Totgesagte leben länger

14.04.2016

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Niedrigstzinsen über Jahre lassen inzwischen auch Anlage-Laien in Sachwerte flüchten – endlich ziehen die Platzierungszahlen nach. Was können Privatanleger 2016 erwarten?

Seit Jahren propagieren Kapitalmarktexperten die Investition in Sachwerte, doch erst seit die Zinsen in der Eurozone unaufhaltsam in den Keller rutschen, reagieren auch private Investoren. Lange haben sie, allen Unkenrufen zum Trotz, an Sparplänen und festverzinslichen Wertpapieren festgehalten, doch allmählich kommt Bewegung ins heimische Portfolio.

Platzierungsvolumina im Aufwind.

Zeit wird’s: Im Jahr 2015 stiegen die Preise für Sach- und Finanzvermögen um 7,8 % – so stark wie noch nie, seit das Flossbach von Storch Research Institut den Vermögenspreisindex im Jahr 2005 aus der Taufe hob. Nach jahrelanger Durststrecke schlägt sich diese Entwicklung nunmehr auch in den Platzierungszahlen der Sachwertbeteiligungen nieder: kapital-markt intern (kmi) hat das Ergebnis des Jahres 2015 mit dem vom Vorjahr verglichen und einen Anstieg des platzierten Eigenkapitals um 24 % auf 1,33 Mrd. Euro errechnet. Der Research von kmi erfasst geschlossene Fonds, AIFs, Vermögensanlagen und Direktinvestments. Die regulierten Publikums-AIFs, die zunächst nur zögerlich emittiert und noch zögerlicher platziert wurden, haben deutlich zugelegt: 2015 wurden nach kmi-Rechnung immerhin 850 Mio. Euro platziert, fast zehnmal so viel wie im Vorjahr! Dazu mag beigetragen haben (und zukünftig noch vermehrt beitragen), dass zunächst unregulierte Nischen, etwa für Direktinvestments, Genussrechte und Nachrangdarlehen, inzwischen durch Vermögensanlagen- und Kleinanlegerschutzgesetz ebenfalls einer weitgehenden Prospektpflicht unterworfen wurden, inklusive Angaben zu Vermögens-, Finanz- und Ertragslage. Auch vor Prospektnachträgen können sich die Anbieter nicht mehr drücken. Für Vertriebe, die unregulierte Produkte via Übergangsregelung an den Mann gebracht haben, können sich daraus Haftungsrisiken ergeben. Um eine Plausibilitätsprüfung kommt ein verantwortungsbewusster Vertrieb deshalb kaum herum.

In die Pflicht genommen.

Angesichts der verschärften gesetzlichen Regulierung schmilzt der Abstand zu vollregulierten AIFs mit ihren weitreichenden Reporting-, Liquiditäts- und Risikomanagementerfordernissen rasch auf ein überschaubares Maß zusammen. Dennoch – das KAGB stellt die weitestgehenden Anforderungen an die Manager, sowohl an deren nachgewiesene Fachkompetenz als auch an die Ausgestaltung von AIFs: Dezidiert regelt es die Handhabung von Interessenskonflikten, Vergütungssystemen (diese dürfen keinen Anreiz zum Eingehen unangemessen hoher Risiken bieten), Risiko- und Liquiditätsmanagement sowie Meldepflichten und Reporting. Risiko- und Liquiditätsmanagementsysteme müssen regelmäßig durch Stresstests geprüft und bei Bedarf modifiziert werden – den Aufwand und die Kosten, die so eine eigene KVG vor der Zulassung und auch danach produziert, haben viele Anbieter zu verhalten geschätzt. Folge: Die bei Inkrafttreten des KAGB vielfach favorisierte eigene KVG sehen immer mehr Anbieter nicht mehr als Königsweg an. Erst vor wenigen Wochen hat beispielsweise die reconcept Gruppe ihre KVG an Xolaris und Xpecto AG verkauft und will zukünftig bei Bedarf eine Service-KVG einschalten – der aktuelle Fonds „RE 09“ ist als operativ eingestuft und unterliegt deshalb nicht dem KAGB. Ähnlich weit reichen die Regelungseingriffe auf Produktebene: Für nicht-professionelle Anleger gilt ein abschließender Katalog zulässiger Vermögensgegenstände und nur risikogemischte AIFs können mit anlegerfreundlichen Mindestzeichnungssummen unter 20.000 Euro gezeichnet werden.

Spezialisierung auf dem Vormarsch.

Dieser Wust an Vorschriften hat die Neuemission von Sachwertbeteiligungen in den letzten Jahren faktisch nahezu zum Erliegen gebracht. Doch inzwischen haben sich die Nebel der Unsicherheit gelichtet und klare Tendenzen sind erkennbar: Wie erwartet, hat der Wandel vom Finanzierungsspezialisten zum Assetmanager eingesetzt.

Zeit des „Bauchladeninitiators“ ist vorbei.

Die Initiatoren, die Produkte aus jedweder Assetklasse und aus allen Marktsegmenten im Angebot hatten und sie lediglich mehr oder weniger als geschlossene Fonds verpackten, sind offensichtlich vorbei. Sowohl Vertriebe wie auch Anleger honorieren Spezialisierung: Laut der kmi-Analyse lagen 2015 Immobilien unangefochten auf Platz 1 der Publikumsgunst, Objekte in Deutschland nur knapp vor solchen im Ausland. Das wird 2016 nicht wesentlich anders aussehen: Eine ganze Reihe von Initiatoren beabsichtigt, erfolgreiche Immobilienfonds-Serien auch im laufenden Jahr fortzusetzen. Nichts ist so anspornend wie ein nachweislich bewährtes Konzept mit plausiblen Werttreibern, das beweisen mehrere überzeugte Wiederholungstäter.

In der Planungspipeline der Anbieter.

PROJECT will zur Jahresmitte den neuen Publikumsfonds mit der Nummer 16 bringen, wie gewohnt als geschlossene Investment GmbH & Co. KG - mit der eigenen KVG PROJECT Investment AG und dem bekannten Konzept, ohne Fremdfinanzierung Immobilienprojekte zu entwickeln. Vergleichbar geht die fränkische „Nachbarin“ ZBI vor: Gerade erst hat man den „ZBI Professional 9“ mit dem Rekordvolumen von 112 Mio. Euro Eigenkapital geschlossen, schon steht der Nachfolger „Professional 10“ in den Startlöchern. Seit Jahren konzipieren und platzieren die Franken einen Fonds nach dem anderen als geschlossene GmbH & Co. KG, und der Aufwand für die eigene KVG rentiert sich mit jeder Beteiligung etwas mehr. Weiter im Vertrieb ist der „ZBI Regionfonds Wohnen“ mit Schwerpunkt auf Investments in Franken, neu hinzukommen wird im Laufe des Jahres der „ZBI WohnWert 1“ als vermögensverwaltender AIF mit einer Laufzeit von über zehn Jahren. Die One Group plant die Schließung ihres aktuellen Publikums-AIF „ProReal Deutschland Fonds 4“ für Ende September und geht davon aus, die Fondsserie nachhaltig fortzusetzen. Sogar zwei Angebote für Privatanleger kündigt die Habona Invest an: Mit dem „Deutschen Einzelhandelsimmobilien Fonds 5“ hat sie bereits den dritten geschlossenen Publikums-AIF seit November 2015, und der zweite Kita-Fonds, eine Habona-Spezialität, steht bereits in den Startlöchern und soll im zweiten Quartal 2016 in die Platzierung gehen. Genau so konsequent zeigt sich die INP: Die Spezialisten für Pflegeimmobilien bereiten das „23. INP Pflege Portfolio Deutschland“ mit drei Pflegeheimen und unterschiedlichen Betreibern vor, zum Jahresende soll ein weiterer risikogemischter Publikums-AIF folgen. Außerdem wird der offene Spezial-AIF für institutionelle Investoren, der „INP Deutsche Pflege Invest“ seine Einkäufe fortsetzen. Etwas skeptischer ist der Wettbewerber IMMAC: Sicher ist nur, dass Beteiligungsangebote auch weiterhin ausschließlich als AIF in den Vertrieb gegeben werden. In jedem Fall wird als Anbieter die HKA Hanseatische Kapitalverwaltung AG fungieren, die deutschlandweit erste zugelassene KVG von IMMAC und DFV. Den Engpassfaktor sieht IMMAC-Vorstand Thomas F. Roth in der Assetverfügbarkeit: „Was an Neubauten und Bestandsobjekten am Markt angeboten wird, ist weitgehend so überteuert, dass es sich für einen AIF nicht rechnet“, bedauert er. Dadurch wird die Akquise attraktiver Objekte schwieriger, für unmöglich hält er sie jedoch nicht. Dem Prinzip „Schuster, bleib bei Deinen Leisten“ folgt die asuco und bleibt weiterhin bei ihrer Kernkompetenz, dem Erwerb von Immobilienfondsanteilen am Zweitmarkt. Neu wird die Verpackung sein: Weil das KAGB Zweitmarktfonds die direkte Investition in unregulierte Altfonds auf dem Zweitmarkt verbietet, werden sie unter dem Namen „asuco ZweitmarktZins“ Namensschuldverschreibungen im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 6 VermAnlG begeben und sich die Kosten und immanenten Renditenachteile der Mehrstöckigkeit sparen. Noch im April dieses Jahres sollen eine Publikums- und eine Privatplatzierungstranche des Produkts auf den Markt kommen, kündigt Robert List, geschäftsführender Gesellschafter der asuco, an. Auch Solvium Capital bleibt auf Distanz zum KAGB: Aktuell sind der „Solvium Container Invest 13-05“ als Direktinvestment mit Rückkaufoption, noch ohne Prospektpflicht, und der „Container Select Plus“ nach VermAnlG in der Platzierung. Voraussichtlich ab April können Anleger mit den Schwester-Angeboten „Wechselkoffer Euro Select 1 und 2“ in junge bzw. gebrauchte Wechselkoffer investieren, ebenfalls unter VermAnlG. Eine gemischte Strategie indes fährt Buss Capital im laufenden Jahr: Noch im ersten Quartal soll ein Tankcontainerinvestment als Direktinvestment nach VermAnlG kommen, der Publikums-AIF „Buss Investment 1“ ist weiterhin im Vertrieb. Weitere mittelbare Investitionen in Standardcontainer werden geprüft. Mit ungebremstem Schwung geht WealthCap ins Frühjahr: Fünf Fonds sind bereits in der Platzierung: „Immobilien Deutschland 38“, „Immobilien Nordamerika 16“, „Sachwerte Portfolio 2“ und die beiden Private Equity-Fonds mit der Nummer 19 und 20. Die Dachfondsprodukte werden gut angenommen, so Pressesprecher Sebastian Zehrer, deshalb werden beide Serien nach Schließung der aktuellen Fonds in die nächste Runde gehen – selbstverständlich wieder als vollregulierte AIFs. Auch ein neuer Immobilienfonds Deutschland ist in der Planung. Außerdem hat WealthCap das Headquarter von Netflix in Los Gatos im Silicon Valley erworben und wird es, unter Umständen in zwei Tranchen für private und institutionelle Investoren, noch in diesem Jahr auf den Markt bringen. „Einen spannenderen Mieter als Netflix kann man sich kaum vorstellen. Und eine dynamischere Umgebung als das Silicon Valley erst recht nicht. Mit dem zweiten Objekterwerb im Blueprint des Innovation Districts setzen wir unsere US-Strategie fort“, er klärt Dr. Rainer Krütten, Geschäftsführer von WealthCap. Auch die BVT setzt für Privatanleger weiterhin auf Portfolio-Angebote: In der Platzierung ist Anfang 2016 der „BVT Concentio Vermögensstrukturfonds 1“, außerdem wollen die Münchener die seit 2005 laufende Top Select-Serie fortsetzen, die sich als Multi Asset-Produkt gut als Basis-Sachwertinvestment für Privatanleger eignet. Weitere Sequels des Ertragswertfonds-Konzepts und der IFK-Sachwertfondsserie sollen ebenfalls im Gewand eines regulierten Publikums-AIFs folgen. Newcomer PATRIZIA gibt nach verhaltenem Start im neuen Jahr richtig Gas: Im Februar kam mit dem „Campus Aachen“ der erste regulierte Publikums-AIF auf den Markt, vier weitere Fonds für Privatanleger in entsprechender Verpackung sollen unter der Regie der eigenen KVG in diesem Jahr noch folgen: „Stadtquartier Stuttgart“, „Wohnen Den Haag“, „Wohnen Kopenhagen“ und einer noch nicht veröffentlichungsreifen Büroimmobilie in Deutschland. „Damit gehören wir zu den wenigen Anbietern, die eine umfangreiche Produktpalette vorhalten und damit für die Platzierungspartner entsprechende Planungssicherheit bieten“, freut sich Andreas Heibrock, Geschäftsführer der PATRIZIA GrundInvest. Auch die HTB hat sich einiges vorgenommen: Zu dem Zweitmarktfonds „HTB Immobilien Portfolio 7“, der als regulierter AIF seit Februar im Vertrieb ist, sollen im Laufe des Jahres noch der „HTB SHP Nr. 5“ und gegebenenfalls eine gemischt genutzte Gewerbeimmobilie für Privatanleger kommen. Außerdem kann sich Patrick Brinker, Geschäftsführer der HTB Hanseatische Fondsinvest, ein Hotel für Privat- oder institutionelle Investoren vorstellen. „Die HANNOVER LEASING plant weiterhin Produkte in ihren Kernassetklassen Immobilien und Flugzeuge für Privatanleger als Publikums-AIF auf den Markt zu bringen“, erklärt Geschäftsführer Michael Ruhl, derzeit platziert er den „Flight Invest 51“ und „Danone Utrecht“. Außerdem bereitet sein Haus offene inländische Spezial-AIFs aus dem Immobilienbereich vor. Die Hamburger Paribus ist derzeit mit dem „Railportfolio 3“ aktiv und möchte auch einen weiteren Immobilienfonds für Privatanleger nicht ausschließen, bevorzugt in der Rechtsform eines KAGB-konformen geschlossenen AIF.

Zurückhaltung weicht mitunter Wagnisbereitschaft.

Neben den konsequenten Wiederholungstätern steht eine Gruppe von Initiatoren, die sich nach kürzerer oder längerer Platzierungspause wieder in den Markt wagen: Die Münchner LHI hat im Januar ihr Immobilien-Portfolio „Baden-Württemberg 1“ auf den Markt gebracht, auch sie setzt für Privatanleger ausschließlich auf regulierte AIFs aus der eigenen KVG. Auch die Doric möchte wieder im Retailsegment aktiv werden und plant fürs vierte Quartal einen geschlossenen Publikums-AIF zum Thema Wohnen – bereits 2014 hatte die eigene KVG die Zulassung von der BaFin erhalten.

Einige Initiatoren hoffen auf nur vorübergehenden Abschied vom Retailmarkt.

Neben Initiatoren, die sich völlig aus dem Publikumsgeschäft zurückgezogen haben (ehemalige Hamburger Branchengrößen von MPC über Nordcapital und HCI bis hin zur Münchner KGAL), stehen solche, die immer noch hoffen, dass der Abschied vom Retailmarkt nur vorübergehend sein möge: Hamburg Trust und die US Treuhand werden 2016 keine Beteiligungen für Privatanleger anbieten, und auch SachsenFonds konzentriert sich in diesem Jahr aufs Geschäft mit institutionellen Investoren in den Bereichen erneuerbare Energien und Immobilien. Frühestens gegen Jahresende denke man einen neuen Retailfonds aus den Segmenten Wind oder Auslandsimmobilien, den SachsenFonds als geschlossene Investment-KG auf den Markt bringen will. Ebenso sind die Kollegen von Wattner und Lacuna in Sachen Privatkundengeschäft zurückhaltend und bevorzugen derzeit das Geschäft mit (semi-) professionellen Investoren. Fazit Für freie Vertriebe, die laut kmi 56 % des im letzten Jahres mit Sachwertbeteiligungen platzierten Eigenkapitals an ihre Zielgruppe bringen konnten, bieten sich 2016 also reihenweise Vertriebschancen – auf zum Kunden, lautet demzufolge die Devise. (sk) (Ausblick AIFs und Beteiligungen / finanzwelt 02/2016)