Value Investing mit globalen Small- und Midcaps

11.05.2023

Harald Sporleder, Chief Investment Officer von Lingohr & Partner Asset Management / Foto: © Lingohr Asset Management GmbH

In Zeiten vielfältiger Krisen rückt die globale Streuung in der Vermögensverwaltung wieder vermehrt in den Fokus, insbesondere unter Value-Gesichtspunkten, um Portfolios mit Substanz, Stabilität und Ertragsstärke aufzubauen. Das gelingt auch mit weltweiten Nebenwerten. Worauf es dabei ankommt.

Lange Zeit lief das Value Investing dem Growth Investing hinterher. Aber diese Zeit ist jetzt vorbei, denn das Value Investing erlebt eine Renaissance. Gerade die hohen Zinsen sprechen dafür, dass Substanzwerte langfristig attraktiv bleiben. Growth-Werte hingegen können von dem Zinsumfeld negativ beeinflusst werden. Die Stärke des Value Investing ist die rationale Wertorientierung, die durch die Kontrolle menschlicher Emotionen Verhaltensfehler wie den Herdentrieb beim Growth Investing vermeidet. Für diese Investoren bieten die Über- und Untertreibungen des Marktes regelmäßig Einstiegschancen für werthaltige Investments. Denn langfristig gilt bekanntlich die Regel, in das zu investieren, was heute das Beste ist, nicht in das, was das Beste war. Besonders wichtig für erfolgreiches Value Investing ist also der Mut, sich grundsätzlich gegen den Trend zu bewegen und der Faktor Geduld.

Die wichtigste Aufgabe eines aktiven Managers ist daher die Unterscheidung zwischen den Fundamentaldaten eines Unternehmens und den vorweggenommenen Erwartungen des aktuellen Aktienkurses. Denn eine überdurchschnittliche Performance ist langfristig wesentlich leichter zu erreichen, indem substanzstarke Unternehmensanteile dann gekauft werden, wenn sie niedrig bewertet sind. Value-Investoren kaufen damit Aktien (auch solche, deren innerer Wert möglicherweise wenig Wachstum in der Zukunft beinhaltet) aus Überzeugung, dass der aktuelle Wert im Vergleich zum derzeitigen Preis höher liegt.

Schwellenländer weisen ein interessantes Wirtschaftswachstum auf

Daher steht das Value Investing für langfristig orientierte Anleger weiterhin hoch im Kurs. Es kommt aber darauf an, in der aktiven Allokation auch auf Alternativen aus der Value-Welt zu setzen, um die Vermögenswerte breit zu streuen und ein marktadäquates Rendite- und Risikoprofil anzulegen. Daher gehören globale Small- und Midcaps zu einer modernen Value-Strategie. Die Suche richtet sich daher auf unentdeckte „Perlen“ beziehungsweise „Hidden Champions“ mit einer Marktkapitalisierung zwischen 150 Mio. Euro und 5 Mrd. Euro, die zwar nicht immer in der Öffentlichkeit stehen, aber sehr profitabel wirtschaften und viel Potential besitzen. Diese Werte können häufig zu sehr attraktiven Preisen gekauft werden. Das ist für aktive Value-Manager ein vielversprechendes Anlageuniversum.

Besonders interessant erscheinen in diesem Kontext die Schwellenländer. Schwellenländer weisen derzeit ein Wirtschaftswachstum auf, das etwa doppelt so hoch ist wie das der Industrieländer. Dieses hohe Wachstumspotenzial könnte dazu führen, dass bereits im Jahr 2050 sechs der sieben größten Volkswirtschaften der Welt aus heutigen Schwellenländern stammen.

Emerging Market Small Caps bieten aufgrund von erhöhten Ineffizienzen und deutlichen Bewertungsabschlägen ein optimales Umfeld für aktive Investoren. In den Schwellenländern sind weiterhin sehr werthaltige und vor allem günstig bewertete Aktien zu finden. Vor allem für Value-orientierte Anleger ist das interessant. Sie können damit von aufstrebenden Aktienmärkten in aller Welt und einer langfristigen Outperformance gegenüber dem MSCI Emerging Markets Index profitieren. Die wichtigsten entscheidungsrelevanten Kennzahlen für Value-orientierte Anleger in den Emerging Marktes sind Substanz- und Ertragsbewertungskennzahlen wie Kurs/Buchwert-Verhältnis, Kurs/Cashflow-Verhältnis, Kurs/Gewinn-Verhältnis, Dividendenrendite, Eigenkapitalrendite etc.

Breite Diversifizierung unter Berücksichtigung von Wachstum und Bewertung

Auf der anderen Seite haben die Emerging Markets schon immer einer erhöhte Risikobereitschaft erfordert, um langfristig vom attraktiven Aufwärtspotenzial zu profitieren. Es sind vor allem politische Risiken, die eine Rolle spielen. Viele Schwellenländer sind aus westlicher Perspektive keine vollständig entwickelten Demokratien, sodass die Märkte unter ungünstigen politischen Entwicklungen beziehungsweise Entscheidungen leiden können. Das Risiko von politischen und damit gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verwerfungen ist höher als in gesättigten westlichen Märkten. Allerdings beobachten wir auch immer häufiger, dass sich in den entwickelten Demokratien zunehmend mehr staatlicher Eingriff manifestiert, der die Kapitalanleger verunsichert und sich daher die Emerging Markets in einem anderen Licht darstellen. Es können zudem auch höhere Liquiditäts-, Währungs-, Regulierungs- und Rechtsrisiken bestehen. Diese Risiken gilt es zu bewerten. Es kommt also mehr als je zuvor darauf an, die Zielregionen genau auszuwählen. Russland beispielsweise hat sich durch den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf Jahre ins Abseits gestellt, sodass Russland recht sicher aus der Reihe der BRIC-Staaten herausfallen wird. Interessanter werden vielmehr die Outreach-Staaten (O-5), das sind China, Indien, Südafrika, Brasilien und Mexiko. Wichtiger als Akronyme sind aber eine breite Diversifizierung unter Berücksichtigung von Wachstum und Bewertung – also genau die Punkte, die für Value-Investoren wichtig sind und jede interessante Story schlagen sollten.

Small- und Midcap-Aktien mit weniger Prominenz

Anleger sollten sich also der Vorteile von Small- und Midcap-Aktien bewusst sein. Der größte ist, dass man üblicherweise im Laufe der Zeit eine höhere Rendite erzielen kann. Das liegt daran, dass kleinere und mittlere Unternehmen schneller wachsen als große, reife Unternehmen. Ein weiterer Vorteil ist der niedrigere Preis. Bei Largecap-Aktien ist der Aktienkurs in der Regel höher, weil es mehr Anleger gibt und die Unternehmen in der Regel seit langem stabile Erträge erwirtschaften. Dagegen werden Small- und Midcap-Aktien zu niedrigeren Kursen gehandelt, weil sie weniger prominent sind und dadurch oftmals auch weniger Anleger haben.

Somit gilt: Nach nunmehr über einer Dekade Value-Underperformance scheint sich die Stimmung unter Anlegern nachhaltig zu ändern. Das aktuelle Marktumfeld bietet dem disziplinierten und global aktiven Value-Anleger gute Gründe, vorsichtig optimistisch zu sein. Langfristig lohnt sich ein Value-Anteil im Portfolio in so gut wie allen Szenarien für einen weitsichtigen Investor, auch vor dem Hintergrund, dass immer wieder kritische Sondersituationen wie die Corona-Krise oder der Ukraine-Krieg auftreten können und werden.

Gastbeitrag von Harald Sporleder,
Chief Investment Officer von Lingohr & Partner Asset Management,
Spezialist für konsequentes Value Investing