Tatort Münster

15.06.2015

Regional und Mischnutzung sind die Zauberworte für die neuen geschlossenen Immobilien-AIFs. Während jahrelang nach der Top-Immobilie und dem einen zahlungskräftigen Mieter gesucht wurde, dominieren heute Kleinstädte und ein Mietermix.

Wenn der Münsteraner Tatort mit dem leicht chaotischen Kriminalhauptkommissar Frank Thiel (gespielt von Axel Prahl) und dem eloquenten Rechtsmediziner Professor Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) läuft, sitzen Millionen Fans vor dem Fernseher. Die Fälle spielen in einer 300.000 Einwohner zählenden Kleinstadt. Und die sind ebenso spannend wie Ermittlungen in Hamburg, München oder Berlin in anderen Krimis.

Mit dem Münsteraner Tatort findet sich eine Parallele

zum aktuellen Immobilienanlagemarkt.

Investitionen in den Top-7-Städten sind zum Rendite-Langweiler geworden. Die hohe Nachfrage lässt die Preise in die Höhe schnellen. Wirkliche Top-Immobilien an erstklassigen Standorten sind in einem Fonds nicht mehr ohne Weiteres zu verwirklichen. Spannender wird es, wenn man in die Provinz schaut. Das macht aktuell die HANNOVER LEASING, die mit dem Vertrieb ihres ersten geschlossenen Immobilien-Publikums- AIF begonnen hat. Einziges Objekt in dem Fonds ist die Büroimmobilie „Die Direktion" in eben diesem Münster. Der Komplex diente einst der Deutschen Bahn als Sitz. Nach Umbau und Revitalisierung finden sich heute zahlreiche Mieter in dem Gebäude. Dazu zählen immer noch die Deutsche Bahn, aber auch die Deutsche Rentenversicherung/ Knappschaft Bahn See, der Landschaftsverband Westfalen-Lippe und eine Filiale der Drogeriemarktkette dm. Geschäftsführer Michael Ruhl sieht in der B-Stadt kein Hindernis für eine Investition. „Münster ist aufgrund seiner gut entwickelten Infrastruktur, der positiven demografischen Entwicklung und seiner gut differenzierten, starken lokalen und regionalen Wirtschaftsstruktur für Immobilieninvestitionen besonders interessant", erklärt er. Es sei eine kleine Metropole in der Region. „B-Städte werden häufig unterschätzt", ergänzt Ruhl. Viele Investoren würden nach wie vor lieber in den teuren Metropolen kaufen, da die Märkte scheinbar transparenter seien. Auf der anderen Seite hätten B-Städte oft eine stabilere Wertentwicklung. „Allerdings", schränkt er ein, „wenn man in eine B-Stadt geht, dann muss es eine A-Lage sein".

Die Nachfrage nach Immobilien in Deutschland

ist seit Jahren ungebrochen.

Und ein Ende des Booms sei nicht absehbar, meint Andreas Pohl, Sprecher des Vorstands der Deutschen Hypo. Die hohe Liquidität im Markt und die ungebrochene Nachfrage von Investoren nach gewerblichen Immobilien sprächen für eine Fortsetzung des Aufschwungs. So sei im vergangenen Jahr das Interesse ausländischer Investoren an deutschen Immobilien wieder deutlich gewachsen. Gemessen am Transaktionsvolumen machen ausländische Käufer mittlerweile mehr als 50 % der Investitionen aus.

Maklerhäuser bestätigen den Trend.

An allen Top-Standorten, mit Ausnahme von Düsseldorf, geben die Renditen für Büroimmobilien weiter nach. Fabian Klein, Head of Investment bei CBRE in Deutschland, geht davon aus, dass diese Entwicklung weitergehen wird. Investoren weichen daher immer mehr in B-Lagen der Top-Städte aus und treiben auch dort die Preise in die Höhe. Auch die B-Städte sind längst im Visier der Investoren. Hier erwartet Dr. Thomas Beyerle, Group Head of Research bei Catella, ebenfalls einen weiteren Rückgang der Renditen. „Die Märkte boomen und wir sind weit davon entfernt, eine Krisensituation zu erleben", so Dr. Beyerle weiter. Die Gründe für diese Entwicklung sieht Catella Research in der enormen Liquidität, die durch die Europäische Zentralbank zur Verfügung gestellt wird. Diese Investoren suchen nach Sicherheit und Anlagealternativen für das Geld. Bei rund 1 % Rendite bei sicheren Bundesanleihen sehen selbst 4 % bei einer Top-Immobilie noch attraktiv aus. Hinzu kommt die Hoffnung auf weitere Wertsteigerungen, solange die Liquiditätsschwemme weiter anhält.

Statt Top-Lagen Kleinstädte

Wo früher die geschlossenen Fonds die 1-Mieter-Immobilie in einer der großen Standorte suchten, sind diese Objekte für die AIFs von heute so gut wie unbezahlbar. Die Anbieter haben reagiert. Kleinere Städte, unspektakuläre Immobilien, Mischnutzungen und geringere Investitionsvolumen kennzeichnen die neuen AIFs. Das ist neben der Preisentwicklung auch der Situation im Vertrieb geschuldet. Kaum ein Initiator traut sich heute noch einen 80 Mio. Euro Fonds zu. Das muss für Anleger kein Nachteil sein, auch wenn das Risiko im Einzelfall höher sein könnte als in den Top-Lagen. Zu bedenken wäre, dass die Immobilienumsätze in diesen Städten in normalen Zeiten vielfach nicht sehr hoch sind. Die Frage wird also sein, wie die Nachfrage in rund zehn Jahren ist, wenn sich die Märkte normalisiert haben sollten.

In der Region bleibt auch der Wohnimmobilienspezialist ZBI aus Erlangen. Der geschlossene AIF „ZBI Regiofonds Wohnen" investiert hauptsächlich in Wohnimmobilien der Region um Nürnberg. „Aufgrund vieler Anfragen von Vertriebspartnern aus der Region Nordbayern haben wir den ‚ZBI Regiofonds Wohnen' für die Investoren aus dieser Region maßgeschneidert", erklärt ZBI-Vorstand Marcus Kraft. Die ersten beiden Anlagen wurden bereits in der Nachbarstadt Fürth gekauft. Die Metropolregion gehört nicht zu den Top-Städten in Deutschland, weist aber eine stabile Wirtschaftsstruktur auf. Der Wohnungsleerstand liegt deutlich unter dem bundesdeutschen Durchschnitt. Hochschulen, Forschungseinrichtungen und große Unternehmen sorgen für Zuzug und eine niedrige Arbeitslosenquote. Der regionale Fokus der Fonds ist sicherlich auch dem Umstand geschuldet, dass sich viele Vertriebe immer noch schwer tun mit dem Produkt Publikums-AIF. Die Konzentration auf regionale Vertriebspartner und der emotionale Heimataspekt der potenziellen Kunden soll die Zeichnungshürde senken. Die regionale Karte spielt auch FLEX Fonds. Der geschlossene Immobilienfonds investiert ausschließlich in Baden- Württemberg. Drei Objekte sind bereits angekauft: Das Neue Postturm Carré in Schorndorf, ein Supermarktportfolio in Eschach, Mutlangen und Oberkochen sowie das Kauffmann Areal in Ebersbach an der Fils. Trotz dieser regionalen Schwerpunkte tut sich FLEX Fonds im Vertrieb schwer. Der Fonds ist bereits seit drei Jahren am Markt. Das aktuelle Beteiligungsangebot der Bremer HTB Hanseatische Fondshaus ist ebenfalls nicht in einer der großen Städte zu finden. Der Fonds „HTB Strategische Handelsimmobilie Plus (SHP) Nr. 4" investiert in die „Alte Spinnerei" im bayerischen Bayreuth. Die denkmalgeschützte Immobilie aus dem 19. Jahrhundert beherbergt verschiedene Mieter, darunter die Supermärkte REWE und Netto sowie die gesetzliche Krankenkasse Barmer GEK. Außerdem haben sich viele Ärzte in dem Gebäude eingemietet. „Solche Multi-Tennant-Gebäude werden wir in Zukunft öfter sehen", ist Ruhl überzeugt. Risikogemischte Fonds erleichtern es dem Vertrieb, eine größere Zahl von Anlegern anzusprechen. In die gleiche Richtung argumentiert auch der Vorstand der Münchener Real I.S. AG Jochen Schenk: „Immobilienportfoliofonds befinden sich durch die Streuung der Objekte in einer niedrigeren Risikoklasse als ein traditioneller Immobilienfonds mit nur einem Gebäude", sagt Schenk. Solche Fonds eigneten sich daher für eine breitere Anlegerschicht. Mit dem „Real I.S. Grundvermögen" setzt die Real I.S. diese Idee um. Der Fonds investiert in eine Mischung aus verschiedenen Immobilien und Standorten. Den Anfang machen das Büro- und Einzelhandelsgebäude RegerHof in München und das Einzelhandelszentrum Fronhofer Galeria mit Büros und Parkhaus in Bonn-Bad Godesberg.

Dass Immobilien in Deutschland beim Vertrieb

**_ankommen, zeigen diverse Platzierungserfolge.

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So konnte die DeWert Deutsche Wertinvestment, eine Tochter der Hahn Gruppe, ihren Publikums-AIF „Pluswertfonds 163" bereits kurz nach Vertriebsstart abschließen. Auch hier war das Eigenkapital mit 22 Mio. Euro überschaubar. Die Investoren beteiligten sich mit einer durchschnittlichen Zeichnungssumme von rund 80.000 Euro. Die große Akzeptanz zeige, dass das Interesse an großflächigen Einzelhandelsimmobilien bei Privatanlegern vorhanden sein, erklärt Michael Hahn, Vorstandschef der Hahn Gruppe. Noch in diesem Jahr soll daher der nächste Pluswertfonds von DeWert aufgelegt werden.

Doch nicht alles läuft rund bei Deutschland-Fonds.

Hamburg Trust hat Anfang des Jahres den Publikumsvertrieb seines ersten Publikums-AIF „Domicilium 11 Little East" eingestellt. Der Fonds, der in eine Mikro-Apartmentanlage im Frankfurter Ostend investiert, wurde an institutionelle Investoren vertrieben. Auch der Münchener Initiator WealthCap hat mit seinen laufenden Angeboten zu kämpfen. Der „WealthCap Immobilien Deutschland 38" streut die Beteiligung in drei Gewerbeimmobilien in München. Auch der „WealthCap Immobilien Deutschland 37" ist immer noch im Vertrieb. Beim Gebäude mit der Beratungsgesellschaft KPMG als Mieter stimmt eigentlich alles, nur der Vertriebserfolg nicht.

Das Angebot wird weiter wachsen.

Noch in der Findungsphase befindet sich der neue Publikumsarm der PATRIZIA Immobilien AG. Seit dem vergangenen Jahr kümmern sich die ehemaligen Real I.S. Manager Andreas Heibrock und Joachim Fritz um das Fondsgeschäft für private Anleger. Gegen Ende des Jahres soll das erste Immobilienangebot an den Markt kommen. Jüngst hat die Habona für ihren Kindergartenfonds „Habona Kita Fonds 01" die erneute Zulassung bekommen und kann jetzt als AIF vertrieben werden. Der Fonds ist bereits zu knapp 50 % platziert und hat in fünf Kindertagesstätten investiert. Auch den „Habona Einzelhandelsfonds 04" hat die Habona den neuen Regelungen des KAGB angepasst. Der Fonds investiert in Nahversorgungszentren, die ebenfalls in kleineren Städten liegen.

Neben der zunehmenden regionalen Ausrichtung

werden wohl auch Spezialitäten wieder

verstärktan den Markt kommen.

So arbeitet der Pflegeimmobilienfonds-Anbieter INP an seinem ersten Fonds. Und auch die IMMAC ist in dem Segment weiter aktiv. Angesichts der demografischen Entwicklung bleibt auch dieser Markt attraktiv. Die Immobilienberatung CBRE spricht aufgrund eines Transaktionsvolumen von 811 Mio. Euro und einem Plus von 24 % gegenüber dem Vorjahr von einem eindrucksvollen Wachstum. „Die Nachfrage nach deutschen Pflegeheimen ist bei den Immobilieninvestoren, die über ein entsprechendes Know-how in dieser Assetklasse verfügen, aufgrund der höher erzielbaren Rendite im Vergleich zu den klassischen Immobiliensegmenten ungebrochen hoch", stellt CBRE, fest.

Und schließlich eignen sich Pflegeheime auch sehr gut als Kulisse für den nächsten Tatort – natürlich aus Münster. (ah)

Printausgabe 03 / 2015