Daimler im Visier der Anleger

20.02.2020

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Zum Jahresende 2019 wurde die erste große Klage institutioneller Investoren im Zusammenhang mit Abgasmanipulationen gegen die Daimler AG eingereicht. Das Gesamtvolumen der geltend gemachten Forderungen beläuft sich auf rund 900 Mio. Euro. Die Eröffnung eines Kapitalanleger-Musterverfahrens steht bevor.

Als im September 2015 aufgedeckt wurde, dass der Volkswagen-Konzern in Millionen seiner Diesel-PKW sogenannte verbotene Abschalteinrichtungen verbaut hatte, welche dafür sorgten, dass die Fahrzeuge nur auf dem Prüfstand die gesetzlichen Emissionsgrenzwerte einhielten, diese im realen Straßenbetrieb aber um ein Vielfaches überstiegen, war schnell die Rede vom größten Skandal der deutschen Industriegeschichte. Die wahren Dimensionen des Abgasskandals traten jedoch erst nach und nach zu Tage. Volkswagen war zwar der erste deutsche Automobilbauer, der die Abgasmanipulationen einräumen musste, es kam aber umgehend der Verdacht auf, dass auch andere Hersteller über Jahre hinweg bei den Emissionen ihrer Diesel getrickst haben könnten. Möglicherweise haben sich die großen deutschen Automobilbauer hierbei sogar untereinander abgestimmt, wie die Ermittlungen der Europäischen Kommission wegen eines entsprechenden Kartellrechtsverstoßes vermuten lassen.

Bereits wenige Tage nach Bekanntwerden des VW-Abgasskandals erhob die Deutsche Umwelthilfe (DUH) gegenüber Daimler und BMW den Vorwurf, dass deren Dieselfahrzeuge die gesetzlichen Grenzwerte der Stickoxidemissionen im Straßenbetrieb weit überstiegen, nämlich um das bis zu 25-fache. Angesichts dieser Abweichungen zwischen den Emissionen der Fahrzeuge im Prüfstandsbetrieb einerseits und im realen Straßenbetrieb andererseits lag nahe, dass auch diese Hersteller mit verbotenen Abschalteinrichtungen in ihren Dieselfahrzeugen operierten. Nachdem sich die deutsche Automobilindustrie über viele Jahre als Technologieführer bei der Dieselmotorentechnik geriert hatte, stand plötzlich der Verdacht im Raum, man habe es mit Betrug bislang nicht bekannten Ausmaßes zu tun.

Daimler sah sich genötigt, den Vorwurf der Manipulation umgehend öffentlich zu dementieren und wies die Anschuldigungen der DUH auf das Schärfste zurück. In einer Presserklärung ließ Daimler verlauten: „Ein Defeat Device, also eine Funktion, die die Wirksamkeit der Abgasnachbehandlung unzulässig einschränkt, kam nie und kommt bei Daimler nicht zum Einsatz. Das gilt für alle Diesel- und Otto- Motoren. Wir halten uns bei unseren Motoren an alle Gesetze und rechtliche Vorgaben.“ Auch Dieter Zetsche, der damalige Daimler-Chef, versicherte in einem Zeitungsinterview, dass an den Vorwürfen nichts dran sei.

Knapp drei Jahre später stellte sich heraus, dass diese Unschuldsbeteuerungen offenbar haltlos waren: Das Bundesverkehrsministerium kündigte im Juni 2018 den amtlichen Rückruf von deutschlandweit 238.000 Daimler-Fahrzeugen an – wegen Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen. Europaweit betroffen waren 774.000 Fahrzeuge. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat im Zusammenhang mit dem Abgasskandal im September 2019 ein Bußgeld in Höhe von 870 Mio. EUR gegen Daimler verhängt.

Viele Kunden von Daimler sehen sich vor diesem Hintergrund durch Daimler getäuscht und fordern auf dem Klageweg die Rückabwicklung ihres Fahrzeugkaufs.

Warum auch Investoren vom Abgasskandal betroffen sind, lesen Sie auf Seite 2