Verkehrte Welt?

10.03.2014

Jo Chambers - Fotolia.com

**Staatsanleihen aus Schwellenländern haben sich zuletzt trotz häufig niedrigerer Staatsverschuldung schwächer entwickelt als solche aus der Eurozone. **Jim Cielinski, Head of Fixed Income bei Threadneedle Investments, sieht in dieser Entwicklung auch eine Folge des entschlossenen Eingreifens der Europäischen Zentralbank.

(fw/ah) „Spielt die Staatsverschuldung eine Rolle? Die Anleihemärkte stecken voller Überraschungen. Staatsanleihen aus Kernländern gehören 2014 bisher zu den Anlageklassen, die am besten abgeschnitten haben. Zum Teil verdanken sie ihre gute Entwicklung den besorgniserregenden Signalen aus den Schwellenländern (Emerging Markets = EM). Seit fast einem Jahr leiden Schwellenländeranleihen schonungslos, wovon auch diejenigen aufstrebenden Volkswirtschaften betroffen sind, die in den letzten zehn Jahren kräftig daran gearbeitet haben, ihre Finanzen in Ordnung zu bringen. In der Eurozone indes gehören Griechenland, Portugal, Spanien, Italien und Irland zu den weltweit am höchsten verschuldeten Ländern, dennoch haben ihre Anleihemärkte mit die steilsten Rallyes aller Zeiten erlebt. Ist das gerecht, und wie kann man diese Gegensätzlichkeit erklären?

In Wirklichkeit ist der Schuldenstand eines Landes nur ein schlechter Maßstab für das Zinsniveau, das Risiko eines Zahlungsausfalls bei Staatsanleihen oder die kurzfristige Wahrscheinlichkeit einer Schuldenkrise. Viel wichtiger sind die Art der Verschuldung (externe oder interne Schulden) und Faktoren, die sich auf die Fähigkeit eines Landes, seine Schulden zu refinanzieren, auswirken. Wenn wir beurteilen möchten, ob sich bei Schwellenländeranleihen eine Krise anbahnt oder ob die europäische Peripherie überbewertet ist, müssen wir uns zuerst folgende Frage stellen: Wie viel Verschuldung ist zu viel?

In der Vergangenheit haben wir von den Schwellenländern gelernt, dass übermäßige Fremdwährungsschulden gefährlicher werden, wenn sich die interne Lage in einem Land verschlechtert. Je angespannter die Lage, desto teurer wird durch die Abwertung der Währung die Bedienung der Auslandsschulden. Die Kombination aus schwacher Binnenkonjunktur und höherer Schuldenlast setzt eine hochgefährliche und selbstverstärkende Abwärtsspirale in Gang, die letztendlich dazu führt, dass ausländische Gläubiger den Geldhahn zudrehen.

Bei Lokalwährungsanleihen liegen die Dinge etwas anders. Hier ist die Lösung einfacher, denn die Notenbanken müssen nur mehr Geld drucken und notfalls ihre eigenen Anleihen kaufen. Ein Zahlungsausfall kann dadurch abgewendet werden, wenngleich häufig ein hoher Preis in Form einer Abwertung der Währung und anderer wirtschaftlicher Nebenwirkungen wie Inflation dafür gezahlt werden muss.

Heute ist die gefährliche Dynamik der Fremdwährungsschulden kaum zu beobachten. Wir rechnen nicht damit, dass sich in den Schwellenländern eine Schuldenkrise entwickelt. Dank wirtschaftlicher Anpassungen sind die Schwellenländer nicht mehr so stark auf ausländisches Kapital angewiesen, ihre binnenwirtschaftliche Lage ist stabiler und viele Schwellenländer haben ihre Devisenreserven massiv aufgestockt.

Das soll nicht heißen, dass der jüngste Ausverkauf der Schwellenländer unbegründet war. In einigen Regionen wie Argentinien, Venezuela und der Ukraine sind die individuellen Risiken extrem hoch. In anderen Regionen, wie etwa den BRIC-Staaten, haben das rapide Kreditwachstum und die Fehlallokation von Kapital gescheiterte Wirtschaftsmodelle hinterlassen, die dringend Strukturreformen benötigen. Es gibt noch viel zu tun, aber das wird in diesem Zyklus wohl eher durch schwächere Währungen als eine Krise und Zahlungsausfälle zum Ausdruck kommen. Einen Großteil dieses Anpassungsprozesses haben wir bereits hinter uns.

In der Eurozone liegt die Sache völlig anders. Zwar leidet nicht die ganze Region, aber sicherlich einige Staaten unter einem ernsten Schuldenproblem. In einer robusten Währungsunion würde man das ganz einfach durch reflationäre geldpolitische Maßnahmen beheben. Bei knapper Liquidität können die Zentralbanken mit reflationären Maßnahmen gegensteuern, damit Länder wie Italien und Spanien ihre enormen Schuldenlasten weiter refinanzieren können. Griechenland und Zypern hätten der EZB so oder so Probleme bereitet; an einer echten Zahlungsunfähigkeit kann selbst eine Zentralbank nichts mehr ändern. Der Fehler der EZB war jedoch, dass sie die Liquiditätsprobleme fast in eine Solvenzkrise hätte ausufern lassen. Die Schulden der Eurozone lauten fast ausnahmslos auf die Lokalwährung – den Euro. Durch die Aufdeckung der tiefen Kluften innerhalb der EWU haben die Zentralbanker zugelassen, dass die Anleihen der Peripherieländer am Markt wie Fremdwährungsanleihen bewertet wurden. An der Spekulation über ein Auseinanderbrechen der Eurozone und den Umschuldungen zeigte sich, wie gering das Vertrauen in die Währungsunion war.

Während die Euroländer eine „Niederlage" in letzter Minute abwenden konnten, haben die Schwellenländer genau das Gegenteil erreicht. Wirtschaftswachstum und bessere Finanzen wurden durch übermäßiges Kreditwachstum und die dringende Notwendigkeit struktureller Reformen abgelöst. Im Großen und Ganzen haben die Schwellenländer ihre Schuldensituation jedoch noch unter Kontrolle. Durch den beherrschbaren Schuldenstand sollte eine weitreichende Krise vermieden werden, sodass sich der Anpassungsprozess in erster Linie auf die schwächeren Währungen beschränken wird. Im kommenden Jahr wird es reichlich Kaufgelegenheiten geben, unter Umständen muss jedoch die eine oder andere geldpolitisch bedingte Katastrophe in Kauf genommen werden."

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