Türkei: Funding secured?

20.08.2018

Thomas Wüst, Geschäftsführer valorvest Vermögensverwaltung / Foto: © valorvest

Nicht erst seit der berühmten „Whatever it takes“-Rede von Mario Draghi vom 26. Juli 2012 weiß man: Notenbanken steuern die Märkte vielmehr mit Worten als mit Taten. Dies setzt jedoch ein Vertrauen der Marktteilnehmer in die politische Unabhängigkeit und in die Glaubwürdigkeit der handelnden Personen voraus.

Gerade bei Turbulenzen an den Devisenmärkten ist es wichtig, dass einer Notenbank zugetraut wird, alle Maßnahmen zu ergreifen, die für die Stabilisierung einer Währung wichtig sind – so unpopulär diese auch sein mögen. Und genau dieses Vertrauen wird durch die Einmischung einer Regierung in die Geldpolitik einer Notenbank regelmäßig zerstört.

Dies wird am aktuellen Beispiel der Türkei deutlich. So wird es nun für die Regierung in der Türkei, trotz der kurzfristigen Hilfe des Emirats Katar, umso schwieriger das Vertrauen bei den Investoren wiederherzustellen, damit die Finanzierung des Staatshaushalts und der türkischen Banken sowie Unternehmen mittel- bis längerfristig sichergestellt werden kann. Es wird ein steiniger Weg mit einem ungewissen politischen Preis bis zur Nachricht: Türkei – Funding secured!

Die Formulierung „Funding secured“, zu deutsch „Finanzierung gesichert“, stammt aus dem berühmten Tweet von Elon Musk vom 7. August 2018, in dem er ein Delisting der Tesla Motor-Aktie über ein Rückkaufprogramm zum Kurs von 420 Dollar pro Aktie in Erwägung gezogen hat. Wie es sich im Nachhinein herausstellte, war diese Aussage mit großer Vorsicht zu genießen. So gibt es bislang kein unterschriftsreifes Vertragswerk, über das dieses milliardenschwere Finanzierungsvorhaben gestemmt werden könnte. Abgesehen davon, dass Twitter nicht der richtige Kanal ist, um solche kursrelevanten Nachrichten exklusiv zu verbreiten, wird auch hier das Vertrauen der Anleger nun auf eine harte Probe gestellt, ist die Finanzierung dieses Vorhabens alles andere als in trockenen Tüchern.

Während Elon Musk sich für seine Twitter-Eskapaden vor der US-Börsenaufsicht SEC und im Hinblick auf anhängende Aktionärsklagen vor Gericht rechtfertigen muss, gibt es – völlig unabhängig von den weiteren Entwicklungen in der Türkei – für Regierungen zunächst keine institutionalisierte Instanz, vor der sie sich für finanzpolitische Verfehlungen verantworten müssen. Das letzte Regulativ für derartige Machenschaften sind hier die Finanzmärkte, die im Falle eines Vertrauensverlustes nicht mehr dazu bereit sind, die Abkehr von Rechtsstaatlichkeit oder eine unverhältnismäßige, geldpolitische Machtkonzentration zu finanzieren.

Oft werden die Finanzmärkte dann pauschal verteufelt, als Märkte, an denen Hedgefonds gegen Währungen spekulieren, um von dem Leid eines ganzen Landes zu profitieren. Ethisch betrachtet, kann man dem spekulativen Treiben von Hedgefonds durchaus kritisch gegenüberstehen. Doch man macht es sich zu einfach in diesem Kontext verallgemeinernd von „den Finanzmärkten“ zu sprechen.

Denn viele Investoren, die strategisch in aufstrebenden Ländern investiert sind, und so den Aufbau und Wohlstand einer Gesellschaft mitfinanziert haben, verlieren in einer solchen Vertrauenskrise erst einmal eines: Geld. Sie gehören nicht zu den Gewinnern, sondern stehen zunächst als strategische Risikokapitalgeber auf der Verliererseite. Und gerade in Demokratien, in denen Regierende oft der Versuchung ausgesetzt sind, Stimmen mit Hilfe von Wahlgeschenken zu kaufen, braucht es ein ausgleichendes Element, ein Regulativ, das es in institutionalisierter Form so nicht gibt.

Und es sind eben nicht die Zocker, sondern strategische Investoren, die ausgestattet mit einem mittel- bis langfristigen Anlagehorizont den Staatshaushalt letztendlich finanzieren. Wenn man das Vertrauen dieser strategischen Investoren verspielt, dann wird es durch entsprechende Marktbewegungen schnell deutlich, dass es die Finanzmärkte sind, die hier als letzte, regulierende Instanz dienen.

Insofern bin ich persönlich froh, dass es die Politik noch nicht geschafft hat, die internationalen Finanzmärkte als letzte Instanz komplett totzuregulieren. Gerade auch zum Schutz unserer Demokratien, was aktuelle Entwicklungen durchaus zeigen. So kann die disziplinierende Wirkung der internationalen Finanzmärkte in der Zukunft auch für Unternehmen bei der Kapitalbeschaffung immer wichtiger werden, spielen doch Nachhaltigkeitskriterien bei der Auswahl von Kapitalanlagen im Investmentprozess künftig eine immer bedeutsamere Rolle.

Kolumne von Thomas Wüst, Geschäftsführer valorvest Vermögensverwaltung