Aktualisiertes BaFin-Merkblatt zum Blindpool-Verbot: Was hat sich geändert?

01.07.2022

Dr. Hendrik Müller-Lankow, Rechtsanwalt, Kanzlei KRONSTEYN, / Foto: © KRONSTEYN

Die BaFin hat jüngst ihr Merkblatt zum Verbot von Blindpool-Konstruktionen im Sinne des VermAnlG aktualisiert. Damit macht sie ihre jüngste Verwaltungspraxis und Erfahrungen im Zusammenhang mit der Umsetzung der gesetzlichen Vorgabe transparent. Für Initiatoren bzw. Emittenten von Vermögensanlagen ergeben sich ein paar wichtige Neuerungen, die zu beachten sind.

1. Hintergrund: Unklarheiten in der Rechtspraxis

Das im August 2021 in Kraft getretene und damit noch relativ junge Blindpool-Verbot findet sich in § 5b Abs. 2 VermAnlG. Danach sind Vermögensanlagen, bei denen das Anlageobjekt zum Zeitpunkt der Erstellung des Verkaufsprospekts nicht konkret bestimmt ist, nicht zum öffentlichen Angebot im Inland zugelassen. Erfasst werden damit Blindpool-Konstruktionen, bei denen weder die Branche noch das konkrete Anlageobjekt oder zwar die Branche, nicht aber das konkrete Anlageobjekt feststeht oder das (konkrete) Projekt nicht wenigstens einen nachweisbaren Realisierungsgrad erreicht hat.

Wann jedoch ein Anlageobjekt „konkret bestimmt“ ist, lässt sich nicht in jedem Einzelfall ohne Weiteres feststellen. Bei der beliebten Assetklasse Immobilien, die ihrer Eigenart nach typischerweise individuell sind, ist dies zwar weniger problematisch. Schwieriger wird es hingegen, wenn in eine bestimmte Gattung von Anlageobjekten investiert werden soll, bspw. Wechselkoffer, Container oder Plantagen. Vor diesem Hintergrund sah sich die BaFin bereits kurz vor Inkrafttreten des Blindpool-Verbots veranlasst, ein konkretisierendes Merkblatt zu veröffentlichen. Dieses wurde nun nach Abschluss eines Konsultationsverfahrens am 30.06.2022 aktualisiert, um weiterhin bestehende Unklarheiten zu beseitigen.

2. Weitere Spezifizierungen zu Arten von Anlageobjekten

Im Verkaufsprospekt einer Vermögensanlage sind detaillierte Angaben zum Anlageobjekt zu leisten. Um als konkret bestimmt und damit nicht als verbotener Blindpool zu gelten, verlangt die BaFin je nach Art des Anlageobjekt bestimmte Angaben. Hierfür hat sie Fallgruppen gebildet und diese im Rahmen der Merkblattaktualisierung erweitert bzw. überarbeitet. Die BaFin spezifiziert nun folgende Fallgruppen:

  • Häuser/Gebäude (Immobilien)
  • Grundstücke
  • Bäume/Hölzer
  • Container, Waggons, o.ä.
  • Windenergieanlagen/Solaranlagen/Erneuerbare Energien-Anlagen
  • Edelmetalle
  • Handel mit Mobilien, z.B. Vermietung, Verpachtung oder Verkauf von Mobilien (z.B. Ladestationen für E-Autos, Packstationen, Onlinehandel für Kleinwaren, Vermietungsplattformen)
  • Investitionen in die eigene Produktion, Produktion/ Herstellung von Gütern oder Entwicklung von Gegenständen
  • Unternehmensübernahmen, Kauf von Unternehmen bzw. Unternehmensbeteiligungen
  • Restaurants/Gastronomie (u.a. auch Lebensmittelläden wie Bäckereien oder andere Verkaufsshops) und allgemein Verkaufsläden für Ware
  • Entwicklung und/ oder Vertrieb von immateriellen Gütern wie z.B. Software/Apps oder Angebot von Dienstleistungen
  • Stadtwerke/Grundversorger (Wasserversorgung, etc.), sofern Ausbau des Geschäftsbetriebs zur Erneuerung von Leitungen und Netze
  • Weitere, nicht im Merkblatt geregelte Anlageobjekte

3. Überarbeitung der Anforderungen an die Ausnahme bei Investitionen „in sich selbst und den Geschäftszweck“

Die Gesetzesbegründung zu § 5b Abs. 2 bis 4 VermAnlG enthält eine für die Rechtspraxis wichtige Ausnahme vom Blindpool-Verbot. Darin heißt es:

„Investiert ein Unternehmen die Anlegergelder in sich selbst und seinen Geschäftszweck, liegt grundsätzlich kein (Semi-) Blindpool vor.“

Die Ausnahme ist nach Angaben der BaFin so zu verstehen, dass es sich um Investitionen zum Auf- und Ausbau der internen Organisationsstruktur/Verwaltung handelt, die damit mittelbar auch der Förderung des Geschäftszwecks des Emittenten dienen.

a. Einschränkung auf nur bestimmte Bereiche

Im aktualisierten Merkblatt hat die BaFin den Anwendungsbereich der Ausnahme eingeschränkt auf „ausschließlich“ die folgenden Bereiche:

  • Personal
  • Marketing/Vertrieb
  • Eigene Verwaltung/Management/Managementunterstützungsfunktionen (z.B. Controlling, Strategie, Recht inkl. Vertragsmanagement, Leistungseinkauf)
  • Erwerb von Büromaterial/Büromöbeln/IT-Infrastruktur für die eigene Verwendung
  • Erwerb von Bürogebäuden für interne Verwaltung

Die BaFin stellt klar, dass es unerheblich ist, ob die hierdurch abgedeckten Dienstleistungen intern oder durch externe Dienstleister erbracht werden. Das ist etwa besonders bedeutsam für den Einkauf externer Marketingleistungen.

b. Erweitertes Verständnis vom Begriff des Anlageobjekts

Der Begriff des Anlageobjekts ist für Vermögensanlagen von zentraler Bedeutung. Denn an ihn knüpfen diverse Angabepflichten im Verkaufsprospekt und VIB an. Nach dem bisherigen Begriffsverständnis sind Anlageobjekte diejenigen Gegenstände, zu deren voller oder teilweiser Finanzierung die Nettoeinnahmen bestimmt sind. Dieses Verständnis wurde nun durch das aktualisierte Merkblatt erweitert:

„Der Begriff des Anlageobjekts setzt sich aus zwei Komponenten zusammen: Er umfasst diejenigen Gegenstände, die mit den Nettoeinnahmen mittelbar und unmittelbar erworben werden sowie diejenigen Gegenstände, aus denen der Emittent Zins- und Rückzahlung an den Anleger erwirtschaftet.“

Die praktische Konsequenz dieser Erweiterung zeigt sich insbesondere bei Investitionen des Emittenten „in sich selbst und den Geschäftszweck“. Werden die Nettoeinnahmen beispielsweise ausschließlich in Marketing-Projekte investiert, wären diese Marketing-Projekte Anlageobjekte. Selbst wenn diese nicht hinreichend „konkret“ sind, läge grundsätzlich kein Blindpool vor. Die BaFin hat nun klargestellt, dass auch die Geschäftstätigkeit an sich (bspw. der Verkauf von Waren) als Anlageobjekt zu sehen ist, weil daraus Zins- und Rückzahlungen für Anleger erwirtschaftet werden. Dementsprechend ist die Geschäftstätigkeit, zweites Anlageobjekt, konkret zu beschreiben und es muss ein nachweisbarer Realisierungsgrad erreicht sein.

4. Nettoeinnahmen für Höchstbetrag der Liquiditätsreserve maßgeblich

Bereits in ihrem ursprünglichen Merkblatt hat die BaFin die fragwürdige Ansicht vertreten, die bei Vermögensanlagen typische Liquiditätsreserve sei grundsätzlich als nicht konkret bestimmtes Anlageobjekt anzusehen, da hier noch nicht unmittelbar feststehe, wofür die Gelder verwendet werden sollen. Die BaFin sah es jedoch als zulässig an, wenn höchstens 5 % der durch die Vermögensanlage „eingeworbenen Anlegergelder“ in die Liquiditätsreserve eingestellt werden. Dies diene der Erhaltung einer gewissen Planungsfreiheit. Im aktualisierten Merkblatt stellt die BaFin nunmehr auf 5 % der Nettoeinnahmen ab, d.h. das Emissionsvolumen abzüglich der Initialkosten. Damit hat sie den zulässigen Höchstbetrag für die Liquiditätsreserve herabgesetzt.

5. Fazit

In ihrem aktualisierten Merkblatt spiegelt die BaFin ihre Verwaltungspraxis zum Blindpool-Verbot wider. Da das Verbot noch relativ jung ist, befand sich die Aufsicht, verständlicherweise, zunächst noch in einer Findungsphase. Die mittlerweile durch die Merkblattaktualisierung verfestigte Verwaltungspraxis, wird der Vielfalt möglicher Ausgestaltungen von Vermögensanlagen besser gerecht und ist daher ein praxistauglicher Leitfaden. Die Beiträge der Industrie im Konsultationsverfahren dürften einen wichtigen Teil hierzu beigetragen haben.

Ein Gastbeitrag von Dr. Hendrik Müller-Lankow, Rechtsanwalt der Kanzlei KRONSTEYN, Frankfurt am Main