Beunruhigender Trend
21.03.2019
In Deutschlands A-Städten ist die Zahl der neu entwickelten Wohnfläche rückläufig / Foto: © ilkercelik - stock.adobe.com
Eine aktuelle Studie zeigt: Für die Mittelschicht wird immer weniger Wohnraum gebaut, mit gravierenden Folgen für die breite Bevölkerungsschichten. Für Projektentwickler scheinen vor allem Büro- und Hotelimmobilien interessant.
Zum bereits 13. Mal hat bulwiengesa in der Projektentwicklerstudie untersucht, wie sich der Immobilienneubau entwickelt. Nachdem im Vorjahr die Projektentwicklerflächen abnahmen, wuchs das Gesamtvolumen der Trading Development-Projekte, also der klassischen Projektentwicklungen zum Verkaufszweck, in allen sieben A-Städten. Insgesamt wurde in den größten deutschen Städten 28,4 Mio. m² neuer Fläche fertiggestellt.
Weniger Wohnen, mehr Büros
Trotzt der auf den ersten Blick positiven Zahlen offenbart sich ein gefährlicher Trend: So wurde im Wohnsegment 1,6 % weniger Fläche fertiggestellt als in der Vorjahresuntersuchung. Der Rückgang ist zwar nicht so stark wie im vergangenen Jahr. Dennoch wird damit bestätigt, dass in den A-Städten, wo Wohnraum bekanntlich dringend benötigt wird, immer weniger neue Wohnfläche hinzukommt. Insbesondere Berlin wird von Projektentwicklern offenbar immer seltener als lohnenswerter Standort betrachtet: Obwohl die Einwohnerzahl der Hauptstadt seit Jahren wächst, gab es dort laut Projektentwickler-Studie im vergangenen Jahr 270.000 m² weniger Projektfläche als im Vorjahr, ein Rückgang um 4,6 %. Auch in München (- 6 %), Düsseldorf (-4,9 %) und Stuttgart (-3 %) wurde weniger Wohnraum projektiert als im Vorjahr – was wohl noch zu weiter steigenden Mieten in den ohnehin schon teuren Städten führen dürfte. Immerhin: In Hamburg (+ 154.000 m², 5,6 %) und Frankfurt (+4,9 %) wurde mehr Wohnraum projektiert als im Vorjahr. Insgesamt konnten die Rückgänge nicht über die Zuwächse ausgeglichen werden. Auch der Blick in die Zukunft verheißt wenig Gutes: So sind die Flächen, die sich derzeit in Planung befinden, um über 60 % zurückgegangen und machen in den meisten Märkten deutlich weniger als 50 % aus.
Es werden immer mehr Büros gebaut
Völlig anders als das Wohnsegment entwickelt sich derzeit der Bereich der Büroimmobilien. Nachdem sich hier die Projektflächen jahrelang rückläufig entwickelten, nahmen sie in diesem Jahr um 23 % zu – der dritte Zuwachs in Folge. Dieser Anstieg war in allen A-Städten erkennbar. Besonders stark fiel er in Berlin aus, wo mit 550.000 m² 32 % mehr Bürofläche in Entwicklung war als im Vorjahreszeitraum. Der Anstieg ist überwiegende bei den Flächen zu verzeichnen, die in Bau oder in Planung sind.
„Nicht nur das extreme Beispiel Berlin mit dem erneuten Rückgang bei Wohnprojektentwicklungen und dem enorm hohen Anstieg im Bürobereich zeigt, wie die Wohnungspolitik in den Großstädten das Investitionsverhalten beeinflusst und in eine so nicht gewünschte Richtung lenkt. Immer mehr Wohnungsbauträger schmeißen hin und entwickeln lieber Büros; das immerhin sorgt dafür, dass der teilweise marktlähmende Leerstand bei Büros etwas abgemildert wird. Aber die soziale Mitte Deutschlands bekommt immer weniger neue Wohnungen. Vom Wohnungsneubau profitieren nur die Reichen und die Armen. Für die Mehrheit dazwischen fehlen immer gravierender die notwendigen Konzepte“, erklärt Andreas Schulten, Generalbevollmächtigter der bulwiengesa. „Dass Projektentwickler Büros bevorzugen, ist den niedrigen Leerstandsquoten in den großen Büromärkten und dem Mietanstieg in den letzten Jahren geschuldet. Mittlerweile sind in einigen Märkten Vorvermietungen schon während der Planungs- und Bauphase keine Seltenheit mehr. Hinzu kommt: Büroimmobilien sind weiterhin ein beliebtes Investmentziel. Das Segment weist solide Basisdaten auf und profitiert von ‚Sonderkonditionen‘ wie Umsatzsteuerbefreiung und im Vergleich zum Segment Wohnen weniger baulichen Regulierungen – für Projektentwickler ist dies ein deutliches Go-Signal. Aktuell werden Büroprojekte durchaus auch spekulativ begonnen“, so Schulten über die Gründe für die Bürobevorzugung.
Demgegenüber stehen die weiterhin hohen, aber aus Sicht des Endkunden am Limit kratzenden Preise im Wohnsegment, insbesondere im höherwertigen Teileigentumsmarkt. In Kombination mit den hohen Grundstückspreisen, den höheren Bau- und Planungskosten und den immer längeren Planungszeiträumen sind hier schnell die Grenzen der Rentabilität erreicht. An Nachfrage mangelt es keiner der sieben A-Städte, unabhängig vom Preissegment. Um zumindest die hohen Grundstückspreisen zu umgehen, orientieren sich einige Projektentwickler längst hin zu kleineren Märkten. Dort sind noch Potenziale vorhanden, um insbesondere im Teileigentumsmarkt mit nachfragegerechten Preisen rentabel zu bauen.
Wie sich andere Gewerbesegmente entwickeln, lesen Sie auf Seite 2