu Spekulationen hinreißen: „Kurz- bis mittelfristig ist der politische Faktor für mich nicht kalkulierbar. Langfristig gesehen denke ich aber, dass sich die Parteien einigen werden, da sie einen stabilen Ölpreis für ihren Staatshaushalt benötigen.“ Trader-Kollege Andreas Kläger ergänzt: „Längerfristig wird es eine Einigung brauchen. Kurzfristig dürfte die nur zustande kommen, wenn auch die USA mitmachen. Da bin ich eher skeptisch.“

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